LICHTENSTEIN-HOLZELFINGEN. Noch ist es nicht 14 Uhr, doch vor dem Evangelischen Gemeindehaus in Holzelfingen hat sich schon eine große Traube Kinder gebildet, die sich um die beiden Esel Ellis und Anna scharen und ihnen Streicheleinheiten verabreichen. Ellis und Anna sind die beiden Protagonisten – zumindest für die Jungen –, mit denen der mit ehrenamtlichem Engagement und Herzblut gestaltete Passionsweg nachgegangen werden kann.
Kirchengemeinderätin Carolin Munz-Pehl übernimmt an diesem Nachmittag die Führung der rund 50-köpfigen Schar, die auf dem Passions- und Osterweg »Jesus begegnen wollen«, wie Carolin Munz-Pehl erzählt. 13 Stationen, an denen der Weg vorbeiführt, haben viele ehrenamtliche Hände rund um Pfarrer Sebastian Schmauder und unterstützt von Privatpersonen und Unternehmen aus Holzelfingen und Ohnastetten aufgebaut.
Fußspuren auf dem Asphalt
Start ist am Gemeindehaus. Ein hölzerner Esel symbolisiert den Einzug Jesus nach Jerusalem, nicht hoch zu Ross, sondern auf dem Grautier. Die Menschen jubeln ihm zu: »Sie haben große Hoffnung, dass Jesus ihnen helfen wird, sie legen Palmzweige und ihre Kleider auf den Weg, empfangen ihn wie einen König«, erklärt Carolin Munz-Pehl.
Nur einige hundert Meter weiter macht die Karawane der Passionsgänger Halt. Dort wird thematisiert, wie Jesus von einer Frau mit wertvollem Öl gesalbt wurde: »Sie will damit zeigen, was ihr der Glaube wert ist, und macht damit deutlich: Jesus ist mein König«.
Fußspuren auf dem Asphalt führen weiter durch die Holzelfinger Straßen zum Ortausgang, wo es darum geht, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. »In vornehmen Häusern gab es dafür extra Diener, doch der Sohn Gottes macht die Arbeit eines Dieners und wäscht ihnen die Füße und sagt: Ihr seid meine Diener, deshalb seid euch nicht zu schade, anderen zu dienen«, führt die Kirchengemeinderätin weiter aus. Jede Station ist kreativ gestaltet. Es finden sich Texte und Mitmachaktionen. Sie sollen laut Pfarrer Schmauder helfen, die Passions- und Ostergeschichte begreifbar zu machen. Auch an modernen Hilfsmitteln ist kein Mangel: Mit einem Smartphone und mobilem Internetzugang können über QR-Code Texte oder Lieder abgerufen werden.
Schmauder ist seit 2017 Pfarrer in Holzelfingen. Offiziell gehört seit diesem Datum auch die Ohnastetter Kirchengemeinde dazu, obwohl schon seit fast hundert Jahren beide Orte sich einen Pfarrer teilen, wie er erzählt. Die Idee, einen solchen Passionsweg zu gestalten, kam während der Corona-Zeit auf.
»Die Grafenberger waren ein wenig die Vorbilder, 2021 haben wir einen ersten Versuch unternommen, dann in den Jahren 2022 und 2023 die Stationen ausgebaut. Ziel ist es, den Passionsweg alle zwei Jahre anzubieten, da sich doch ein enormer Aufwand dahinter verbirgt«, erklärt Schmauder. Mittlerweile geht es in Holzelfingen bergan zum »Garten Gethsemane«. Drei Schlafsäcke sollen die Stelle zeigen, wo Jesus voller Angst mit dreien seiner Jünger übernachtet hat: Seiner Bitte, mit ihm zu beten, da er voller Angst ist, können die Jünger nicht folgen, sie schlafen ein und Jesus wird verhaftet.
Donner aus der Soundbox
Im Haus des Hohepriesters wird Jesus verhört, erzählt Carolin Munz-Pehl den Kindern, die mit offenem Mund und staunenden Augen zuhören. Sie erfahren, wie Petrus seinen Herrn dreimal verraten hat, noch ehe der Hahn krähte. Und sie zeigt auf den Holzelfinger Kirchturm, auf dem ein goldener Hahn sitzt: »Er soll uns immer daran erinnern.«
Zur nächsten Station: Als Pilatus Jesus verurteilt hat, wäscht der seine Hände wortwörtlich in Unschuld. Eine Schüssel mit Wasser ist das sichtbare Zeichen. Als Jesus gekreuzigt wird, zwischen zwei Verbrechern, verdunkelt sich mitten am Tag der Himmel und Donnergrollen ist zu hören. Eine mobile Soundbox, die Pfarrer Schmauder mit sich führt, macht das Geschehen akustisch wahrnehmbar.
Hoch über Holzelfingen ist das Felsengrab Jesus angesiedelt, das mit einem schweren Stein geschützt wird. Symbolisch legen die Kinder kleine Steine vor den Grabeingang.
Hinunter führt der Weg zum riesigen hölzernen Herz, »das uns dankenswerter Weise eine Holzelfinger Zimmerei gefertigt hat«, freut sich die Kirchengemeinderätin. »Jesus leidet, stirbt und lebt aus Liebe zu mir«, soll es bedeuten.
Direkt unterhalb steht ein kleines Holzkreuz, das als Selfie-Halterung genutzt werden kann und von dem reichlich Gebrauch gemacht wird.
Oder anders gesehen: Es zeigt, dass eine 2.000 Jahre alte Geschichte noch heute so erzählt werden kann, dass sie nachvollziehbar und erlebbar ist. »Du kannst auch heute mit Jesus leben«, sagt Carolin Munz-Pehl.
»Es ist wichtig, dass der Passionsweg abwechslungsreich ist, vor allem für die Kinder«, betont Pfarrer Schmauder. Deshalb können sie sich an jeder der 13 Stationen einen Stempel abholen. Eine extra lange Murmelbahn sorgt ebenfalls für Abwechslung. Schließlich ist der Weg rund zwei Kilometer lang. Mit Führung dauert der Rundgang etwa eineinhalb Stunden.
Weiter führt der Weg bergab zu den Stationen, wo Jesus von Gott auferweckt wird, sich danach beim Brotbrechen zu erkennen gibt und 40 Tage danach in den Himmel zurückkehrt.
Nach dem langen und ereignisreichen Weg, ist eine Stärkung genau richtig, und so kann am Gemeindehaus eingekehrt werden: Die Palette ist breit, vom schwäbischen Burger über Kaffee und Kuchen ist alles zu haben, so dass niemand Hunger und Durst leiden muss. An ausgewählten Tagen wird zudem ein Mittagstisch angeboten. (GEA)
GEMEINSAM GEHEN
Wer den Weg mit anderen gehen möchte, kann sich einer der täglichen Führungen anschließen – ohne Anmeldung und in Begleitung von echten Eseln. Die Führungen starten jeweils um 14 und um 17 Uhr an Station 0 (Gemeindehaus Holzelfingen). Am Donnerstag, 24. April, findet zudem eine stimmungsvolle Abendführung mit Fackeln um 20 Uhr statt. Für alle Führungen gilt wie für den ganzen Passions- und Osterweg: Die Teilnahme ist kostenlos, Spenden sind willkommen. (ber)