PFULLINGEN. Einst war sie als Brautjungfer zu einer Hochzeit eingeladen, der ihr zugeteilte Brautführer wurde der Mann fürs Leben: Heute sind Irma und Rudolf Kaplan seit sage und schreibe 70 Jahren verheiratet und feiern das seltene Jubiläum der Gnadenhochzeit, was nur wenigen Paaren vergönnt ist.
»Wenn man immer seiner Arbeit nachgeht und nicht viel fragt, dann geht das«, scherzt der 93-Jährige auf die Frage, wie man es so lang mit der gleichen Partnerin aushalte, und blickt lachend und augenzwinkernd zu seiner Frau. Denn sein Leben sei stets mit Arbeit vollgepackt gewesen. Und eigentlich sei die Zeit sehr schnell vergangen, fügt seine Angetraute hinzu. Vor lauter arbeiten hätten sie beide einfach keine Zeit gehabt, über die Dauer ihrer Ehe nachzudenken, bestätigt Irma Kaplan.
Rückblickend war schon ihr Kennenlernen für heutige Verhältnisse sehr ungewöhnlich. Anfang der 1950er-Jahre haben sie beide Bekannte in die Kirche zu deren Hochzeit führen sollen, erinnert sich die gebürtige Eningerin. Denn früher seien ledige Hochzeitsgäste einfach paarweise zusammengestellt worden. »Das war da die Mode«, weil immer fünf oder noch mehr Brautführerpaare das Hochzeitspaar in die Kirche begleiten sollten. Rudolf, der in Unterhausen aufgewachsen ist und den sie bis dahin nicht kannte, sei ihr halt zugeteilt worden.
»Von da an sind wir zusammen gewesen und s’isch g’laufa«
Natürlich mussten sie auch miteinander tanzen, was aber sofort passte, weil beide sehr gern das Tanzbein geschwungen haben. So ging diese Hochzeit erst mal vorbei, aber schon acht Tage später seien sie zufällig wieder zusammengekommen. »Von da an sind wir zusammen gewesen und s’isch g’laufa«, stellt Irma ganz lapidar fest. Da haben ihre Eltern aufatmen können, dass wenigstens eines der zwölf Geschwister aus dem Hause gewesen sei, witzelt Rudolf.
Am 15. Oktober 1954 habe er seine Irma schließlich zum Altar führen können. Gefeiert wurde in Eningen in der Achalmbrauerei. Dass sie relativ schnell geheiratet haben, liege daran, dass sie sonst keine Wohnung bekommen hätten. »Da musste man mindestens ein Jahr verheiratet sein.« So blieben beide nach ihrer Hochzeit erst noch bei den Eltern wohnen. »Wir sind aufs Standesamt und in d’Kirch, dann wurde gefeiert und danach ist jeder wieder zurück ins Elternhaus«, erinnert sich Rudolf. Wohnungsangebote habe es danach wenige gegeben und bei manchen Behausungen, »sind sogar d’Henna davo’ g’laufa«, so furchtbar seien sie gewesen.
Auch ihre erste eigene Wohnung in Eningen »im Bären oben drin« sei nicht gerade berauschend gewesen. »Aber dafür haben wir es heute schöner«, urteilen die beiden übereinstimmend über ihr Haus, das sie 1973 in Pfullingen bauten. Während Irma Kaplan bei der Firma Büsing im Lager Bestellungen bearbeitete, war Rudolf Kaplan als Stuckateur bei der Firma Eugen Kimmerle beschäftigt. Allerdings sei sein beruflicher Weg nicht gerade verlaufen, berichtet er. Denn eigentlich habe er gerne Schumacher werden wollen, habe dann wegen Lehrstellenmangels zuerst den Beruf des Sattlers und Polsterers erlernt, bevor er die Ausbildung zum Stuckateur anhängte. »In dieser Zeit musste man halt einfach froh sein, wenn man überhaupt eine Stelle bekommen hat.« Als er mit 60 Jahren in die Rente ging, war er nicht wirklich glücklich. »Da hatte ich zu wenig Umtrieb.« Kurz entschlossen legte er im höheren Alter noch die Meisterprüfung als Stuckateur ab und machte sich mit einem kleinen Nebenerwerb selbstständig.
»I hab ihm immer s’Badewasser eing’lassa, dass er schnell fertig wird«
Beide waren aktive Sportler, sie als Leichtathletin, er als Hand- und Fußballer, auch reisten sie gern, zum Beispiel nach Italien, Spanien und sogar nach Kenia. Sie engagierten sich im Trachtenverein, tanzten als Schuhplattler mit, Rudolf Kaplan spielte zudem den Kontrabass.
Beide haben sie es genossen, auf Ausflüge zu gehen und sie bewirtschafteten ihren Garten. So seien die Tage einfach sehr schnell vergangen, meint der 93-Jährige. Seine Frau sei ihm dabei immer treu zur Seite gestanden, habe sich nicht beschwert oder sogar geschimpft, wenn er nach der Arbeit noch unterwegs sein wollte. »I hab ihm immer s’Badewasser eing’lassa, dass er schnell fertig wird«, schmunzelt Irma.
Vier Kinder hat das Paar in den Jahren 1956 bis 1964 bekommen, inzwischen haben sie neun Enkel und zehn Urenkel, zwei weitere sind gerade unterwegs. »Deswega hend mir so a große Stube«, sagt die Jubilarin und lacht. Ihr großes Ehejubiläum feiern sie heute allerdings in kleinerem Rahmen. »Sonst wird uns das Ganze zu viel.« (GEA)