LICHTENSTEIN/MÜNSINGEN. Die Gemeinde hat sozusagen einen Fuß in der Tür: Mit 250 Hektar Fläche ist Lichtenstein im Biosphärengebiet schon drin. Gute Aussichten also, wenn es jetzt um die Erweiterung des Unesco-Modellgebiets geht. Unter den Beitrittskandidaten ist Lichtenstein also vermutlich einer der aussichtsreichen – und das nicht nur deshalb, weil Winfried Kretschmann die Gemeinde kürzlich in Pfullingen ausdrücklich eingeladen hat. »Wenn Sie wollen, kommen Sie rein«, hatte der Ministerpräsident gesagt.
Hoffnungen machen sich aber auch zahlreiche andere Kommunen: Nachdem das Modellgebiet in den 14 Jahren seines Bestehens eine deutlich positive Entwicklung genommen hat, wären jetzt viele gern ebenfalls dabei – vor allem Städte und Gemeinden, die sich Impulse für den Tourismus wünschen.
Aus allen drei beteiligten Landkreisen liegen bereits Anfragen und Bewerbungen vor. Nicht alle werden berücksichtigt werden können, so viel steht heute schon fest: Als maximale Größe für eine Biosphärenreservat hat die Unesco 150.000 Hektar festgelegt. 85.000 Hektar sind’s bisher.
»Lichtenstein kann mit seiner Vielfalt zur Vielfalt des Biosphärengebiets beitragen«
»Wir haben offiziell unser Interesse bekundet, mit weiteren Gemeindeteilen dazuzugehören«, berichtet Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum. Die Gemeinde könne »mit ihrer Vielfalt zur Vielfalt und weiteren gedeihlichen Entwicklung des Biosphärengebiets beitragen«, davon ist Nußbaum überzeugt. Bislang – so die Einschätzung aus Lichten-steiner Warte – habe sich die Modellregion jedenfalls sehr gut entwickelt. Das Schloss als Wahrzeichen der Mittleren Alb sieht Nußbaum auf jeden Fall als Teil des Biosphärengebiets. Welche Bereiche außerdem noch für eine Aufnahme infrage kommen, soll dann diskutiert werden, wenn die genauen Beitrittskriterien feststehen.
BIOSPHÄRENGEBIET SCHWÄBISCHE ALB
Drei Landkreise, 29 Gemeinden, 85.000 Hektar Fläche
Vom Albvorland bis an die Donau, vom steilen Albtrauf bis zur Hochfläche: Zum Biosphärengebiet Schwäbische Alb gehören ganz unterschiedliche Landschaften. Seit seiner Ausweisung durchs Land 2008 und seiner Anerkennung durch die Unesco ein Jahr später umfasst das Modellgebiet rund 85.000 Hektar Fläche in drei Landkreisen. Etwa vierzig Kilometer liegen zwischen der nördlichen und der südlichen Grenze. Bislang machen 29 Städte und Gemeinden mit. Manche gehören mit ihrer gesamten Markung zum Biosphärengebiet, etwa Eningen, Pfullingen, Münsingen oder Bad Urach. Andere haben sich bislang nur mit einem kleinen Teil ihrer Fläche eingebracht, zum Beispiel Lichtenstein, das aktuell 250 Hektar drin hat. Mit mehr als 56.000 Hektar gehört der größte Teil der Modellregion zum Landkreis Reutlingen, der Alb-Donau-Kreis und der Landkreis Esslingen bringen knapp 16.000 und gut 13.000 Hektar ein. 3,1 Prozent der Gesamtfläche entfallen auf die Kernzonen – Wälder, die der Natur vorbehalten sind. Pflegezonen mit Streuobstwiesen, Wacholderheiden oder anderen wertvollen Lebensräumen machen gut 40 Prozent der Fläche im Modellgebiet aus. 55 Prozent sind Entwicklungszone ohne Einschränkungen. Mit knapp 150.000 Einwohnern gehört das Biosphärengebiet Schwäbische Alb zu den bevölkerungsreichsten Biosphärenreservaten weltweit. (GEA)
Mit ihnen ist im Herbst zu rechnen, das hatte unlängst der Regierungspräsident Klaus Tappeser angekündigt. Die Gremien und Mitgliedsgemeinden des Biosphärengebiets beschäftigen sich aktuell mit dem Thema. Was dann auf den Tisch kommt, wird auch in der Gemeinde Sonnenbühl mit Aufmerksamkeit erwartet. »Wir sind höchst interessiert und haben unsere Bekundung bereits mehrfach abgegeben«, betont Bürgermeister Uwe Morgenstern.
