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Aktuell Wettbewerb »Jugend testet«

»Jugend testet«: Blockbuster vergeblich gesucht

PFULLINGEN/ENINGEN. Das Internet bietet nicht nur eine Fülle an Informationen, sondern auch vielfältigste Angebote für die Unterhaltung. Für viele Menschen – und insbesondere für die Jüngeren – ist es daher ganz natürlich, sich, wann immer sie Zeit und Lust haben, einen Film oder eine Serie anzuschauen. Moritz Böbel aus Pfullingen und Nick Slotnarin aus Eningen gehören zu dieser Generation, die keinen Fernseher oder DVD-Rekorder mehr braucht, um sich in die neuesten Folgen von »Game of Thrones« oder einen spannenden Fantasyfilm zu vertiefen.

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Nick Slotnarin (links) und Moritz Böbel machen beim Wettbewerb »Jugend testet« der Stiftung Warentest mit und haben dafür das Angebot der vier größten Video-on-Demand-Dienste untersucht. Foto: Petra Schöbel
Nick Slotnarin (links) und Moritz Böbel machen beim Wettbewerb »Jugend testet« der Stiftung Warentest mit und haben dafür das Angebot der vier größten Video-on-Demand-Dienste untersucht.
Foto: Petra Schöbel
Weil sie wissen wollten, welcher Anbieter solcher Streaming-Dienste ihnen die beste Auswahl zur Verfügung stellt, haben die beiden 16-jährigen Schüler des Reutlinger Friedrich-List-Gymnasiums im Rahmen des – von der Stiftung Warentest organisierten Wettbewerbs »Jugend testet« – einen eigenen Test entwickelt.

Bereits seit 1979 ruft die Stiftung Warentest junge Menschen dazu auf, Produkte oder Dienstleistungen, die ihnen wichtig sind, genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit sollen Jugendliche angeregt werden, sich konsumkritisch mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Bevor sie mit ihren Tests beginnen, müssen sie Prüfkriterien aufstellen und die einzelnen Kriterien auch untereinander gewichten, ganz ähnlich, wie es auch bei den Tests der Stiftung Warentest passiert.

24 Millionen Nutzer

Genau das haben Moritz Böbel und Nick Slotnarin für ihren Test »Video-on-Demand-Angebote im Vergleich« getan. Sie haben sich zunächst eine zentrale Fragestellung erarbeitet: Ergänzen die Streaming-Dienste das Fernsehen oder ersetzen sie es? Wird die traditionelle TV-Unterhaltung aussterben, wie es Reed Hastings, der Geschäftsführer des US-Unternehmens Netflix, vorausgesagt hat? Immerhin nutzen inzwischen in Deutschland rund 24 Millionen Menschen die verschiedenen Streaming-Angebote.

Sechs Kriterien haben sie ihrer Untersuchung zugrunde gelegt: Die Kosten des Video-on-Demand-Angebots (VoD), deren Anteil am Gesamtergebnis sie mit 20 Prozent bewerten; das inhaltliche Angebot (25 Prozent), die Verfügbarkeit für unterschiedliche Geräte und Systeme (15 Prozent), die Videoqualität (15 Prozent), die Bedienbarkeit (10 Prozent) und die Verfügbarkeit von Sprachen und Untertiteln (10 Prozent). Weil die Bedienbarkeit ein eher subjektiver Faktor ist, haben sie Mitschüler und Lehrer interviewt, um ein breites Spektrum an Meinungen zu erfassen. Maximal vergaben sie zehn Punkte je Kriterium.

Bei den Kosten wählten sie den günstigsten Anbieter als Basis der Bewertung aus. Punktabzüge gab es für verpflichtende Abonnements, die eine besonders lange Laufzeit haben, oder für das Fehlen einer Probezeit. Bei den Inhalten haben sie auf die populärsten Produkte der Medienindustrie als Referenzobjekte gesetzt und geschaut, ob Blockbuster wie zum Beispiel »Avatar«, »Titanic«, »Jurassic World«, »Krieg der Sterne«, »Marvels The Avengers« oder »Der König der Löwen« angeboten werden.

Enttäuschendes Filmangebot

Bei den Serien legten sie eine Auswahl zugrunde, die von einem Statistik-Unternehmen anhand einer repräsentativen Umfrage als die beliebtesten ermittelt worden waren. Dazu gehören unter anderem »The Big Bang Theory«, »Two and a Half Men«, »Game of Thrones« »The Walking Dead«, »The Simpsons«, aber auch der »Tatort«. Für die Verfügbarkeit im Offline-Modus gab es einen Extrapunkt.

