ENINGEN. »Das Ende war mein Anfang« ist nicht nur der Titel der Autobiografie eines Spiegel-Korrespondenten, sondern auch der Leitsatz von Christoph Henties. »Es gab berufliche wie auch persönliche Neuanfänge in meinem Leben, durch die ich mich gewissermaßen neu definieren musste«, sagt der Eninger. Das ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, warum er sich in seinem Ruhestand mit dem Thema emotionale Altensorge beschäftigt. »Das ist zugegebenermaßen ein sehr sperriger Begriff«, erklärt Henties. »Gleichwohl verdeutlicht er ein Thema, das mir rückblickend sehr wichtig geworden ist.«
»Den meisten Menschen wird vermutlich eher die finanzielle Altersvorsorge ein Begriff sein«, sagt Henties. Dass es jedoch noch wichtiger sei, emotional für das Alter vorgesorgt zu haben, werde den meisten erst bewusst, wenn es schon zu spät sei. »Dabei geht es darum, den beruflichen Ruhestand sinnstiftend zu gestalten«, erklärt er. Der Übergang von einer erfüllten Berufstätigkeit in eine Phase, in der nicht mehr gearbeitet werden muss, kann schwer sein. »Oft haben wir einen Teil unseres Privatlebens für die Karriere geopfert, und dieser bisher dominierende Schwerpunkt fehlt nun, wenn die Arbeit nicht mehr da ist.« Bedürfnisse und Herzensangelegenheiten wurden ausgeblendet und viele Menschen tun sich dann seinen Angaben zufolge schwer, alles nachzuholen. Seine Lösung: Frühzeitig über das Aufhören nachdenken.
Ruhestand sinnstiftend gestalten
Christoph Henties hat über 20 Jahre lang bei Wandel & Goltermann, einem Eninger Technologieunternehmen, auch in leitender Position gearbeitet. »Durch Zufall« und dank seiner internationalen Erfahrungen ist der gelernte Ingenieur dann dazu gekommen, Führungskräfte in Süddeutschland zu beraten und zu coachen. »Die beiden Tätigkeiten haben eine überraschende Ähnlichkeit und teilweise eine Kongruenz«, sagt er. Vermarktete er früher Produkte, musste er später Führungskräfte schulen. Vor drei Jahren dann übergab er nach weiteren 20 Jahren sein Beratungsunternehmen und ist seitdem im Ruhestand. Und diesen versucht er, so sinnstiftend wie möglich zu gestalten.
»Was einige, glaube ich, nicht erkennen ist, dass beispielsweise die Fokussierung auf die Familie im Ruhestand kein adäquater Ersatz für die im Beruf erlangten Fähigkeiten sein kann«, sagt Henties. Als Großeltern also im Ruhestand für seine Enkel da sein zu wollen, sollte nicht als Hauptbeschäftigung angesehen werden. Für ihn geht es darum, sich zu fragen: Wer bin ich? Was will ich noch erleben? Was will ich hinterlassen? Auch wenn er selbst bis vor Kurzem noch Präsident des Lions Clubs Neckar-Alb war, geht es ihm nicht darum, mit gemeinnützigem und sozialem Engagement die Zeit zu füllen. »Jeder hat ein Füllhorn an Fähigkeiten und Interessen«, sagt Henties. »Und es ist wichtig, dieses sinnstiftend zu nutzen, dem nachzugehen und neue Aufgaben zu suchen.«
Begeisterung für Jazzmusik
Henties hat direkt ein eigenes Beispiel parat: Ihm bereiten Kulturveranstaltungen besondere Freude. »Die habe ich früher auch oft in meinem Unternehmen organisiert«, erklärt er. Seine Begeisterung für Jazzmusik hat ihn dazu geführt, Jazzgitarre zu lernen. »Ich mag Jazz und ich mag es auch, Teil einer Gruppe zu sein. Und jetzt kann ich beides verbinden, in dem ich in einer Band spiele, die sich hobbymäßig einmal im Monat trifft.« Das neue Hobby kombiniert seine Leidenschaft - die Musik - und eine Charaktereigenschaft von ihm - seine soziale Ader - und ermöglicht es Henties so, einen Teil seines Ruhestands »wirksam und sinnvoll« zu leben.
Dafür hat er sich Neuem geöffnet, Veränderung zugelassen und sich auch neu orientiert. »Ich verstehe, dass es schwer ist, Altbekanntes zu überwinden, wenn das Neue nicht sichtbar ist«, sagt der Eninger. »Aber damit Neues kommen kann, muss man sich rückbesinnen, in sich hineinhören, sich von Vertrautem verabschieden und die innere Stimme wahrnehmen und auch hören.« (GEA)