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Aktuell Engagement

Alfons Reiske ist seit 50 Jahren im Lichtensteiner Gemeinderat

Warum ist Alfons Reiske über fünf Jahrzehnte immer wieder in den Lichtensteiner Gemeinderat gewählt worden? Ein Satz macht es deutlich: »Ich hab' den Leuten geholfen und fertig.«

Alfons Reiske sitzt seit 50 Jahren für die SPD am Lichtensteiner Ratstisch.
Alfons Reiske sitzt seit 50 Jahren für die SPD am Lichtensteiner Ratstisch. Foto: Sautter
Alfons Reiske sitzt seit 50 Jahren für die SPD am Lichtensteiner Ratstisch.
Foto: Sautter

LICHTENSTEIN. Nach zwei Stunden Gespräch mit Alfons Reiske schwirrt einem der Kopf. Eine Geschichte nach der anderen reiht sich auf, jede löst eine weitere aus. »Woischt?«, sagt er dann. Was weniger als Frage gedacht ist, sondern als Feststellung. Reiske kennt jeden, weiß viel und hat noch mehr zu erzählen. Manchmal ist es für seine Zuhörer eine Herausforderung, ihm zu folgen. Im April 1975 ist er nach dem Zusammenschluss von Unterhausen, Honau und Holzelfingen in den ersten Lichtensteiner Gemeinderat gewählt worden. Im darauffolgenden Juni hat er sein Amt angetreten und sitzt bis heute für die SPD am Ratstisch der Gemeinde. Das hat er gleich mehreren Umständen zu verdanken: Er ist im Ort präsent, hört zu, kümmert sich um die Anliegen der Bürger und packt oft genug auch selber mit an.

Auf die Welt kam Alfons Reiske in einem Internierungslager, einem Gefangenenlager, wie er sagt, in der Nähe Belgrads. Dort hat sein Vater, ein Donauschwabe, der Hitlers Afrikakorps angehörte, seine Mutter kennengelernt und die junge Familie war mit dem gerade geborenen Alfons 1950 zu Fuß nach München geflohen. »Wir waren immer nachts unterwegs«, schildert Reiske die Flucht seiner Eltern. Bis zum Bahnhof in München sei diese von serbischen Partisanen verfolgt worden. Die Flucht endete schließlich in Honau, wo sein Großvater eine Bleibe fand, nachdem er das Konzentrationslager Dachau überlebt hatte. Dort sperrten ihn die Nazis ein, weil er Juden zur Flucht verholfen hatte. Dass sein Großvater, bei dem er auch eine Zeit lang lebte, sein politisches Weltbild maßgeblich mitbestimmt hat, daraus macht Reiske kein Hehl: Bis heute seien die Zeiten des Nationalsozialismus in der Gemeinde nicht aufgearbeitet worden.

Im Armenhäusle groß geworden

Im Armenhäusle ist Reiske die erste Zeit groß geworden - auf 30 Quadratmeter mit sieben Geschwistern. »Zu fünft haben wir uns ein Doppelbett geteilt.« Die Zeit hat ihn geprägt, ist mit ein Grund, warum die SPD, wenn er auch manchmal mit ihr hadert, bis heute seine Partei ist. Ohne Solidarität kommt man nicht voran, sagt er unumwunden. An Gemeinsinn hat es Alfons Reiske nie gemangelt. Mit 15 Jahren leitet er gleich drei CVJM -Gruppen, engagiert sich später in der Gewerkschaft, bei den Jungsozialisten. Er ist kämpferisch. »Damals haben wir uns alles geheißen«, erinnerte er sich vor zehn Jahren im GEA gemeinsam mit Werner Vöhringer an die Anfangszeiten des Lichtensteiner Gemeinderats. Vöhringer hatte die Junge Union in Lichtenstein gegründet und war damals ebenfalls mit 24 Jahren zum ersten Mal in den Lichtensteiner Rat eingezogen. Naturgemäß spielte damals die Parteipolitik ein viel größere Rolle. Und die beiden wussten genau, wo sie standen.

Ob er sich mit dem Presslufthammer an den Wänden der Johanneskirche zu schaffen macht und bei der Sanierung hilft oder im Musikverein Lichtensteiner Blasmusik den Vorsitz übernimmt. Reiske ist all die Jahre da, wenn er gebraucht wird und legt selbst mit Hand an. Etwa beim Obst- und Gartenbauverein, wenn es darum geht, die Obstbäume der Gemeinde zu schneiden, aber auch im Lichtensteiner Gemeinderat, wo er sich mit Vehemenz für den Nussbaumweg wirbt oder sich für die Streuobstwiesenbesitzer einsetzt. Beim TSV Oberhausen sitzt er bei den Spielen 25 Jahre lang an der Kasse und noch einiges mehr: »Ich hab' den Leuten geholfen und fertig«, sagt er dazu. Dass er bei Bosch, wo er Werkzeugmacher lernt, später den Meister und Techniker macht, im Betriebsrat sitz und sich im Berufsbildungsausschuss der IG Metall engagiert, rundet das Bild ab. »Man muss die Menschen begleiten, sie an der Hand nehmen, zeigen, wie gearbeitet werden muss, dann kann es jeder zu etwas bringen«, daran glaubt er bis heute.

Lob auf die Nachsitzung

Ach ja, 30 Jahre im Kreisrat ist er gesessen, neben den ehemaligen SPD-Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt auch schon. Den Bundesverkehrsminister Volker Hauff hat er nach Lichtenstein gebracht, als der Neubau des Albaufstieg der B 312 im vorigen Jahrhundert ein großes Thema war. Apropos Albaufstieg, kommt der denn in absehbarer Zeit oder fährt die Regionalstadtbahn demnächst durch Lichtenstein? »Ich hab mal geglaubt, ich fahr' auf beiden.« Inzwischen tut er das nicht mehr. Die Stadtbahn sei zu teuer, der Albaufstieg wohl auch. »Deutschland ist zu langsam geworden, weil wir alles richtig machen wollen«, sagt der 74 -Jährige. Und schwärmt ein bisschen von den alten Zeiten, wo man mehr gemacht habe und auch etwas falsch machen durfte, wo wichtige Weichenstellungen auch mal in der Nachtsitzung eine Mehrheit fanden.

Macht's eigentlich nach 50 Jahren immer noch Spaß im Gemeinderat? Den Bettel hinschmeißen wollte er nie. Dass es mit der Modernisierung der Uhlandschule jetzt seit Jahren nicht wirklich vorangeht, darüber ärgert er sich aber richtig. Das Millionenprojekt will er noch in trockenen Tüchern sehen, dann ist für ihn Schluss. Bis zum Ende der Legislaturperiode bleibt er nicht im Gremium, sagt er, und verweist auf seine 74 Lenze. Was er dann macht, man wird sehen. Langweilig wird es ihm aber sicher nicht. Getreu seinem Motto: »Wenn du was tun willst, kannst du was machen.« (GEA)