ENINGEN/REUTLINGEN. Wie so oft hat der Nachbarschaftsstreit, der sich Ende Mai 2024 in einem gut situierten Wohngebiet in Eningen ereignet hat und nun vor dem Reutlinger Amtsgericht gelandet ist, eine lange Vorgeschichte. Es gab wohl immer wieder Zoff und sogar Anzeigen wegen Parkens außerhalb der Markierungen in dem Wohngebiet, wegen Ruhestörung, wegen eines Zauns. Am Tatabend soll der spätere Angeklagte sein Auto erneut außerhalb der Markierung geparkt und zudem das Nachbarauto noch eingekeilt haben. Der betroffene Nachbar, fotografierte die Ordnungswidrigkeit, was der Autobesitzer prompt sah. Daraufhin eskalierte der Streit mitten auf der Straße.
Jetzt soll das Amtsgericht Reutlingen unter Vorsitz von Richter Eberhard Hausch klären, was an jenem Maiabend passiert ist. Am Mittwoch fand unter regem Interesse der Nachbarschaft der erste Verhandlungstag statt. Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte am Tatabend auf den Senior losgegangen sein, schreiend, gestikulierend und mit Schlagbewegungen in Richtung seines Kontrahenten. Er soll ihm sogar gedroht haben, ihn umzubringen. Nachbarn kamen damals hinzu, um zu schlichten. Dann, als die Situation bereits beruhigt schien, soll der Angeklagte auf den Senior zugerannt sein und diesem mit ausgestreckten Armen einen Stoß vor die Brust versetzt haben. Der Senior stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung muss sich der Mann deshalb jetzt vor Gericht verantworten.
Ausraster zugegeben
Der Angeklagte, der seine Aussage von seiner Verteidigerin verlesen ließ, räumte nun zwar die Bedrohung ein und dass er ausgerastet sei. Die Körperverletzung jedoch bestritt er. Er habe nie die Absicht gehabt, jemanden zu verletzten und es habe auch keinerlei Berührung zwischen ihm und dem Nachbarn gegeben. Der geschädigte Senior berichtete dies ganz anders. Im Detail ließ er den Abend vor Gericht Revue passieren, beschrieb seine Ängste und seinen Versuch, aus der Situation heraus zu kommen. »Der ist völlig ausgerastet, so etwas habe ich noch nie erlebt.«
Nachbarn waren wohl durch das laute Geschrei inzwischen auf den Streit aufmerksam geworden, zwei Nachbarn kamen dem Senior direkt zu Hilfe, versuchten mäßigend auf den späteren Angeklagten einzuwirken. Der habe sich dann von den beiden, die ihn festhielten, wohl losgerissen. Jedenfalls, so berichtet der Senior, sei sein Kontrahent plötzlich direkt bei ihm gestanden und haben ihm einen derart heftigen Stoß versetzt, dass er zu Boden gegangen sei. Der spätere Arztbericht diagnostizierte einen Rippenbruch, zahlreiche Prellungen und weitere erhebliche Verletzungen.
Prozess wird fortgesetzt
Insgesamt acht Zeugen sagten am Mittwoch am ersten Verhandlungstag aus. Dabei gab es doch auch wesentliche Unterschiede zum Verlauf des Streits. Ein Zeuge sagte sogar aus, der Senior sei aus eigener Schuld gefallen, wohl gestolpert. Und nein, der Beschuldigte habe gar keinen körperlichen Kontakt zu dem Geschädigten gehabt. Selbst die beiden direkt beteiligten Zeugen, die dem Opfer zu Hilfe kamen, schilderten ihre Wahrnehmungen unterschiedlich. Wer war wo zu welchem Zeitpunkt und bewegte sich wohin: Dies herauszufinden war die schwierige Aufgabe für Gericht, Staatsanwältin Carmen Ljubicic, Nebenklagevertreter Christian Bartsch und Verteidigerin Martina Fränkel. »Ich habe das Gefühl, die Zeugenaussagen lassen sich nicht in Einklang bringen«, resümierte schließlich Richter Eberhard Hausch. So sah es auch die Staatsanwaltschaft. Weshalb man nun weitere Zeugen laden will. Der Prozess wird fortgesetzt. (GEA)
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch, Staatsanwältin: Carmen Ljubicic, Nebenklagevertreter: Christian Bartsch, Verteidigerin: Martina Fränkel.