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Aktuell Verkehr

Pfullingen hat jetzt ein Mobilitätskonzept

Pfullinger Gemeinderat verabschiedet das Mobilitätskonzept 2035 für die Stadt bei nur einer Gegenstimme. Reichlich Diskussionen wird es in Zukunft gleichwohl geben.

Freies Parken in der Schlossstraße. Engstelle vor der Wilhelm-Hauff-Realschule.
Freies Parken in der Schlossstraße. Engstelle vor der Wilhelm-Hauff-Realschule. Foto: Dieter Reisner
Freies Parken in der Schlossstraße. Engstelle vor der Wilhelm-Hauff-Realschule.
Foto: Dieter Reisner

PFULLINGEN. Für Bürgermeister Stefan Wörner ist es »eine Art Strategiepapier«, ein Rahmen für das Handeln der Stadt in den kommenden zehn Jahren in Verkehrsfragen. Der Pfullinger Gemeinderat diskutierte am Dienstagabend im Kulturhaus Klosterkirche über das Mobilitätskonzept 2035, das Frank Schäfer, Geschäftsführer der BS-Ingenieure Ludwigsburg, vorstellte. Einer seiner Schlüsse aus den 159 Seiten gesammelten und verarbeiteten Daten, Bürgergesprächen, Stadtspaziergängen, Fachforen und einer Klausurtagung des Rats: Pfullingens Straßen kommen gut mit dem fließenden Verkehr zurecht. »Wir konnten keine Überbelastung der Verkehrswege feststellen. Pfullingen geht es sehr gut im Vergleich mit anderen Gemeinden.« Wozu braucht's dann ein Mobilitätskonzept? Zum einen, um die Klimaziele des Landes zu erreichen, die Mobilitätswende zu schaffen, und zum anderen, um die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Deutlich sei in den vielen Gesprächen geworden, dass der Schwerpunkt in Pfullingen auf dem ruhenden Verkehr und einer Verbesserung der Situation für die Radfahrer liege.

14 Leitprojekte sind im Mobilitätskonzept umrissen, ob alle umgesetzt werden und wann, das ist trotz der deutlichen Zustimmung des Gemeinderats - nur Meike Schmied (CDU) stimmte dagegen - offen. Zum einen, das hatte Bürgermeister Wörner gleich zu Anfang deutlich gemacht, entscheidet über die Umsetzung in jedem Einzelfall erneut der Gemeinderat. Und zum zeitlichen Ablauf erklärte er, es heiße ja Mobilitätskonzept 2035, »wir müssen nicht alles 2025 umsetzen«.

Gründliche Datensammlung

Grundlage für die Leitprojekte war unter anderem eine gründliche Datensammlung samt Verkehrszählungen. Demnach sind zwischen Montag und Freitag täglich 83.47 Fahrzeuge unterwegs. Davon spielen sich 20.880 Fahrten (Binnenverkehr) nur innerhalb Pfullingens ab. Weitere 55.680 starten oder enden in Pfullingen (Quell- und Zielverkehr), mit 6.970 Fahrzeugen ist der Durchgangsverkehr relativ gering. Gering ist auch die Nutzung des ÖPNV. Gerade mal zwei Prozent der Pfullinger nutzen ihn laut der Haushaltsumfrage der Stadt zur Mobilität. Das ist wenig im Vergleich mit anderen Städten und dementsprechend noch Luft nach oben da, so Schäfer. Gleichwohl hat das Ingenieurbüro sich nicht vertieft mit dem ÖPNV auseinandergesetzt. Das hat einen gewichtigen Grund: die Regional-Stadtbahn (RSB). Denn noch ist nicht klar, auf welcher Trasse sie einmal durch Pfullingen fahren wird, mitten durch oder auf der alten Bahntrasse. Beide Varianten haben Auswirkungen auf das ÖPNV-Angebot in der Stadt. Fährt die RSB über die Marktstraße, sei klar, so Schäfer, dass die Buslinien auf dieser Strecke wegfielen.

Fahrradabstellplatz vor dem Pfullinger Rathaus.
Fahrradabstellplatz vor dem Pfullinger Rathaus. Foto: Dieter Reisner
Fahrradabstellplatz vor dem Pfullinger Rathaus.
Foto: Dieter Reisner

