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Lichtensteiner Schüler erfahren, dass sie was können

An der Lichtensteiner Grundschule geht's nicht nur im Werkraum auch um Bildungsgerechtigkeit.

Mädchen und Jungs werkeln gemeinsam an der Lichtensteiner Grundschule. Das und weitere Angebote macht ein Programm für mehr Bild
Mädchen und Jungs werkeln gemeinsam an der Lichtensteiner Grundschule. Das und weitere Angebote macht ein Programm für mehr Bildungsgerechtigkeit möglich. Schulleiterin Angelika Brenner freut sich über die Unterstützung. Foto: Uwe Sautter
Mädchen und Jungs werkeln gemeinsam an der Lichtensteiner Grundschule. Das und weitere Angebote macht ein Programm für mehr Bildungsgerechtigkeit möglich. Schulleiterin Angelika Brenner freut sich über die Unterstützung.
Foto: Uwe Sautter

LICHTENSTEIN. »Eigentlich schaffen wir einen Erlebnisraum, wie man ihn früher hatte«, sagt die Rektorin der Lichtensteiner Grundschule, Angelika Brenner. »Das macht Spaß«, sagen die Mädchen und Jungs, die im Werkraum der Schule zu Hammer und Säge greifen. So praktisch und lebensnah es dort zugeht, so sperrig ist der Name des Programms, das dies möglich macht: »Maßnahmen für Kinder und Jugendliche zur Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg«. Das setzt die Schule in Kooperation mit der Pfullinger VHS um. Denn einen Kooperationspartner braucht's.

»Wir müssen unser Bildungssystem gerechter machen, indem wir Nachteile durch die Herkunft möglichst gut ausgleichen. Jedes Kind braucht die faire Chance, Leistung zu erbringen und etwas aus seinem Leben zu machen. Daran müssen wir in der Grundschule arbeiten, denn dort werden die Grundlagen für den späteren Erfolg in Schule und Beruf gelegt«, so hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2022 begründet, warum das Land Geld in die Hand nimmt. Hintergrund war: Bei dem Leistungstest für die vierte Klasse haben insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder mit einem Zuwanderungshintergrund schlechter abgeschnitten. Anders gesagt, diese Kinder haben weniger Chancen, ein gleich großes Stück Bildung zu ergattern als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler aus besser gestellten Familien oder ohne Migrationshintergrund. Das Programm soll helfen, die Chancen auf eine gute Bildung anzugleichen.

Ohne Notendruck

Und dabei setzt die Landesregierung nicht nur auf die Lehrer. Die Bildungsgerechtigkeit soll zudem dadurch verbessert werden, dass weitere Berufe in das schulische Leben und Lernen einbezogen werden. Um das umzusetzen, arbeitet die Lichtensteiner Grundschule mit der VHS Pfullingen zusammen. Von Anfang an stand für Angelika Brenner die Frage im Mittelpunkt: »Was brauchen die Kinder abseits von Mathe und Deutsch?« Die Schulleiterin hat die Antwort parat: »Ein gutes Standing.« Und für Brenner war auch schnell klar, dass ein gesundes Selbstbewusstsein allen Schülern und Schülerinnen zugutekommt. Deshalb hat sie die Klassen zwei bis vier komplett in das Programm einbezogen und nicht nur einzelnen Schüler die Chance gegeben, abseits von Fächern und Noten Erfahrungen zu sammeln und Sozialkompetenz zu entwickeln. »Das tut allen gut«, sagt Brenner.

Und in den Projekten, die die Schule an sechs, sieben Nachmittagen à zwei Stunden anbietet, geht's auch um das gemeinsame Tun. Ob gehäkelt, mit Holz gebastelt, ein Stop-Motion-Film gedreht oder eine Kugelbahn gebaut wird, spielt dabei nicht die entscheidende Rolle. Sondern, dass die Kinder den Freiraum haben, sich selbst Lösungen zu erarbeiten, es geht um Erfolgserlebnisse. »Ein Kind, das Zuversicht hat, kann sich auch Bereichen stellen, wo es nicht so gut ist«, sagt die Schulleiterin. Das mache die Kinder gemeinsam stark und führe letztlich auch dazu, dass diese gerne in die Schule kommen. Diese auch als einen Ort wahrnehmen, an dem sie gerne lernen, und auch erfahren, wofür sie lernen.

Chance auf Fortsetzung

Sieben Lehrkräfte, die Schulsozialarbeit und drei externe Helfer stellen das Angebot für die klassenübergreifenden Gruppen, die deutlich kleiner sind als die Klassen, auf die Beine. Genug Platz gibt es in der Schule ja, damit sich die Gruppen ausbreiten können. Wenngleich Brenner gerne das Angebot auf außerschulische Bereiche ausweiten würde, aber dabei an logistischen Problemen scheitert. »Bringen Sie mal 20 Kinder von A nach B und wieder zurück«, sagt sie. Sie ist aber froh, dass das Programm, das letztlich nach etwas Anlaufschwierigkeiten im vergangenen November gestartet ist, wohl auch im kommenden Schuljahr möglich sein wird. »Es sieht so aus, als ob es weiter Geld gibt«, sagt sie.

Das freut nicht nur die Schulleiterin und die Kinder, sondern auch die Eltern. »Von denen gibt es viele positive Rückmeldungen«, sagt Brenner, bevor sie kurze Zeit später im Werkraum der Schule die kleine Säge in die Hand nimmt und einer ihrer Schülerinnen zeigt, wie sie das Werkzeug geschickter einsetzen kann. »Es geht ums Lernen mit Herz und Hand«, hatte sie zuvor gesagt. Darum, Erlebnisse zu ermöglichen, die für viele Generationen einmal selbstverständlich waren, und die Erfahrung zu machen: »Ich kann was.« (GEA)