Beim Stichwort Videoqualität stützten sie sich weitgehend auf die Angaben der Anbieter, da natürlich die verfügbare Bandbreite eines Internetanschlusses dieses Kriterium beeinflusst. Dafür gab es feste Punktzahlen, je nachdem, ob der Streaming-Dienst in DVD-Qualität geliefert wird (drei Punkte), in HD-Qualität (fünf Punkte) oder in Ultra-HD (acht Punkte). Für die Bedienbarkeit waren ihnen wichtig die Gestaltung der Nutzer-Oberfläche, die Funktionalität der Suchfunktion, die Verfügbarkeit von Bewertungen und Kommentaren, die Memory-Funktion – die es erlaubt, einen Film zu unterbrechen und an einem späteren Zeitpunkt weiter zu schauen – sowie der Anmelde- und Kündigungsprozess. Bei Sprachen und Untertiteln beinhaltete die Mindestanforderung die Originalsprache und eine Untertitelspur.

»Untersucht haben wir dann die vier größten Anbieter von Video-on-Demand in Deutschland«, berichtet Moritz Böbel, das sind Amazon Prime Instant Video (32 Prozent Marktanteil), Netflix (17 Prozent), Sky Ticket (12 Prozent) und Maxdome (11 Prozent). Ein Ergebnis nimmt er gleich vorweg: »Das Filmangebot war bei allen ziemlich enttäuschend.« Und Nick ergänzt: »Das hat uns echt erstaunt.«

Breite Kostenspanne

Bei den Kosten reicht die Spanne von 5,75 Euro im Monat (Amazon Prime Instant Video) bis 24,99 Euro (Sky Ticket). Auch beim verfügbaren Material schnitt Amazon Prime mit vier von zehn möglichen Punkten am besten ab, obwohl dort nur einer ihrer zehn Referenzfilme angeboten wurde. Bei Sky gab es immerhin zwei, bei den anderen gar keinen. Bei den Serien hatten Amazon Prime und Maxdome jeweils fünf der gewünschten parat. Punkten konnten Netflix und Amazon Prime mit guten Eigenproduktionen.

Anschauen lassen sich die Streaming-Dienste auf fast allen gängigen Android OS-, IOS- und Smart TV-Systemen sowie auf der Sony Playstation. Maxdome fährt hier die volle Punktzahl ein, Sky erreicht mit acht Punkten den niedrigsten Wert. Bei der Videoqualität liegt ganz klar Amazon Prime mit zehn Punkten vorn, Netflix kommt lediglich auf fünf Punkte. Bei der Bedienbarkeit haben Amazon Prime und Netflix mit je zehn Punkten die Nase vorn. Bei Sprachen und Untertiteln bietet Netflix das beste Angebot, hier schneiden Sky und Maxdome schlechter ab, weil sie keine Untertitel zur Verfügung stellen.

Jury bewertet Jugend-Tests

Testsieger ist nach den Kriterien von Moritz Böbel und Nick Slotnarin mit einem Durchschnittswert von 8,2 Punkten Amazon Prime Instant Video. »Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar und – außer dem schwachen Angebot an Blockbustern – leistet sich der Internet-Riese kein Schwächen«, schreiben sie in ihrer Bewertung. Auf Platz zwei rangiert mit 6,7 Punkten Netflix, der Anbieter, der als Erster eigene »Programmhighlights« eingeführt hat, wie sie hervorheben.

Den aus ihrer Sicht »unglücklichen« dritten Rang nimmt Maxdome (6,6 Punkte) ein, bei dem sich eben das Fehlen von Eigenproduktionen negativ auswirkt. Das teuerste Angebot ist nach der Auswertung der beiden Schüler auch das Schlechteste: Sky Ticket kommt nur auf fünf Punkte als Durchschnittswert. »Zu hoch die Kosten, zu kompliziert die Bedienung und zu unflexibel die angebotenen Sprachen«, heißt es in ihrer Bewertung.

Interessanterweise ziehen die beiden aus ihrem Ergebnis ein unterschiedliches Fazit. Böbel ist sich sicher, dass es das Fernsehen im gewohnten Sinne in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird, weil Jugendliche und junge Erwachsene heute schon zum überwiegenden Teil das Streaming-Angebot nutzen. Slotnarin ist dagegen der Ansicht, dass das Video-on-Demand-Angebot künftig eher eine Ergänzung sein wird. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Onlineportal das klassische Tatort-Sonntagabendfeeling ersetzen kann«, betont der junge Eninger.

Den kompletten Test haben die beiden Schüler auf zehn Seiten zusammengefasst und inzwischen bei »Jugend testet« eingereicht. Im März wird sich eine Jury mit allen abgegebenen Tests befassen und sie nach Kriterien wie Originalität des Themas, Vorgehensweise und Darstellung bewerten. Sechs Sieger werden gekürt und kommen in den Genuss einer Reise nach Berlin. Dort werden dann die drei besten Teams einen Geldpreis erhalten. »Im vergangenen Jahr sind mehr als 600 Tests von insgesamt rund 2 100 Jugendlichen eingereicht worden«, weiß Moritz Böbel. Die Konkurrenz wird auch dieses Mal wieder groß sein. (GEA)