PFULLINGEN. Nachdem lange Zeit Funkstille geherrscht hatte, wird es nun wieder etwas lauter um den Flächennutzungsplan (FNP) des Nachbarschaftsverbands Reutlingen-Tübingen, in dem auch die Pfullinger Gemarkung enthalten ist. Seit rund zwei Wochen liegt er für alle einsehbar im Rathaus II aus und die Öffentlichkeit kann Stellungnahmen dazu abgeben. Im FNP-Entwurf ist im Gewann »Galgenrain« ein neues Wohngebiet vorgesehen. Die Bürgerinitiative »Rettet das Arbachtal« macht schon seit Jahren dagegen mobil.
Die Initiative will das Gebiet, das landwirtschaftlich und für die Naherholung genutzt wird, unbebaut erhalten. Dass Pfullingen den Wohnraum benötigt, stellen Richard Ballmann und Pierre Godbillon, beide Mitglieder der Bürgerinitiative, nicht infrage. Sie fordern im GEA-Gespräch aber, dass das Problem anders gelöst werden sollte und nicht, indem ein Gebiet voller Streuobstbäumen und FFH-Mähwiesen bebaut und »somit zerstört wird«.
Flächenverbrauch gleich null
»Der Flächenverbrauch sollte bei null liegen«, fordern die beiden, wenn es um den Umgang mit unbebauten Gebieten geht. Zuerst solle also innerorts nach freiem Wohnraum gesucht werden: »Dieser kann ja auch in der gesamten Stadt verteilt sein, es muss nicht gleich eine Siedlung sein.« Nur im »äußersten Notfall«, als »letzte Reserve«, könne das Gewann »Galgenrain« als Lösung in Betracht kommen. Für Ballmann und Godbillon ist die Not aber noch nicht groß genug. Sie verweisen darauf, dass es »zahlreiche freie Wohnungen« und solche, die in naher Zukunft fertiggestellt werden, in der Echazstadt gebe. »Der Innenbereich ist noch nicht ausgeschöpft. Ganz zu schweigen davon, dass in den kommenden Jahren die Bevölkerungszahlen wieder rückläufig sein werden«, sagen sie und verweisen auf Zahlen des Statistischen Landesamts.
»Als das Thema zuletzt 2019 im Gemeinderat beraten wurde, bestätigte der zuständige Stadtplaner, dass es möglich sei, das Wohnungsproblem ohne den Flächenverbrauch im Außenbereich zu lösen«, erinnert sich Godbillon. In der Sitzung Anfang Dezember 2019 sagte der Planer, dass dies jedoch nur ginge, »wenn Verwaltung, Gemeinderat und Bürger es gemeinsam schaffen, dass alle Eigentümer von baureifen Wohn- und Gewerbegrundstücken ihre Baulücken sowie alle Eigentümer von leer stehenden Wohn- und Gewerberäumen ihre Flächen am Immobilienmarkt anbieten« würden. »Wir wissen, dass die Umsetzung nicht einfach ist, aber man sollte diesen Weg gehen.«
Trotz Kritik auch Positives
Trotz des inzwischen überarbeiteten Flächennutzungsplans, bei dem die Flächen präzisiert und Bereiche dargestellt wurden, die Konfliktpotenzial bergen oder Ausgleiche erfordern, hat sich die Meinung der Bürgerinitiative nicht geändert. »Es geht uns nicht nur um die Naherholung, die nebenbei bemerkt auch im Stadtentwicklungskonzept ISEK eine wichtige Rolle spielt, oder die landwirtschaftliche Nutzung des Galgenrains, sondern auch darum, dass das Gebiet eine Frischluftschneise nicht nur für Pfullingen, sondern auch für Reutlingen ist«, ergänzt Ballmann. Doch trotzdem gibt es bei all der Kritik auch Positives: Ballmann und Godbillon freuen sich, dass der Flächennutzungsplan nun öffentlich einsehbar ist und die Bevölkerung sich nun aktiv in Form von Stellungnahmen einbringen kann.
»Positiv ist uns auch aufgefallen, dass alle notwendigen und wichtigen Gutachten zum Umwelt- und Naturschutz umgesetzt wurden und die Ergebnisse daraus nun vorliegen.« Zudem haben sie sich gefreut, dass bei der Infoveranstaltung vor zwei Wochen sowohl Bürgermeister Stefan Wörner als auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung anwesend und bereit für Gespräche waren. »Uns ist es wichtig, einen konstruktiven und respektvollen Dialog mit den Zuständigen zu führen.«
Appell, die Meinung zu äußern
Apropos Dialog: Ballmann und Godbillon haben auch mit einigen Gemeinderäten gesprochen. »Die sind gar nicht so einer Meinung, wie es manchmal wirkt, wenn es um die Bebauung des Galgenrains geht.« Die beiden appellieren im GEA-Gespräch an die Ratsmitglieder, sich klar zu positionieren und in den Diskussionsrunden ihre Meinung kundzutun. »Derselbe Appell geht auch an die Pfullinger Einwohnerinnen und Einwohner, die eine Meinung zum Flächennutzungsplan haben.« Ballmann und Godbillon wünschen sich, dass diese zu den Folgeterminen kommen werden, bei denen die Verwaltung Rede und Antwort zu Fragen zum Flächennutzungsplan stehen wird (siehe Infobox).
Insgesamt sind sie mit dem Vorgehen der Stadtverwaltung in Sachen Wohnungsbau zufrieden. »Da tut sich ja was.« Vor allem, dass die Stadt nach dem Motto »innen vor außen« handelt, finden Ballmann und Godbillon gut. »Das sollte weiterverfolgt werden. Nur weil es mit dem Galgenrain scheinbar ein passendes Gebiet für den Wohnungsbau gibt, muss dort nicht auch gleich gebaut werden.« Das sei zwar der einfache, aber - aus Sicht der Bürgerinitiative - auch der schlechtere Weg. Sie fordern von Gemeinderat und Stadtverwaltung, dass sie das Motto bei allen weiteren Planungen und Beratungen im Hinterkopf behalten. (GEA)
Flächennutzungsplan
Noch bis Dienstag, 8. April, sind die Pläne und Unterlagen des Nachbarschaftsverbands Reutlingen-Tübingen im Sitzungssaal des Rathauses II einsehbar und zusätzlich auf der Homepage des Verbands aufrufbar. Stellungnahmen zum Entwurf des Flächennutzungsplans können per Mail (beteiligung.stadtentwicklung@reutlingen.de) eingereicht werden. Die nächste Möglichkeit, um mit den Mitarbeitern der Pfullinger Stadtverwaltung zu den Inhalten des Plans im Sitzungssaal ins Gespräch zu kommen, ist am Donnerstag, 13. März, von 16.30 bis 18 Uhr. Weitere Termine sind am Donnerstag, 27. März, und am Donnerstag, 3. April, jeweils zur selben Uhrzeit. Wer Fragen zum Flächennutzungsplan hat, kann sich an das Team »Stadtplanung« im Pfullinger Rathaus wenden. (GEA) www.nachbarschaftsverband-reutlingen-tuebingen.de