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Aktuell Geschichte

Das Leben in Unterhausen während des Bauernkriegs

Vortrag in der Veranstaltungsreihe »500 Jahre Bauernkrieg« des Landkreises Reutlingen: Dr. Roland Deigendesch berichtet über die damaligen Verhältnisse in Unterhausen.

Der Leiter des Stadtarchivs Reutlingen Dr. Roland Deigendesch (links) hielt den Vortrag, Kreisarchivar Dr. Marco Birn hatte die
Der Leiter des Stadtarchivs Reutlingen Dr. Roland Deigendesch (links) hielt den Vortrag, Kreisarchivar Dr. Marco Birn hatte die Reihe organisiert. Birn hält in den Händen den Jubiläumskeks. Foto: Gabriele Böhm
Der Leiter des Stadtarchivs Reutlingen Dr. Roland Deigendesch (links) hielt den Vortrag, Kreisarchivar Dr. Marco Birn hatte die Reihe organisiert. Birn hält in den Händen den Jubiläumskeks.
Foto: Gabriele Böhm

LICHTENSTEIN-UNTERHAUSEN. Weder Unterhausen noch Oberhausen oder Honau waren wilde »Hotspots« von Bauernaufständen. Aber dennoch wurde der Unterhausener Pfarrer Jakob Laminit 1525 nach einer Predigt noch in der Kirche verhaftet und in Stuttgart aufgehängt. Da er den evangelischen Glauben praktizierte, unterstellte man ihm, mit den Bauern zu sympathisieren, die sich auf Martin Luther beriefen. Am Mittwoch hielt Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch den zweiten Vortrag in der vom Landkreis veranstalteten Reihe zum Thema »500 Jahre Bauernkrieg«. Rund 90 Gäste waren in das Johann-Jakob-Rösch Gemeindehaus nach Unterhausen gekommen.

Dr. Marco Birn, Leiter des Kreisarchivs, hieß das Publikum willkommen und verwies auf den eigens kreierten »Jubiläumskeks« mit den zwölf damals von den Bauern geforderten Artikeln. Darin ging es um Menschen- und Freiheitsrechte wie das Recht auf Jagd und Fischfang zum eigenen Unterhalt, das Recht jeder Gemeinde, ihren eigenen Pfarrer zu wählen oder den Protest gegen Frondienste, Pacht und Erbschaftssteuer. »Das Ringen um Freiheit und Demokratie ist in der Geschichte immer wieder aktuell«, so Birn.

Lange Tradition bäuerlicher Empörung

Europaweit, begann Deigendesch, habe es eine »lange Tradition bäuerlicher Empörung« gegeben. Doch die Bevölkerungszunahme, Missernten durch Klimawandel und übergriffige Herrschaften hätten schließlich 1525 das Fass zum Überlaufen gebracht. Enormen Einfluss habe auch Luthers Schrift »Von der Freiheit eines Christenmenschen«, der niemandem untertan sei, gehabt. Daher habe die Regierung in Württemberg einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem evangelischen Bekenntnis und den Bauernaufständen gesehen. Neben Bauern und Herrschaft zählten auch der 1488 gegründete Schwäbische Bund als Zusammenschluss der Reichsstände sowie der Kaiser und die Reichsstadt Reutlingen zu den Protagonisten.

In Unterhausen gab es damals rund 25 Haushalte mit dörflicher Verfassung und Selbstverwaltung. Ortsherr war Württemberg als Inhaber der Pfandschaft Achalm. Die zweite Größe am Ort war die Reutlinger Siechenpflege, die ihren Besitz im oberen Echaztal systematisch erweiterte und auch das gesamte Kirchenvermögen besaß.

Flugblätter der Bauern in Reutlingen gedruckt

Unzufriedenheiten bestanden durchaus im Echaztal und wurden verstärkt, als rebellische Bauern von Oberschwaben nach Norden und auch ins Echaztal zogen. Dort gewannen sie Sympathisanten, doch verursachten sie auch Schrecken und Verwüstung, unter anderem im Pfullinger Klarissenkloster. Da die Bauern sich auf das göttliche Recht als Grundlage der Beziehung zu ihren Herrschaften beriefen, wurde neben Luther und Melanchthon auch Matthäus Alber, der in Reutlingen Predigten auf Deutsch statt auf Latein hielt, als Schiedsrichter angerufen. Doch die Reichsstadt war sehr darauf bedacht, nicht in den Verdacht zu geraten, den Bauernaufstand zu unterstützen. Alber selbst betonte, dass die Stadt den Eid auf den katholischen Kaiser geschworen habe. »Die Stadt widerstand den Bauern«, sagte Deidendesch. Doch gab es auch Überläufer, und die Flugblätter der Bauern mit den zwölf Artikeln wurden auch in Reutlingen gedruckt. Dies führte dazu, dass der Weber Ludwig Hoss aus Unterhausen überall herumerzählte, das evangelische Reutlingen sei ein bauernfreundlicher Unruheherd.

1521 kam der studierte Kleriker Jakob Laminit aus Augsburg, tätig an der Nikolauskapelle in Reutlingen, sehr wahrscheinlich in Kontakt mit Matthäus Alber. Als Laminit später Pfarrer in Unterhausen wurde und den evangelischen Glauben mit deutscher Messe und einem Abendmahl mit Brot und Wein praktizierte, warf man ihm vor, auch mit den Bauern zu paktieren. Laminit wurde, wie man aus dem Brief eines Arztes an den Reformator Zwingli weiß, verhaftet, gefoltert und schließlich hingerichtet. »Der tapfere Laminit sollte im Ort nicht ganz vergessen sein«, forderte Deigendesch. Man müsse nicht gleich eine Straße nach ihm benennen, doch solle er einen Platz in der Geschichtsschreibung bekommen. (GEA)