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Aktuell Auszeichnung

Goldene Meisterbriefe in Pfullingen verliehen - zum zweiten Mal nach Corona

Vor 50 Jahren haben 194 Meister im Landkreis Reutlingen ihre Prüfung abgelegt. Dafür wurden sie nun geehrt.

Damenschneidermeisterin Rose Schanz erhielt ihre Urkunde von Kreishandwerksmeister Steffen Mohl (links) und Alexander Wälde, Prä
Damenschneidermeisterin Rose Schanz erhielt ihre Urkunde von Kreishandwerksmeister Steffen Mohl (links) und Alexander Wälde, neuer Präsident der Handwerkskammer. Foto: Gabriele Leippert
Damenschneidermeisterin Rose Schanz erhielt ihre Urkunde von Kreishandwerksmeister Steffen Mohl (links) und Alexander Wälde, neuer Präsident der Handwerkskammer.
Foto: Gabriele Leippert

PFULLINGEN. »I glaub, die hend mi vor zwoi Joahr vergessa«, lachte Georg Stoll, als er verwundert feststellte, dass er keinen der anderen Elektroinstallateurmeister kannte. Eigentlich habe er seine Meisterprüfung schon im Jahr 1972 abgelegt. »Aber 2022 hat’s ja wegen Corona keine Jubilarfeier gegeben«, bedauerte der Metzinger. Das Besondere lag am Freitag in der Luft, die Anwesenden, die ihre Lebensmitte bereits überschritten haben, hatten vor fünfzig Jahren den Schritt zur beruflichen Fortbildung gewagt und ihre Meisterprüfung abgelegt.

Deshalb hatte die Kreishandwerkerschaft Reutlingen, »zum zweiten Mal wieder nach der Pandemie«, wie Kreishandwerksmeister Steffen Mohl feststellte, zur vom Musikverein Eningen musikalisch umrahmten Verleihung der Goldenen Meisterbriefe eingeladen. Trotz des winterlichen Wetters waren von 194 Meistern des Jahrgangs 1974 fast hundert zu Ehrende in die Pfullinger Gaststätte Südbahnhof gekommen. So gab es ein großes Hallo zwischen den Meistern aus rund 30 Berufsgruppen. Größte Prüfungsgruppen waren 1974 wie schon in den Vorjahren Mechaniker, Elektroinstallateure sowie Maler und Lackier, zählte Mohl auf. Habe da sogar noch ein Gerber seine Meisterprüfung abgelegt, sei man gerade dabei, die Gerber-Innung Baden-Württemberg aufzulösen.

In einem kurzen Rückblick auf das Jahr 1974 erinnerte der Kreishandwerksmeister etwa an »das sportliche Highlight Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, die die deutsche Nationalmannschaft im Finale gegen die Niederlande gewonnen hat«, den Watergate-Skandal oder an die Popgruppe ABBA, die den Eurovision Song Contest mit »Waterloo« für sich entschied. Parallelen zu 1974, als noch Auswirkungen der Ölkrise von 1973 mit um über 30 Prozent höheren Ölpreisen zu spüren waren, die zu einer Inflation und wirtschaftlichen Unsicherheit geführt hätten, sah Mohl zur heutigen Zeit. Auch derzeit seien die Energiekosten stark gestiegen, auffallend aus handwerklicher Sicht sei auch, dass das Baugewerbe genau wie 1974 am stärksten von der negativen Entwicklung betroffen sei.

Die meisten der Anwesenden hätten sich in einem Vorbereitungskurs neben der beruflichen Tätigkeit auf die Meisterprüfung vorbereitet, was angesichts des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes alles andere als selbstverständlich war, lobte Mohl. So wie Damenschneidermeisterin Rose Schanz. »Ich habe meine Prüfung ganztägig in einem Dreivierteljahr in Stuttgart gmacht«, erzählte die Genkingerin. Dafür habe sie extra ein Zimmer in Häslach angemietet, um nicht jeden Tag die Strecke von der Alb ins Neckartal fahren zu müssen.

800 offene Lehrstellen

»Wissen, Können und Wollen«, diese drei Dinge würden einen Meister ausmachen, meinte Alexander Wälde, neuer Präsident der Handwerkskammer. Um den Meisterbrief zu bekommen, hätten die zu Ehrenden ihr fachliches Wissen und praktische Kompetenz vom Gesellen her weiterentwickelt. »Damit haben Sie den Grundstein für eine beeindruckende und erfolgreiche Karriere gelegt.« Aktuell habe man große Nachwuchssorgen, der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften sei riesig, derzeit habe man über 800 offene Lehrstellen. »Keiner will mehr was mit den Händen tun, nur noch vor dem PC sitzen«, klagte Wälde. Nicht zuletzt deswegen sei es »unser aller Aufgabe«, das gute Image des Handwerksmeisters noch mehr als bisher herauszustellen. Denn »ein Meisterbetrieb ist für Kunden immer noch erste Adresse«. (GEA)