PFULLINGEN. Tango – das ist Feuer, Leidenschaft, aber auch menschliches Drama. Warum sollte sich dies nicht mit religiösen Themen verbinden lassen? Wie wunderbar das funktioniert, erlebten am Sonntag die Besucher der restlos gefüllten Martinskirche. Die Martinskantorei führte zusammen mit dem Orchester Arcademia Sinfonica unter der Leitung von Dietrich Schöller-Manno und Solisten zwei kirchliche Stücke mit ungewöhnlichem Duktus auf. Die Gesamtleitung hatte Kantorin Bettina Maier.
Der zeitgenössische Komponist Martin Palmeri verband in seiner »Misa a Buenos Aires« (Misatango) den klassischen Aufbau einer katholischen Messe mit Tango-Elementen in der Begleitung. Das Bandoneon, überragend souverän gespielt von Helena Rüegg aus Zürich, sorgte von Beginn an für das Tango-Feeling. Gegenläufige Rhythmen, Synkopen, sich reibende Akkorde, das alles stellte die Kantorei vor nicht geringe Herausforderungen, die sie glänzend meisterte. Beeindruckend war auch die sehr gute Textverständlichkeit. Andächtig erklang das »Kyrie«, schwungvoll und mit chromatischen Intervallen das »Gloria«, bei dem Susan Eitrich mit ihrem glockenklaren Sopran die zentralen Zeilen »Qui tollis peccata mundi« – das Opfer Christi für die Welt - in Szene setzte.
Tänzerisch-beschwingt erklang das »Credo« und verkündigte im Tango-Rhythmus die frohe Botschaft des Glaubensbekenntnisses. Wiederum hob Susan Eitrich die wichtigsten Inhalte, die Menschwerdung Christi und die Verehrung des dreieinigen Gottes, mit ihrem Sologesang hervor. Harmonie herrschte auch mit dem renommierten Orchester »Arcademia Sinfonica« aus Balingen, das einmal mehr seinen transparenten Klang und sein konzentriertes, mitreißendes Musizieren unter Beweis stellte. Michael Korneck setzte auf dem Flügel wirkungsvoll eigene Akzente.
2018 komponierte Peter Reulein das »Te Deum«, das seine Ursprünge in der frühchristlichen Kirche hat, jedoch häufig von weltlichen Herrschern zur eigenen Verherrlichung missbraucht wurde. Deshalb stellte Reulein in seinem Hymnus mit Hilfe von lateinamerikanische Rhythmen die Lebensfreude des Lobpreises in den Mittelpunkt. Stefan Heß betonte mit Congas und Klanghölzern den lebendigen Rhythmus des Stücks.
Chor und Orchester schufen in einer harmonisch dynamischen Ausgestaltung rauschende Klangbögen, aber auch Momente der Besinnung mit angezupften Saiten und Staccato-Gesang und ließen den überschwänglichen Hoffnungsvers »In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden« in das moderne Kirchenlied »Gott, wir sind deine Kinder« übergleiten. In deutscher Sprache von Lutz Riehl geschrieben stellte es den Bezug zur Gegenwart her. Am Schluss kehrt der Komponist mit den Versen »Te Deum laudamus« noch einmal zum gregorianischen Ausgangspunkt zurück, der von den Musizierenden als fröhlicher, jubilierender Höhepunkt zelebriert wurde. Minutenlanger Beifall war der Lohn für die herausragende Leistung und ein besonderes Hörerlebnis. Auch beim Heimweg wurde anschließend begeistert vom Konzert gesprochen. (GEA)