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Lichtensteins Bürgermeister liebt die Ästhetik des Schachs

Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum kämpfte bei der Deutschen Schnellschachmeisterschaft und absolvierte neun Spiele in zwei Tagen. Das Turnier begann für ihn mit einer Überraschung.

Höchste Konzentration: Peter Nußbaum an dem Brett, das für ihn die Welt bedeutet.
Höchste Konzentration: Peter Nußbaum an dem Brett, das für ihn die Welt bedeutet. Foto: pr
Höchste Konzentration: Peter Nußbaum an dem Brett, das für ihn die Welt bedeutet.
Foto: pr

LICHTENSTEIN/DINKELSBÜHL. Nach vielen Jahren hat sich Peter Nußbaum wieder bei einem Schachturnier angemeldet. Vor Ort passiert Folgendes: Als der Lichtensteiner Bürgermeister seinen Platz für sein erstes Spiel bei der Deutschen Schnellschachmeisterschaft in Dinkelsbühl nicht findet, schickt man ihn in eine »spezielle« Zone. Nicht weil er als Rathauschef eine Sonderbehandlung bekommt, sondern weil hier die Spiele live ins Internet übertragen werden.

Er hat die Nummer eins der Gruppe zugelost bekommen. »Ok, das fängt ja gut an«, denkt er sich, setzt sich, bekommt mit Weiß den ersten Zug und jubelt am Ende. Schach matt – im Schnellschach etwas Besonderes und gegen die Nummer eins der Gruppe sowieso. Trotz des erspielten Selbstbewusstseins geht es aber so nicht weiter. Der Schultes darf sich am Ende dieser beiden Tage nicht Deutscher Meister im Schnellschach nennen. Aber darum geht es ihm auch nicht.

Im Sport zählen auch andere Dinge als nur der Sieg. Der Bürgermeister hat sich eine Auszeit genommen und seinem Hobby den Vortritt vor Amtsgeschäften mit allen Verpflichtungen gegeben. Die Deutsche Schnellschachmeisterschaft der Amateure kam dafür gerade recht. Dinkelsbühl ist nicht aus der Welt, dort kennt er sich aus, seine Frau kommt aus der Gegend. Seine Motivation war es, »einfach mal wieder ein Turnier spielen, eine Standortbestimmung für meine eigene Stärke. Wo steh' ich denn momentan?« Das erzählt er voller Begeisterung.

Schließlich gehört das Spiel der Könige schon längst nicht mehr zu seinem Alltag, denn als Oberhaupt einer Gemeinde bleibt nicht so viel Zeit für solche Spielchen. Gleichwohl praktiziert Nußbaum seit seinem 17. Lebensjahr diesen Sport, der für viele ja gar kein Sport ist. Angeregt durch einen französischen Brieffreund, der bei ihm zu Besuch war, fand der damals Heranwachsende Freude und Genuss am Schach: »Wir haben gespielt und ich hab immer verloren.«

»Ich wusste, ich musste was tun.«

Anstatt aber aufzugeben, packte ihn der Ehrgeiz. "Das hat mich einfach interessiert. Brettspiele hab ich schon immer gern gemocht." Der Samen war gelegt, nun musste er nur noch gegossen und gepflegt werden, damit er schön keimt und wächst: »Ich wusste, ich musste was tun.« Während Ausbildung und Studium hat er sich dann intensiver damit beschäftigt, spielte im Verein in Göppingen, später als Stammspieler der dortigen ersten Mannschaft in der Landesliga. Sein erstes Turnier war die Deutsche Amateurmeisterschaft in Köln. "Ich hatte keine Chance."

Aber er hat dort über einen Bekannten Markus Balduan kennengelernt. Den Fide-Meister, der laut Deutschem Schachbund eine »Person der Schachzeitgeschichte« ist, löcherte der junge, ehrgeizige Nußbaum mit Fragen. Eines interessierte ihn dabei ganz besonders: »Wie werde ich schnell besser?« Die Antwort lautete: »Taktik trainieren.« Und der junge Nußbaum machte sich auf den Weg. Das Resultat: Er qualifizierte sich für die Amateur-DM in Leipzig und kam bis ins Finale.

»Mit dem Ausgang hatte ich aber nichts zu tun.« Doch nach der Partie hat er den Großmeistern Robert Hübner und Victor Kortschnoi beim Analysieren zugeschaut. »Das war höchst interessant.« Die Art und Weise hat ihn fasziniert und war Antrieb, den Sport weiter intensiv zu betreiben. Was sehr fordernd sein kann. Das erkannte der Bürgermeister jüngst wieder beim Turnier. Denn auch Schach geht an die Substanz.

Beim zweitägigen Wettkampf in Dinkelsbühl absolviert Nußbaum neun Spiele, fünf davon am ersten Tag. Dafür braucht es Kondition. »Es erfordert die Fähigkeit, sich punktgenau zu konzentrieren.« Das Hirn im Dauereinsatz. Das kostet Energie. »Das merkt man spätestens nach der vierten Runde«, erzählt der Bürgermeister. Er stärkt sich mit Energieriegeln und trinkt viel: Saftschorle ist sein Getränk der Wahl.

»Man soll sein Gehirn ja auf Trab halten.«

Seine Bilanz nach neun Spielen lautet: dreimal gewonnen, dreimal Unentschieden, dreimal verloren. Am Ende landet er auf Rang 24 in seiner Gruppe von über 50 Spielern. Das heißt, vier Plätze besser als nach der Rangliste zu Beginn. In seinem letzten Spiel gegen den am Ende Drittplatzierten hatte er keine Chance mehr. Aber ihm ging es nicht so sehr um eine Platzierung ganz vorne. Sondern darum, wieder reinzuschnuppern in diese Welt der Wettkämpfe.

Bleibt doch die Frage, was ihn denn an diesem recht stillen und bewegungsarmen Sport so begeistert? "Was mich immer fasziniert hat, ist die Ästhetik, die hinter dem Spiel steckt. Das hat mich immer in den Bann gezogen." Aber das Spiel sei auch ein gutes Training für den Alltag. Das logische Denken sowie die Fähigkeit, vorauszudenken, werden geschult. »Man soll sein Gehirn ja auf Trab halten.« Der Schultes schwärmt förmlich von seinem Sport, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann er sich bei einem großen Wettkampf wieder ans Brett setzen und sich mit Gleichgesinnten messen wird. "Wenn's halt passt", lautet dazu seine diplomatisch zurückhaltende Antwort, doch man merkt ihm schon die zurückgewonnene Begeisterung an. Das Feuer brennt wieder.

»Das hat nicht nur am Brett Spaß gemacht.«

Schließlich gibt es hier wie auch in anderen Sportarten diesen einen Faktor, der mindestens genauso viel zählt wie die sportliche Leistung an sich. »Das hat ja nicht nur am Brett Spaß gemacht. Es ist ja auch das drumherum. Man trifft andere Gleichgesinnte und kann sich austauschen. Ich hab Menschen getroffen, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Das war ein Ausflug, bei dem man über den Tellerrand hinausschaut.« Es ist beschlossen: Der Bürgermeister nimmt bald wieder an einem Wettkampf teil, nicht nur in der Liga, wo er für die SF Lichtenstein an Brett eins spielt. »Wenn‘s halt passt«.