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»Der sieht gar nicht wie ein Betrüger aus«

LICHTENSTEIN/REUTLINGEN. So gut kommt ein Angeklagter selten weg. Nicht nur, dass Gericht und Staatsanwaltschaft ein gewisses Verständnis für den Mann aufbrachten, der einen Drucklufthybridmotor zur Serienreife entwickeln möchte. Auch der Handwerker, dem der in Lichtenstein werkelnde Tüftler immerhin runde 5 000 Euro schuldig geblieben ist, sagte: »Ich würde jederzeit wieder Geschäfte mit ihm machen.« Dass dann auch noch als Zeuge der Geschäftsführer und Gesellschafter der Bionade GmbH auftrat, drückte dem Verfahren wegen Betrugs endgültig den Stempel des Außergewöhnlichen auf.

Doch von Anfang an. Seit ein paar Jahren schon tüftelt der Reutlinger an seiner Idee eines Drucklufthybridmotors. Der, so erklärte der Angeklagte, per Druckluft angetrieben wird und dann so viel Strom erzeugen soll, dass damit wiederum der Druckluftkompressor betrieben werden kann und noch was an Energie übrig bleibt. Richter Sierk Hamann, nach eigener Auskunft in technischen Fragen nicht so beschlagen, fühlte sich da nicht als Einziger im Saal an ein Perpetuum mobile erinnert. Und von dem weiß jeder Pennäler, dass es nicht funktionieren kann, weil das grundlegenden physikalischen Gesetzen widersprechen würde, die profan so zusammengefasst werden können: Man kann nicht mehr Energie aus einem System herausholen, als man reinsteckt, nicht mal gleich viel.

Versuchsaufbau scheiterte

Der Angeklagte war aber von seiner Idee überzeugt, gründete mit einem Partner eine KG, um den Motor zu bauen. Als der Partner 2007 absprang, verschärfte sich die wirtschaftliche Situation des Tüftlers und er suchte Geldgeber. In Stephan Kowalsky glaubte er einen gefunden zu haben. Denn der Geschäftsführer und Gesellschafter der Bionade GmbH hatte auf eine E-Mail des Tüftlers geantwortet. »Wir sind ein innovatives Unternehmen und deshalb auch Anlaufstelle für Menschen, die sich Gedanken über die Umwelt und Energie machen«, erklärte er Richter Sierk Hamann das Interesse an der Erfindung.

Im Sommer 2008 sei er deshalb mit seinem technischen Betriebsleiter nach Lichtenstein gefahren. Dort habe ihm der Angeklagte einen komplizierten Versuchsaufbau vorgeführt, der allerdings nicht funktionierte. Das heißt, dem System musste immer Energie von außen zugeführt werden. »Machen Sie einen funktionierenden Versuchsaufbau, dann finanzieren wir den Prototypen«, habe er damals zu dem Tüftler gesagt.

Der Angeklagte sah das etwas anders. Demnach habe ihm der Geschäftsführer zugesichert, die Kosten für einen Zylinder für einen Prototypen zu bezahlen, den er bei einem Betrieb auf der Alb bestellte. Dass seine finanzielle Situation zu diesem Zeitpunkt schon denkbar schlecht war, er etwa schon Monate keine Miete für die Räume in Lichtenstein mehr zahlte und die eidesstattliche Versicherung kurz bevorstand, habe er ignoriert, warf ihm Staatsanwältin Irene Fitzner vor und hatte ihn deshalb wegen Betrugs angeklagt.

Geldstrafe auf Bewährung

Der Angeklagte sah aber sich getäuscht. Er habe sich auf das Geld des Bio-Limonaden-Herstellers verlassen. Als die Brauerei selber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei, habe die nicht mehr zahlen wollen. Schriftliche Vereinbarungen gebe es aber nicht, räumte der Angeklagte ein. Diese habe der Bionade-Geschäftsführer immer abgelehnt. »Dafür gab es auch keine Notwendigkeit«, stellte Kowalsky klar, da der Versuchsaufbau nicht funktionierte.

»Wir müssen davon ausgehen, dass es keine Vereinbarung gab«, konstatierte der Richter. Auch für die Staatsanwältin war klar, dass der Geschäftsführer nie eine Zusage gemacht habe. Da sei wohl eher der Wunsch, an Investorengelder zu kommen, der Vater des Gedankens bei dem Angeklagten gewesen. Doch ihn hart zu bestrafen, da hatte sie auch Schwierigkeiten: »Der sieht gar nicht wie ein Betrüger aus.« Deshalb forderte sie eine Geldstrafe auf Bewährung.

Weil Richter Hamann auch die »lauteren Motive« des Angeklagten sah, ohne sein Tun zu billigen, verhängte er 120 Tagesätze zu je 20 Euro. Die muss der Angeklagte nicht zahlen, wenn er sich in den kommenden drei Jahren nichts zuschulden kommen lässt und jeden Monat 20 Euro an den geschädigten Unternehmer überweist. Der hatte dem Angeklagten in der Verhandlung noch Mut gemacht: »Ihre Idee lebt.« (GEA)