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Aktuell Prozess

Männer aus Pfullingen und Reutlingen wegen Widerstands gegen Polizisten verurteilt

Zwei Männer standen am Donnerstag wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte vor dem Amtsgericht Reutlingen.
Zwei Männer standen am Donnerstag wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte vor dem Amtsgericht Reutlingen. Foto: Norbert Leister
Zwei Männer standen am Donnerstag wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte vor dem Amtsgericht Reutlingen.
Foto: Norbert Leister

PFULLINGEN/REUTLINGEN. Was in dieser Nacht vom 20. auf den 21. Dezember 2023 tatsächlich geschah, das interessierte Richter Philipp Ries am Donnerstag nicht wirklich. Dabei hätte es doch vielleicht schon von Belang sein können, wie ein 29-jähriger Pfullinger tatsächlich zu einer heftig blutenden Platzwunde am Hinterkopf kam. Bei der Verhandlung im Reutlinger Amtsgericht war aber entscheidend, was danach passierte.

Um 8.21 Uhr in den Morgenstunden rief nämlich eine Nachbarin den Rettungsdienst und auch die Polizei nach Pfullingen. Der Verletzte hatte kurz zuvor blutüberströmt bei der 70-Jährigen geklingelt, sie um Hilfe gebeten. An die ganze Nacht habe der Polier – nachdem er bei der Arbeit in eine Grube gestürzt sei – keinerlei Erinnerungen mehr, wie sein Anwalt Matthias Rath im Amtsgericht ausführte.

Ganze Nacht lang getrunken

Bei der polizeilichen Vernehmung kurz nach dieser Nacht hatte der Angeklagte gesagt, dass er nach dem Duschen ausgerutscht sei und sich den Kopf angeschlagen habe. Ob das stimmte? Das wurde in der Verhandlung nicht weiter verfolgt. Vorher hatte er auf jeden Fall mit seinem 32-jährigen Kumpel die Nacht durchgesoffen. Eine Flasche Wodka, Bier, Wein – so genau wusste der in Reutlingen wohnende Freund das nicht mehr.

Aber: Trotz mehr als zwei Promille Alkohol im Blut könne er sich noch sehr gut an den Teil mit der Polizei erinnern. Die kam nämlich nach dem Anruf mit vier Mann – und sah sich mit einem richtigen »Scheißeinsatz« konfrontiert, wie einer der Polizeibeamten anmerkte. Obwohl sie alle zusammen mit den Rettungskräften nur helfen wollten, kippte die ganze Angelegenheit in dem Moment, als die Beamten entschieden, dass der schwer Verletzte mit in die Klinik müsse. »Immerhin war nicht klar, ob er sich in Lebensgefahr befand«, sagte einer der Polizisten. Doch der Blutüberströmte weigerte sich, er schlug eine helfende Hand eines Beamten mehrfach von sich weg.

Messer und Beil im Waschbecken

Einer der Polizeibeamten hatte in der Zwischenzeit im Bad – das ebenso blutbeschmiert war wie das Wohnzimmer – ein Messer und ein Beil im Waschbecken gefunden. Ab dem Zeitpunkt hätten nach Darstellung von Rechtsanwältin Michaela Spandau die Polizisten eine andere Haltung angenommen. »Ja, das stimmt, wenn ein Messer bei einer Bluttat im Spiel ist, werden wir noch vorsichtiger«, sagte einer der Beamten.

Zwei von ihnen versuchten anschließend den Verletzten mit Handfesseln zu fixieren, was ihnen aber – aufgrund der Gegenwehr nur schwer gelang. Der Pfullinger wehrte sich und habe seinen Kumpel zudem aufgefordert, ihm zu helfen. Dieser versuchte das dann auch: Der 100-Kilo-Kampfsportler habe Kampfhaltung angenommen, die Fäuste vors Gesicht gehalten und sei immer wieder auf die Polizisten zugegangen. »Komm schon, komm schon«, habe er gerufen. Die Beamten hätten ihn immer wieder zurückgestoßen, ihn dann zu Boden gebracht und fixiert.

Fäuste vor dem Gesicht

Nach der Darstellung des massigen Mannes vor Gericht sei das alles ganz anders gewesen. Er habe in Ungarn vier Jahre lang als Türsteher und im Softwarevertrieb gearbeitet. Von »bösen Buben« habe er eine schwere Schulterverletzung erhalten. In Pfullingen »wollte ich mich nur schützen«, sagte er. Deshalb die Fäuste vor dem Gesicht. »Ich war nicht aggressiv, ich wollte niemanden verletzen«, so der 32-Jährige. Die Hand- und Fußfesseln, mit denen der massige Mann am Donnerstag von vier Justizbeamten in den Gerichtssaal geführt wurde, sprachen aber eine andere Sprache. Er war aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden – allerdings wegen einer weiteren Sache, die mit diesem Widerstand gegen Vollzugsbeamte nichts zu tun hat.

Erstaunlich war die Mitteilung von Richter Ries, dass der Mann keinerlei Vorstrafen habe. Sein Kumpel hingegen sehr wohl. Und das auch noch einschlägig und unter Bewährung: Knapp ein Jahr zuvor hatte er schon einmal Widerstand gegen einen Polizisten geleistet, der Pfullinger wollte ihm einen Faustschlag versetzen.

Auch da hatte er den Beamten beleidigt, am Morgen des 21. Dezember 2023 bezeichnete der Verletzte einen Polizisten als »Fischkopf und Dreckspisser«. Der Richter verurteilte den 32-Jährigen zu sieben Monaten Haftstrafe – ohne Bewährung. Offensichtlich habe der Mann aus seinen vier Vorstrafen nichts gelernt, so Ries. Sein Kumpel kam hingegen mit einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro davon. Aber: Er sitzt ja gerade noch in Untersuchungshaft und ihn erwartet noch ein anderes Urteil. (GEA)

Im Gerichtssaal

Richter Philipp Ries, Staatsanwältin Samira Felger, Rechtsanwältin Michaela Spandau und Rechtsanwalt Matthias Rath.