LICHTENSTEIN. Die ersten Ergebnisse ihrer archäologischen Untersuchungen der Burgruine Stahleck hatte das Team um die beiden Tübinger Grabungsleiter Michael Kienzle und Dr. Lukas Werther Ende Juni präsentiert. Jetzt sind – vor einem stetig wachsenden Unterstützerkreis – die neuesten Funde und Erkenntnisse vorgestellt worden.
»Manchmal kommen Wanderer vorbei und fragen, wo denn die Ruine sei. Dabei stehen sie mittendrin«, berichtet Kienzle, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Tübingen. Leider sei aber außer dem Burggraben nicht mehr viel zu sehen, denn auf Stahleck sei massiv Steinraub betrieben und die Anlage einplaniert worden.
»Mindestens für die nächsten vier Jahre ist die Forschung gesichert«
Ob die Burg allerdings – mit den Burgen der Greifensteiner – im Jahr 1311 von den Reutlingern zerstört worden sei, wisse man noch immer nicht. Unklar sei auch, ob die Herren von Stahleck Gefolgsleute der Greifensteiner gewesen waren. Um diese Fragen zu klären, hat die Uni Tübingen das Greifenstein-Projekt ins Leben gerufen, zu dem auch die aktuelle Grabung gehört. Die Gemeinde Lichtenstein finanziert einen Großteil der Grabungsarbeiten. Zu den Kooperationspartnern gehören außerdem das Landesamt für Denkmalpflege, der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein, der Landkreis Reutlingen sowie die Stadt und der Geschichtsverein Pfullingen.
Das Adelsgeschlecht der Greifensteiner besaß vom späten 12. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts eine kleine Herrschaft am Albtrauf. Um diese unliebsame Konkurrenz zu beseitigen, zerstörten die Reutlinger 1311 ihre Burgen. Bald darauf endete auch die Präsenz des Adelsgeschlechts. »Die Greifensteiner bieten daher die Möglichkeit, eine mittelalterliche Adelsherrschaft in einem relativ geschlossenen kleinen Talraum zu erforschen«, erklärte Kienzle.
Das Projekt konnte dem Tübinger Sonderforschungsbereich »Ressourcenkulturen« angegliedert werden. Der befasst sich damit, was Gesellschaften von der Frühgeschichte bis heute brauchten, um zu entstehen, sich zu erhalten und sich zu verändern. Fördermittel erhielt das Projekt deshalb von der Deutschen Forschungsgesellschaft. Weitere Zuschüsse sollen aus der Region zufließen. »Mindestens für die nächsten vier Jahre ist damit der Fortgang gesichert.« In der kommenden Zeit sollen die Ergebnisse in Vorträgen und auf einer Internetseite veröffentlicht werden.
Über die Familie von Stahleck sei wenig bekannt. Um 1250 ist ein Konrad von Stahleck belegt, im frühen 14. Jahrhundert eine Nonne namens Stahleck in Offenhausen. Möglicherweise, so Werther, deute der Name auf Metallurgie hin, denn auf der Alb sei Eisenerz ehemals gewonnen worden.
Wie die Grabung ergab, war der noch deutlich erkennbare Graben ursprünglich aus dem Felsen geschlagen worden. Möglicherweise wurde das so gewonnene Material in der dahinter gebauten, später aber umgestürzten Umfassungsmauer gebraucht, die bis zu 1,80 Meter dick war. Der Graben war als Müllgrube genutzt worden. Daher fanden sich darin Fragmente von Dachziegeln, vielen Tierknochen, Kochtöpfen, Krügen, Kannen, Bechern und sogar Glasgefäßen, die insgesamt auf einen gehobenen Lebensstandard hindeuten.
»Über die Vorburgen hat man noch kaum Erkenntnisse«
Auch sogenannte »Albware« des 13. Jahrhunderts wurde gefunden, dünnwandige dunkle Keramik mit Kalkeinsprengseln und eingeritzten Mustern. Dazu helle Keramik mit einem roten Gittermuster, sogenannte »Schwäbische Feinware«. Gefunden wurde auch ein abgebrochenes Messer mit einem Nietenrest, der auf einen Holzgriff verweist.
Besonders interessant ist für die Archäologen die Vorburg östlich des Grabens, in der sich früher üblicherweise Ställe und Wirtschaftsgebäude befanden. »Während die Hauptburgen der Anlagen auf der Alb oft gut erforscht sind, hat man über die Vorburgen kaum Erkenntnisse«, so Kienzle. Glücklicherweise fanden sich im Vorburgbereich im Lehm unter dem Humus die Abdrücke von Hölzern, die ursprünglich zu Decken oder Wänden der Vorburggebäude gehörten. Fragmente von Kachelöfen aus dem 14. Jahrhundert weisen ebenfalls auf adlige Wohnkultur hin.
Für eine genauere, detaillierte Untersuchung gingen die Archäologen ungewöhnliche Wege. Sie teilten den Boden in 100 Kilo schwere Pakete, umwickelten sie mit Gipsbinden und brachten die sogenannte Blockbergung nach Tübingen, wo sie seither minutiös und sogar mit dem Mikroskop untersucht wird. »Wir hoffen, dadurch Näheres über die genaue Nutzung der Vorburg herausfinden zu können, beispielsweise, ob hier Korn gedroschen wurde«, erläuterte Lukas Werther.
Auf dem Areal der Hauptburg direkt an der Albkante gewannen die Archäologen unterdessen neue Erkenntnisse. Dort erfassten sie, unter anderem dem Verlauf von Wurzeln folgend, ein etwa zehn mal zehn Meter großes Gebäude, das sie als herrschaftlichen Sitz mit steinernem Untergeschoss und möglicherweise ein bis zwei Fachwerkgeschossen ansehen. Auch das Fundament einer Zwischenmauer wurde entdeckt. »Dies war eventuell eine Stütze, da ein so großer Raum nur schwer mit Deckenbalken zu überspannen war«, berichtete Werther. Das Gebäude stammt nach Kienzles Angaben aus dem 14. Jahrhundert, sodass auf Stahleck bisher zwei Bauphasen nachvollziehbar sind.
Demnächst wird die Grabungsphase für dieses Jahr abgeschlossen. Im Winter schließt sich die Auswertung der Ergebnisse an. (GEA)