PFULLINGEN. Früher standen die kleinen goldenen Käfige in vielen Kinderzimmern oder Wohnstuben. Manchmal lag noch ein großes Stück Zeitungspapier unter dem Käfig, denn wenn der Wellensittich oder der Kanarienvogel in seinem viel zu engen Heim flatterte, flogen Sand und Federn durch die Gitterstäbe. Das Papier half, alles schnell in Ordnung zu bringen und schonte den Untergrund, wenn dem Vogel mal etwas daneben ging. Vielleicht ein Grund dafür, warum viele Haustiere wie Hund und Katze boomen, aber der Bestand an Vögeln seit Jahren stagniert. Nach einer Statistik des Zentralverbands der Zoologischen Fachbetriebe lebten 2023 in drei Prozent der deutschen Haushalte insgesamt 3,5 Millionen Vögel.
Und davon hoffentlich alle in Volieren. Die kleinen Käfige von damals finden sich gleichwohl noch massenhaft im Internet, werden dort als ideale Unterbringung angeboten. Aber Vögel in kleinen Käfigen zu halten, ist nicht artgerecht, betont Anja Zeller, Tierheimleiterin des BMT-Tierschutzzentrums in Pfullingen. Wellensittiche und Kanarienvögel brauchen eine mindestens 1,50 Meter lange, 60 Zentimeter breite und 100 Zentimeter hohe Voliere. Und sie müssen raus dürfen aus ihrem Käfig, täglich mehrere Stunden frei fliegen.
Die guten Flieger kommen aus Australien
Das wundert einen nicht, wenn man einen Blick darauf wirft, wo etwa Wellensittiche herkommen. Sie bevölkern in großen Schwärmen mit bis zu tausenden Tieren die Savannen Australiens. Die guten Flieger legen bis zu hundert Kilometer am Tag auf der Suche nach Nahrung zurück. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Exemplare nach Europa und es entwickelte sich ein regelrechter Boom. Sodass Australien 1894, um die heimische Vogelwelt zu schützen, ein generelles Exportverbot erließ. Seither werden die Vögel in Europa gezüchtet.
Übers Geld muss man reden
Wellensittiche lassen sich relativ günstig halten, wer jedoch große Papageien sein Eigen nennen will, der muss tief in die Taschen greifen. Die Kostenschätzung hängt stark von der Größe der Vögel und ihren Ansprüchen ab. Zusätzlich anfallende Kosten für Tierarzt, Krankenversicherung oder Ähnliches können nicht pauschal eingerechnet werden, da sie individuell extrem variieren.
Einmalige Ausgaben: Die Anschaffungskosten für ein Paar Wellensittiche liegt etwa zwischen 30 und 100 Euro. Für ein Ara-Paar werden je nach Art etwa 1.200 bis 5.000 Euro oder noch mehr fällig.
Basiskosten: 350 (Wellensittiche) bis mehrere tausend Euro. Beispielsweise für Voliere, Vogelzimmer, Außengehege, Näpfe, Sitzgelegenheiten, Spielzeug.
Jährliche Kosten: 340 (Wellensittiche) bis 2.400 Euro (Papageien). Für Futter, Einstreu, Gesundheitschecks und mehr.
Sonderkosten: variabel. Für außerplanmäßige Tierarztbesuche, Medikamente und mehr.
Gesamtkosten: Zwei Wellensittiche kosten bis zu ihrem achten Lebensjahr durchschnittlich 3.115 Euro. Ein Papageien-Paar, das 30 Jahre alt wird, kostet bis dahin rund 60.000 Euro oder mehr. (GEA)
Neben viel Bewegung braucht der Wellensittich vor allem Gesellschaft. Er ist ein Gruppentier mit einem ausgeprägten Sozialverhalten, das bei falscher Behandlung leidet wie ein Mensch. Mindestens ein Paar sollte dann auch in die heimische Voliere einziehen. Bei guter Pflege können Wellensittiche zwischen 10 und 15 Jahre alt werden. Schätzungen gehen aber davon aus, dass etwa die Hälfte der Vögel das fünfte Lebensjahr aufgrund von Haltungs- und Ernährungsfehlern nicht erreicht. Deshalb sollten sich zukünftige Halter schon vor dem Kauf ausführlich informieren.