Sonnenbühl sehe sich durchaus als eine sehr sinnvolle Erweiterung der Modellregion, »die sich fast aufdrängt«, sagt Morgenstern. Schließlich hat die Gemeinde diverse Naturschätze einzubringen, von reizvollen Abschnitten des Albtraufs bis zu den beiden Schauhöhlen. Aber auch die Sonnenbühler wollen jetzt erst mal wissen, wie genau die Beitritts-Konditionen sind.
Als sich vor rund 15 Jahren die Gründungs-Gemeinden zum Biosphärengebiet zusammenschlossen, sorgte neben der Furcht vor möglichen Einschränkungen bei der baulichen Entwicklung vor allem ein Thema für Diskussionen: die Kernzonen, Waldgebiete, die aus der Nutzung genommen wurden und seither der Natur überlassen sind. Mit diesem Aspekt würde sich Sonnenbühl nicht allzu schwer tun. Die Gemeinde hätte Traufwälder anzubieten, die ohnehin kaum gewinnbringend zu bewirtschaften sind.
»Wir sind höchst interessiert und haben unsere Bekundung bereits mehrfach abgegeben«
Lichtenstein hat in Sachen Kernzonen schon kräftig vorgelegt. Von den 250 Hektar Gemeindegebiet, die schon im Biosphärengebiet sind, entfallen mehr als hundert Hektar auf Bann- und Naturwälder am Albtrauf. Nur die Stadt Hayingen hat bislang mehr eigene Waldflächen für die Kernzone zur Verfügung gestellt.
Die Gemeinde St. Johann – derzeit mit 2.600 ihrer insgesamt rund 5.900 Hektar Fläche im Modellgebiet – hat sich in diesem Punkt bisher weit unterdurchschnittlich eingebracht: mit 19 Hektar Kernzonen, davon 15 Hektar in kommunalem Besitz. Zu erwarten ist also, dass weitere St. Johanner Waldflächen aus der Bewirtschaftung genommen werden müssen, falls die Gemeinde auch mit ihrer zweiten Hälfte ins Biosphärengebiet aufgenommen werden will. Das jedenfalls ist der erklärte politische Wille von Bürgermeister Florian Bauer, der von einer »Arrondierung« spricht. Im Gemeinderat sei das Thema allerdings noch nicht diskutiert worden. Auch dafür sollen die Beitrittskriterien abgewartet werden.
Auf diese Kriterien warten auch die Kommunalpolitiker in Engstingen und Hohenstein. »Wir haben uns noch nicht offiziell beworben, aber signalisiert, dass durchaus Interesse von unserer Seite besteht«, sagt Hohensteins Bürgermeister Jochen Zeller. Und auch Engstingens Gemeinderäte haben sich im Biosphärenzentrum in Auingen bereits über das Modellgebiet informiert, wie Bürgermeister Mario Storz berichtet.
Bevor aber in den Gremien entschieden werden kann, müssen die Beitrittskonditionen auf den Tisch. »Wir müssen wissen, ob und wie wir die erfüllen können«, betont Storz. Sein Hohensteiner Amtskollege geht davon aus, dass die Kriterien für die Beitrittskandidaten durchaus machbar gestaltet werden. Für seine Gemeinde und die Nachbarkommunen auf der Reutlinger Alb ist er »guter Dinge, dass wir da reinpassen«. So entstehe ein zusammenhängendes Gebiet und eine lückenlose Verbindung von Zwiefalten nach Sonnenbühl.
Die Interessenbekundungen für den Beitritt sind zahlreich, nicht nur aus den Biosphären-Landkreisen Reutlingen, Esslingen und Alb-Donau, sondern auch aus Nachbarkreisen wie Tübingen oder Göppingen, berichtet Achim Nagel, der Leiter der Biosphärengebietsverwaltung. Doch da die Maximalgröße des Gebiets auf 150.000 Hektar gedeckelt ist, könnte es eng werden: »Es wird es nicht für alle reichen«, stellt Nagel fest. (GEA)