»Etwa 1,5 bis 2 Prozent der Bevölkerung sind vom Autismus-Spektrum betroffen«, sagt Inke Haußmann. Die Lichtensteinerin wurde als Sonderschullehrerin häufig mit dem Autismus-Spektrum konfrontiert. Daher wurde die Pädagogin immer wieder auch von einer Selbsthilfegruppe von Erwachsenen mit Autismus-Diagnose um Rat gefragt.
»Es fehlt einfach an speziell ausgebildeten Fachleuten«Aus dieser Selbsthilfegruppe heraus wurde im Jahr 2008 im Wohnzimmer von Inke Haußmann der Verein »Autismus verstehen« gegründet. Die Unterhausenerin übernahm den Vorsitz. Aurica Andres zählt ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern und arbeitet inzwischen als zweite Vorsitzende ehrenamtlich mit.
»Oberstes Ziel unseres Vereins ist die Verbesserung der Gesamtsituation von autistischen Menschen und ihren Angehörigen«, betont Inke Haußmann. Obwohl die Diagnose Autismus-Spektrum inzwischen immer häufiger gestellt wird, gibt es nach Ansicht der Vereinsvorsitzenden immer noch viel zu wenige Informationen über die Vielfalt an autistischen Erscheinungsformen.
»Es gibt immer noch zu wenige Ärzte, die das Autismus-Spektrum rechtzeitig erkennen. Zudem mangelt es an geeigneten Unterstützungsmaßnahmen«, be-mängelt Inke Haußmann. Vor allem in der Schule und im Berufsleben, beziehungsweise schon während der Ausbildung, bekommen Menschen im Autismus-Spektrum oft nicht die notwendige Hilfe.
»Es fehlt einfach an speziell ausgebildeten Fachleuten«, erklärt die Vereinsvorsitzende. Die Folgen für die Betroffenen sind nicht selten Unterbringung im Heim oder in der Psychiatrie. Auch Anträge auf Unterstützung gestalten sich manchmal schwierig, Hilfen werden häufig erst in Krisensituationen zugestanden. Hier will der Verein mit Aufklärungsarbeit Abhilfe schaffen. Aus bescheidenen Anfängen ist der Verein auf inzwischen 270 Mitglieder angewachsen, die kommen aus ganz Baden-Württemberg.
»Über den Preis freuen wir uns ganz besonders«In Reutlingen stehen auf insgesamt 160 Quadratmetern Büros, Besprechungs- und Rückzugsräume zur Verfügung. Selbsthilfegruppen für Angehörige und für Betroffene sind ein Teil der Arbeit. Auch überregionale Arbeitsgruppen wurden gegründet.
Die Institutionalisierung des Modellprojekts zum Aufbau einer Fachkoordinierungsstelle für betroffene Kinder und Jugendliche ist das zentrale Anliegen. Der Verein bietet Fortbildungen an und gibt ein eigenes Magazin heraus.
Für seine vorbildliche Arbeit hat der Verein kürzlich von der Stiftung Ravensburger Verlag den mit 12 000 Euro dotierten Leuchtturm-Preis 2017 erhalten. Der Preis wird am 27. November in Berlin verliehen. »Über den Preis freuen wir uns ganz besonders«, sagt Inke Haußmann, »vor allem auch deshalb, weil wir uns gar nicht darum beworben hatten. Die Stiftung wurde von anderen auf unsere Arbeit aufmerksam gemacht«.
Mit dem Preisgeld will der Verein in Zukunft vor allem seine Öffentlichkeitsarbeit stärken, Broschüren herausgeben, die Fachbibliothek weiter ausbauen und geeignete Materialien anschaffen. Es gibt also noch viel Aufklärungsarbeit. (GEA)
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