PFULLINGEN. Schon in den 1930er-Jahren hatte Gabriele Kolompars Opa mit der Produktion von Textilien begonnen, wie die Nicht-mehr-Firmenchefin von »Engel« am Dienstagabend in der Pfullinger Klosterkirche auf dem Sofa beim »27. Pfulben-Talk« berichtete. Veranstaltet wurde die Reihe einmal mehr vom »Kulturhaus i‘Kuh« und der Stadtbibliothek.
1982 begann laut Kolompar die Ausrichtung auf Naturtextilien. »Mein Vater war Textiltechniker, ihm war klar: Wenn es weitergehen soll, dann müssen wir uns abgrenzen – Vater war damals schon sehr visionär«, berichtete Gabriele Kolompar, die zusammen mit ihrer Tochter Vera zum Pfulben-Talk gekommen war. Die Tochter hat BWL studiert und wollte in der Jugendzeit »auf keinen Fall« in das Unternehmen einsteigen, wie sie selbst berichtete. Doch sie hatte ihre Meinung geändert, heute ist sie die Geschäftsführerin. »Die Übergabe war nicht immer einfach und hat sich gezogen – aber sie ist geglückt«, berichteten die beiden Frauen Moderator Jochen Weeber.
Auch die zweite Tochter Lara ist mit im Unternehmen dabei, das mittlerweile 73 Beschäftigte zählt, darunter fünf geflüchtete Syrer. In Pfullingen sitzt die Verwaltung, dort wird auch selbst genäht. Hinzu kommen allerdings mehr als 200 Lohnnähereien. »Alle sind nicht weiter als 50 Kilometer von Pfullingen entfernt.« Da war das Gespräch auch schon beim Thema Nachhaltigkeit angelangt: »Das gehört zu unserer Firmenphilosophie«, sagte Mutter Kolompar. Und die Tochter ergänzte: »Nachhaltigkeit ist unsere DNA.«
Merinoschurwolle und Seide
Die »Engel«-Produkte werden weltweit vertrieben, »wir haben 1.400 ständige Kunden in der EU, in Kanada, Australien und USA«. Die Herstellung begann einst mit Baby- und Kleinkindkleidung, zunächst ganz ohne Farben, um die Ökostandards von GOTS (Global Organic Textile Standards) einzuhalten und sogar zu übertreffen. Heute steht Kleidung für Groß und Klein im Angebot, in vielen Farben, die aber keine Metalle und Gifte enthalten.
Immer sind die Grundstoffe Merinoschurwolle und/oder Seide. »Im Süden Argentiniens sind die Temperaturunterschiede sehr groß, deshalb ist die Wolle der Schafe in Herden von 5.000 bis zu 10.0000 Tieren dort auch sehr fein«, berichtete Gabriele Kolompar. Sie hatte sich die Wollproduktion von der Schafhaltung bis zum Waschen und Kämmen der Wolle vor Ort selbst genau angesehen. »Es war wichtig, den Gauchos zu zeigen, welche Produkte aus der Wolle ihrer Schafe entstehen.«
Ja, die »Engel«-Produkte seien teurer als die heute weit verbreiteten Wegwerfklamotten. »Aber zu uns kommen immer wieder Kunden und sagen, dass schon ihre Eltern die Kleidung von uns getragen haben, und nun nutzen sie die Enkel«, berichtete Vera Kolompar. Langlebigkeit und Nachhaltigkeit – beides liege dem Unternehmen am Herzen.
Für das Lieferkettengesetz
Die Frauen stimmen auch vehement für das Lieferkettengesetz, das momentan »völlig verwässert« werde. »Um die Vorgaben des Gesetzes einzuhalten, ist zwar einiger Aufwand notwendig, aber es lohnt sich«, so die Mutter. Für die Menschen und für die Natur. Die Standards gelten von der Schafhaltung in Patagonien bis zu den Sozialstandards, wie die Arbeitszeit, nicht nur in Deutschland, sondern überall.
Von »Greenwashing«, also den zumeist firmeneigenen Umwelt-Sigeln, halten die Geschäftsfrauen gar nichts. Mit den Großen der Branche können und wollen sie sich nicht messen. »Wir sind in einer Nische und produzieren aus Naturmaterialien.« Wie sie die Zukunft sieht, wollte Jochen Weeber von Vera Kolompar wissen. »Wir wollen unserem Kern treu bleiben, unser Ziel ist, noch bekannter zu werden.«
Eine Vision habe sie, fügte Vera Kolompar augenzwinkernd hinzu: »Jedes Kind auf der ganzen Welt sollte irgendwann mal einen Body von ,Engel' getragen haben.« Ihre Mutter sagte dazu sehr trocken: »Dann bräuchten wir aber noch ein paar Nähmaschinen mehr.« Musikalisch umrahmt wurde der Abend in der besonderen Atmosphäre des ehemaligen Klarissenklosters virtuos von Martin Förster und Markus Herzer von der Pfullinger Musikschule. (GEA)