Lautstarke Lebenspartner
Das gilt erst recht für die größeren Verwandten der Wellensittiche, wie Aras, Graupapageien, Nymphensittiche oder Kakadus. Sie sind nicht nur wesentlich teurer in der Anschaffung, sie stellen auch größere Anforderungen an ihre Haltung. Wie bei den Wellensittichen gilt bei den Papageien: Mindestens zwei müssen es sein. Vor der Anschaffung gilt auch zu bedenken, dass Aras in Gefangenschaft zwischen 50 und 70 Jahre alt werden können. Das heißt, der Mensch wählt sich einen lebenslangen Begleiter, um den er sich kümmern muss und den Nachbarn und Partner auch ertragen müssen. Wer sich an den Besuch in der Wilhelma erinnert, wird das teilweise ohrenbetäubende Gekreische der Tiere nicht vergessen haben.
In einer Mietwohnung ist da der Streit mit dem Wohnungsnachbarn praktisch vorprogrammiert. Wobei zuerst auch ein Platz für die drei Meter lange, einen Meter breite und mindestens zwei Meter hohe Voliere gefunden werden muss. Und wer sich gedanklich schon mit den Hinterlassenschaften von Wellensittichen nicht anfreunden kann, wird auch nicht begeistert davon sein, dass die großen Papageien beim notwendigen Freiflug ihren Kot überall fallen lassen.
Zeller gibt zu bedenken, dass es sich bei den Papageien um Wildtiere handelt. Nur mit Helm und Schutzanzug gehen beispielsweise ihre Mitarbeiter in das Gehege von Vasco. Der Kakadu ist schon seit längerem im Tierheim und versucht zu verhindern, dass jemand seiner Gefährtin Joshi zu nahe kommt. Was deutlich macht: Nicht jeder Vogel wird zahm. Selbst wenn man viel Zeit mit ihm verbringt. »Das sind keine Kuscheltiere«, betont Zeller.
So geht's weiter
In der letzten Folge der GEA-Serie »Welches Haustier passt zu mir?« spricht Anja Zeller, Tierheimleiterin im Pfullinger BMT-Tierschutzzentrum, über die Haltung von Schweinen, Hühnern und Pferden. Der Artikel dazu erscheint am Donnerstag, 5. September. (GEA)Papageien und Wellensittiche sind besonders kluge und neugierige Tiere. Deshalb ist es besonders wichtig, die Wohnung oder das Vogelzimmer vor dem ersten Freiflug zu sichern, das heißt, alles, was die Vögel gefährden könnte, vor ihren Schnäbeln in Sicherheit zu bringen. Mit Schäden an Möbeln, Putz oder anderen Dingen muss man leben lernen. Vor allem Papageien gehören zu den intelligentesten Tieren überhaupt und deshalb ist ihre Haltung besonders anspruchsvoll: »Man nimmt quasi ein Kleinkind auf, das aber eben nie erwachsen wird und dazu um ein Vielfaches lauter ist«, schreibt etwa die Deutsche Max-Planck-Gesellschaft für biologische Intelligenz zur Haltung der Tiere in Privathaushalten.
Viel Beschäftigung gegen dumme Ideen
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, stets für genügend Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere zu sorgen, damit sie erst gar nicht auf »dumme Ideen« kommen können. Zeller berichtet, dass ihre Papageien etwa in die Wände ihrer Voliere Nisthöhlen bauen, »die haben sich ihre Umgebung angepasst«. Plastikglöckchen, Spiegel und ähnliches »Spielzeug« haben aber in einer artgerechten Voliere nichts verloren. Die soll möglichst naturnah ausgestattet sein. Äste und Zweige von der Obstbaumwiese sorgen unter anderem dafür, dass die Vögel nicht immer auf den gleich großen Sitzstangen landen, was oft zu Gelenkproblemen führt, erklärt Zeller.
Apropos Gesundheit: Ein Tierarzt, der sich mit den gefiederten Freunden auskennt, sollte in der Nähe der neuen Bleibe eine Praxis haben. Wellensittiche beispielsweise haben eine hohe Neigung, Tumore zu bekommen. Deshalb können Tierarztkosten auch mal aus dem Ruder laufen. Eine Vorbedingung für gesunde Tiere ist die Hygiene in den Volieren – eine regelmäßige Reinigung von Wasserschalen, Trinknäpfen, Bademöglichkeiten, Sitzstangen oder etwa des Volierenbodens ist ein Muss.
Ein Schluss, den Anja Zeller, daraus zieht: Vogelhaltung ist nicht für Kinder geeignet, um Wellensittich können sich auch Jugendliche kümmern, aber die größeren Vögel sind eine Sache für Erwachsene. (GEA)