PFULLINGEN. »Welcher Friseur hat schon mal mit der deutschen Botschaft in Lagos telefoniert?«, fragt Gottfried Staiger knitz und lächelt übers ganze Gesicht. »Die Warteschleife hat mich ein Schweinegeld gekostet, aber es war erfolgreich.« Der Pfullinger, den seine Freunde und eigentlich alle, die ihn kennen, nur »Bopfi« nennen, hat mit seinen Telefonaten dafür gesorgt, dass wichtige Spieler mit nigerianischem Pass, wie Ogu Nwagbara, Danlami Garba und Mike Mgor, ein Visum bekommen haben, um beim VfL Pfullingen Handball zu spielen. »Das ist nicht alltäglich«, sagt der 74-Jährige, der 23 Jahre lang Manager der Profi-Handballer war.
Nicht alltäglich ist auch sein Leben: ein Friseur, der sich in seiner Freizeit um Profisport kümmert, als Organisator, als streitbarer Menschenfreund, als Handballverrückter. Viele Jahre lang sorgte er durch sein Handeln, sein Geschick, seinen Umgang mit Menschen im Hintergrund dafür, dass die Sache im Verein läuft. Zum Gespräch mit dem GEA kommt er in kurzen Hosen bei nicht ganz so tollem Wetter, braungebrannt und entspannt.
Bei Relegationsspielen Blut und Wasser geschwitzt
Auf der Tribüne in der Kurt-App-Halle sprudeln die Geschichten nur so aus ihm heraus. Mehr als zwei Jahrzehnte schaffen eine Menge Erlebnisse. »Die gigantischste Sache war der Aufstieg in die Erste Liga.« Als sie dann2003 Leutershausen beim ersten Spiel aus der Halle gefegt, oder Östringen daheim geschlagen haben, floss das Bier genauso wie das Adrenalin in den Adern. »Bei den Relegationsspielen im ersten Bundesligajahr gegen den SV Post Schwerin hab ich Blut und Wasser geschwitzt.« Die Feier nach dem entscheidenden Tor von Markus Becker, »das uns am Ende gerettet hat und die Ligazugehörigkeit gesichert«, fiel entsprechend aus. Staiger kann viel erzählen »über die intensivste Zeit in meinem Leben«, in der er sich nicht nur um die Profihandballer gekümmert, sondern den Job mit Haut und Haaren gelebt hat, wie ihm Weggefährten bescheinigen. »Es war ein kompletter Job neben meinem Job. Ich frag mich heute manchmal, wie ich das alles gemacht und hingekriegt hab. Aber es ist mir leicht gefallen, weil ich auch immer was zurückbekommen habe.«
Schon sein Einstieg beim Einstieg spricht Bände. Bopfi Staiger hatte sich nämlich nicht um den Manager-Job beworben, hatte ihn auch nicht bewusst angestrebt. »Eines Tages kam Kurt Reusch auf mich zu und hat gesagt: Ich will Dich«, erzählt Staiger. Das kam nicht aus dem Nichts. Dem langjährigen Erfolgstrainer war Staiger als Jugendleiter aufgefallen, der sich engagierte um die Jungs und die Mädels gekümmert hat, Spielpläne erstellt und von Hand gemalt, die Hallenbelegung organisierte, sich um Trikots gekümmert, all die Aufgaben, was eben einen Verein auszeichnet. Staiger zögerte nicht.
Abertausende von Kilometern auf Autobahnen
Er hat zugepackt, die Chance gesehen. »Ich organisiere halt gern«, sagt er fast schon bescheiden. »Wenn dich die Jungs dann sehen und Danke sagen, weil Du ihnen geholfen hast, dann hat mich das riesig gefreut.« Dass es aber solche Ausmaße annimmt, dass er quasi jede Handball-Halle in Deutschland kennt, Abertausende von Kilometern auf Autobahnen runtergespult hat, auch mal im Auto übernachtet, das hätte er zu Beginn nicht gedacht. Doch es ist seinem Verständnis von Engagement geschuldet, denn wenn er etwas macht, dann richtig. Die Aufgaben waren vielfältig.
Bus buchen, Hotel buchen, Essen buchen, als Vorstandsmitglied der Handball-Bundesliga (HBL) Termine wahrnehmen und nicht zu unterschätzen, er hatte immer das Ohr an den Spielern. »Ich bin jeden Tag da gewesen, jeden Tag in der Halle bei den Spielern. Ein Außenstehender kann sich nicht vorstellen, was in der Kabine passiert.« Mehr erzählt er aber nicht, aus Loyalität und weil er keine Plaudertasche ist, die nach Jahren irgendwelche Geschichten ins Land setzt. »Die Kabine war immer tabu«, sagt Staiger. »Ich hatte ein Superverhältnis zur Mannschaft, allen voran Holger Breitenbacher, dem langjährigen Kapitän.« Nichts drang heraus, nur manchmal ziemlich lautes Geschrei aus seinem kleinen Pseudobüro in der Halle, wenn er sich »positiv in der Sache« mit Trainer Rolf Brack auseinandergesetzt hat. »Es war nie persönlich. Wir hatten ein Bombenverhältnis.«
Jahrelang bei keinem Handballspiel
Viel erzählt Staiger auch nicht über die dunkle Zeit. Es war für den engagierten Manager nicht einfach, das Ende der Pfullinger Profihandballer zu verkraften. Die Insolvenz 2006 hat Staiger lange umgetrieben und ihm so manche schlaflose Nacht bereitet. Jahrelang war er bei keinem Handballspiel mehr in der Kurt-App-Halle, erst in der jüngst abgelaufenen Saison hat er sich in sein ehemaliges Wohnzimmer wieder hineingetraut und auch wieder seinen Spaß gefunden. (GEA)

