ENINGEN. Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall Reutlingen-Tübingen feierten gemeinsam ihre Jubiläen für langjährige Treue von 25 bis 75 Jahren mit Ehrungen, Büfettkulinarik und Tanz. Die HAP-Grieshaber-Halle in Eningen war gut gefüllt, bot doch dieses Zusammentreffen reichlich Gelegenheit für Gespräche und Geselligkeit. Über 100 Ehrungen standen an, darunter die von Gerhard Klein, der vor 75 Jahren in die IG Metall eintrat. »Mit meiner Mutter machte ich mich 1950 auf Lehrstellensuche in Reutlingen und wir klapperten alle möglichen Betriebe ab«, erinnert er sich. In der Bruderhaus Diakonie wurden sie fündig und er begann dort als 15-Jähriger seine Ausbildung als Modellbauer. »Ich wollte einfach schaffen.«
Durch den damaligen Betriebsrat kam er zur Gewerkschaft und diesen Schritt habe er in seinem langen Arbeitsleben nie bereut. »Das war immer eine Stütze, sie half bei einer außerplanmäßigen Lohnerhöhung und auch sonst war immer Verlass auf sie.« Die Mitglieder seien das Rückgrat der Bewegung, sie seien Vorbilder, hielt die erste bevollmächtigte Geschäftsführerin Claudia Hülsken bei ihrer Festansprache fest. »Eure Geschichten, euer Einsatz, eure Haltung – das ist das Fundament, auf dem wir weiterbauen. Wir kämpfen für eine gerechte Transformation, für sichere Arbeitsplätze, für Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt.« Gewerkschaftsarbeit sei kein Sprint, sondern ein Marathon. »Es gilt immer daran zu erinnern: Hinter jedem Erfolg der IG Metall stehen Kolleginnen und Kollegen, die sich einsetzen, die mutig sind, die eine Überzeugung haben und an die gemeinsame Durchsetzungskraft glauben.«
»Die Lage ist ernst, die Herausforderungen gewaltig«
Nicht immer ein einfaches Unterfangen, nehmen die Konflikte in den Betrieben zu und werden heftiger. Viele Maschinenbauer bekommen keine Aufträge mehr, vier Insolvenzen gebe es hier zu beklagen, andere Unternehmen bauen Stellen ab, resümierte Hülsken. »Die Lage ist ernst, die Herausforderungen gewaltig.« Schwierig auch die Zeiten vor 75 Jahren, in denen Klein in die Berufswelt einstieg. Gerade mal 1949 gegründet und ein Jahr alt, protestierte die IG Metall gegen die Demontagen, aber oft machtlos gegen die Anordnungen der Besatzungsmächte.
Übrigens, 1950 erlangte Reutlingen Ruhm und Ansehen mit der ersten Internationalen Automobilausstellung, als Zentrum der Textilindustrie und als Bosch-Standort, wie Hülsken informierte. Zusammen mit dem zweiten bevollmächtigtem Geschäftsführer Kai Lamparter rollte sie die Deutsche und Reutlinger Wirtschaftsgeschichte zu den Jubiläumsjahren entsprechend auf. In der Phase des Wiederaufbaus und der Modernisierung vor 70 Jahren, des Wirtschaftsbooms mit viel Arbeit und zu wenig Menschen, schrieben sich sechs Mitglieder bei der IG Metall ein. Darunter Heinz Armbruster, der beim Reutlinger Traditionsbetrieb Stoll arbeitete und entsetzt war, dass der Betrieb zum 31. Oktober an seinem 90. Geburtstag sein Werkstor schloss.
»Zusammen haben wir viel erreicht«
Lamparter befragte einzelne Jubilare nach ihren Erinnerungen an die Zeit ihrer Mitgliedschaft bei der IG Metall oder wie sie auf diese aufmerksam wurden. Wie Yvonne Notz-Kurz und Jürgen Gamisch, die 1985 beitraten und sich aktiv engagierten, unter anderem im Betriebsrat. Zu ihrer Eintrittszeit standen Strukturwandel, Rationalisierung, Arbeitszeitgestaltung und neue Arbeitsbedingungen im Vordergrund. "Bei Bosch hatten wir viele Azubis, die musste man aber erst mal finden", wusste Gamisch. »Zusammen haben wir viel erreicht«, brachte es Hülsken auf den Punkt. Sie alle hätten die ganzen Jahrzehnte ihren Anteil daran gehabt, dass die Gewerkschaften, dass die IG Metall eine starke und erfolgreiche Interessenvertretung für die Beschäftigten war. "Und ihr werdet das euch Mögliche dafür tun, dass das auch künftig so ist." (GEA)