Die Spanne der Leitprojekte ist groß. Sie beginnt mit einer neuen Verkehrsführung in der Innenstadt (1). Hier ist unter anderem eine Einbahnregelung in der Klemmenstraße sowie in der Großen und der Kleinen Ziegelstraße gedacht. Auch ist im Gespräch, die Schlossbrücke für den Verkehr zu schließen. Der Lärmaktionsplan und die Umsetzung der sich daraus ergebenden Maßnahmen sind das zweite Leitprojekt. Die Nummer drei ist die Anpassung der Stellplatzsatzungen für Wohnbauten und andere Nutzungen. Konkret geht es darum, wie viele Stellplätze in Zukunft für eine Wohneinheit nachgewiesen werden müssen, ob auch Fahrradstellplätze vorgeschrieben werden und Kfz-Stellplätze mit Ladefunktion. Apropos Ladesäulen, die sollen zukünftig in jedem Wohngebiet für Fahrräder und Kfz angeboten werden (Leitprojekt 4). Sichere Schul- und Fußwege ins Zentrum und zu öffentlichen Einrichtungen, möglichst barrierefrei, ist ein weiteres Ziel (5). Die Forderung nach sicheren Fahrradabstellanlagen, dabei sollte auch an Lasträder und Fahrradanhänger gedacht werden, ist ein Ergebnis der Bürgerbeteiligung und als Leitprojekt 6 festgehalten. Unter der Nummer 7 ist der Trassenentscheid für die Regionalstadtbahn gelistet, unter der Nummer 8 ein verbindliches, förderfähiges Radverkehrskonzept.

Mehr Grün statt Grau

Der ruhende Verkehr spielte bei den Diskussionen und Bürgerbefragungen ebenfalls eine große Rolle. Das Parkraummanagement für die öffentlichen Plätze trägt die Nummer 9. Dabei geht es auch darum, ob zukünftig Geld fürs Abstellen verlangt werden soll. Die Verkehrsberuhigung der Wörthstraße ist schon seit vielen Jahren ein Thema. Unter der Nummer zehn wird die Sperrung des Anschlusses an die Römerstraße zur Diskussion gestellt. »Mehr Grün statt Grau« an den Straßen, dabei geht es darum, den städtischen Raum an den Klimawandel anzupassen (11). Unter dem Titel »Mobility Hubs« firmiert das Projekt (12) an ausgewählten Haltestellen der Regionalstadtbahn und in Wohngebieten, den Bürgern den Umstieg von einem auf das andere Fortbewegungsmittel zu erleichtern, etwa durch Carsharingangebote, Radabstellplätze oder Kiss-and-Ride-Zonen. Der bedarfsgerechte Ausbau der Bushaltestellen (13) steht ebenso auf der Liste wie die Stärkung des Bürgerbusses (14).

Bürgerbus in Pfullingen in der Schulstraße.
Bürgerbus in Pfullingen in der Schulstraße. Foto: Dieter Reisner
Bürgerbus in Pfullingen in der Schulstraße.
Foto: Dieter Reisner

Deutlich wurde in der Sitzung schnell, dass die Regionalstadtbahn das bestimmende kommunalpolitische Thema der kommenden Monate in der Echazstadt sein wird. »Die RSB bringt für unseren Binnenverkehr gar nichts«, ist sich Walter Fromm (SPD) sicher und fragte, warum diese »unsere Straßen verstopfen soll?«. Bürgermeister Wörner machte klar, dass er da anderer Meinung ist, und die Stadtbahn, insbesondere wenn sie durch die Innenstadt geführt wird, als Chance für Pfullingen sieht. Auch bei anderen Rednern spielte die Stadtbahn eine Rolle. Vor allem beim Leitprojekt 14, der Stärkung des Bürgerbusses, gab es mahnende Stimmen aus dem Gremium. Für Britta Wayand (FWV) ist klar, kommt die Regional-Stadtbahn, braucht Pfullingen Quartierbusse, um die Haltestellen anzubinden. »Das kann der Bürgerbus nicht leisten.« Auch Fromm hatte darauf hingewiesen, dass das mit ehrenamtlichen Kräften nicht möglich sei.

Viele sind persönlich betroffen

Wayand machte deutlich, dass ihrer Fraktion die Beleuchtung der Radwege besonders wichtig sei, ebenso die Lückenschlüsse im Radwegenetz. Martin Fink (UWV) sieht das Mobilitätskonzept »als eine gute Grundlage für weitere Überlegungen.« In den 159 Seiten werde auch ein großes Maß an persönlicher Betroffenheit der Bürger deutlich. Die menschliche Komponente, da ist er sich sicher, spiele dann auch bei der Umsetzung eine große Rolle. Denn »Liebgewonnenes wird sich ändern«, sagte Fink: »Aber trotzdem müssen wir ran.«

»Sie haben alle recht aus ihren Perspektiven«, erklärte Wörner am Ende der Diskussion. Aber es komme der Punkt, an dem »wir abwägen müssen«. In Bezug zur Stadtbahn erklärte er auch: »Wir entscheiden nicht darüber, ob die Stadtbahn kommt, sondern welche Trasse die beste ist.« Klar ist am Ende der Sitzung jedenfalls eins: Sowohl über die Leitprojekte als auch die Stadtbahn wird es noch kontroverse Diskussionen geben - im Rat und in der Bürgerschaft. (GEA)