LICHTENSTEIN. Eine Liebesheirat war's nicht. Eher eine freiwillige Zwangsverbindung. Aber sie hält. Unterhausener, Holzelfinger und Honauer feierten am Freitagabend 50 Jahre Lichtenstein. Der Festakt - natürlich in der Lichtensteinhalle - zeigte auf, dass die Eingemeindung von 1975 inzwischen für viele Bürger »Normalität ist«, wie es Bürgermeister Peter Nußbaum in seiner Rede betonte und die Gemeinschaft der drei Ortsteile in den vergangenen 50 Jahren viel erreicht hat, was die Kommunen alleine wohl nicht geschafft hätten.
Rund 250 Gäste, darunter auch die Landtagsabgeordneten Cindy Holmberg (Grüne) und Rudi Fischer (FDP), Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner und sein Sonnenbühler Amtskollege Uwe Morgenstern, feierten in der herbstlich geschmückten Lichtensteinhalle. Nußbaum erinnerte in seiner Rede an den schwierigen Start. Denn weder Holzelfingen noch Honau hatten Lust auf die Verbindung. Mehr als 80 Prozent ihrer Bürger hatten sich damals gegen eine Eingemeindung ausgesprochen, erreichten damit aber nichts. Die Gebietsreform des Landes hatte das Ziel, größere und leistungsfähigere Gemeinden zu schaffen. Durch diese Reform reduzierte sich die Zahl der Gemeinden von 3.379 im Jahr 1968 auf 1.111 zum 1. Januar 1975. Die Meinung der Bürger spielte dabei landauf, landab keine große Rolle. Allerdings wurde den Kommunen, die sich freiwillig zusammenschlossen, die Zwangsheirat finanziell schmackhaft gemacht. Ein Angebot, dem auch Holzelfingen und Honau nicht widerstehen konnten.
Holzelfinger wollten lieber auf der Alb bleiben
Wie das damals war, davon sollten an diesem Abend eigentlich die ehemaligen Bürgermeister Jürgen Richter (Holzelfingen) und Dieter Winkler (Honau) in einer Runde mit Nußbaum berichten. Doch die Talkgäste mussten krankheitsbedingt absagen. »Sie wären gerne dabei gewesen.« Stattdessen standen die aktuellen Ortsvorsteher Martin Schwarz (Holzelfingen) und Wilfried Schneider (Honau) Rede und Antwort. Allerdings waren beide nicht die idealen Zeitzeugen. »Ich war damals gerade 18 und hatte andere Interessen als die Eingemeindung«, räumte Schneider mit einem Schmunzeln ein. Und Schwarz ist in Unterhausen aufgewachsen, aber inzwischen ein Holzelfinger geworden und sagte deshalb: »Wir wollten lieber auf der Alb bleiben.« Er erinnerte - wie zuvor Nußbaum - an eine Geschichte, die sich hartnäckig hält. Demnach hätten die Landesbeamten damals überhaupt nicht gewusst, dass zwischen Unterhausen und Holzelfingen eine Steige liegt: Sie legten demnach ihren Planungen eine Karte ohne Höhenprofil zugrunde. »Der Weg ins Tal war schwer und ist auch heute noch nicht immer leicht«, fügte der Holzelfinger Ortsvorsteher an.
Und wie ging's nach dem Zusammenschluss weiter. »Wir haben unser Bädle erhalten können, weil wir zusammengehalten haben«, erklärte Schwarz mit Blick auf vergangenen Diskussionen um das kleine Lehrschwimmbecken in der Holzelfinger Schule. Und das Bädle soll auch in Zukunft erhalten werden, appellierte Schwarz angesichts der drohenden Sparrunden. Letztlich war er sich aber mit Schneider einig, der sagte: »Unterhausen hat uns nie im Regen stehen lassen.« Honaus Ortsvorsteher erinnert sich dann auch nur an ein gravierendes Ereignis in den vergangenen Jahren. Da hatte sich der Honauer Ortschaftsrat vor Jahren nach langen Diskussionen darauf festgelegt, dass die Bushaltestellen rot gestrichen werden sollten, der Gemeinderat sah's anders, sie wurden grün angemalt. »Heute lache ich darüber.« Damals, erklärte Schneider weiter, sei das als Angriff auf den Ortschaftsrat und seine Befugnisse gewertet worden. »Wenn das alles war, ist es nicht so dramatisch«, bilanzierte Honaus Ortsvorsteher.
Gemeinsam viel erreicht
Die Eingemeindung ist zur Normalität geworden, betonte dann auch Bürgermeister Nußbaum. Wenn man auf die Entwicklung der Gemeinde blicke, »dürfen wir gewiss mit Stolz feststellen, dass gemeinsam viel erreicht und gestaltet wurde«. Das Spektrum reiche von der Modernisierung der Wasser- und Abwasserversorgung, der Erschließung neuer Wohngebiete über die Gestaltung der Ortsmitten bis zum Ausbau der kommunalen Einrichtungen, Schulen, Hallen und Bäder und nicht zuletzt der Kinderbetreuung. »Wenn wir uns ehrlich machen, ließen sich viele der Projekte auch finanziell nur als Gesamtgemeinde auf den Weg bringen.« Aktuellstes Beispiel sei der Glasfaserausbau.
»Ohne die vielen Ehrenamtlichen in unseren Vereinen, Feuerwehren, Kirchengemeinden wäre Lichtenstein nicht das, was es heute ist«, betonte Nußbaum. Sie gestalteten das Leben vielfältig und gut - über die Ortsgrenzen hinweg. »Das Ehrenamt ist der Kit unserer Gesellschaft«, lobte auch Landrat Dr. Ulrich Fiedler in seinem Grußwort. »Sie machen die Gemeinde aus, Ihnen gehört das Jubiläum.« Das Engagement mache eine Gemeinde lebenswert. Die Bedeutung werde größer angesichts einer Gesellschaft, die drohe auseinanderzubrechen, denn diejenigen, die mit Ellenbogen durchs Leben liefen, nähmen überhand.
Schnelle Lösung für den Albaufstieg gefordert
Einig waren sich Landrat und Bürgermeister, dass die Finanzlage der Kommunen katastrophal ist: »Wir waren noch nie in einer Situation wie dieser«, erklärte Fiedler. Nußbaum fordert neben der Verbesserung der finanziellen Situation, einen schnellen Abbau bürokratischer Hürden und auch ein kritisches Hinterfragen der Fülle von staatlichen Leistungsangeboten und Standards. Als Negativbeispiel nannte er in diesem Zusammenhang die auf einem guten Weg gewesene Planung für den Neubau des Albaufstiegs der B 312. Die lang favorisierte Deckeltrasse genügt nicht mehr den neusten Standards. »Was bringen diese, wenn sie sich in der Praxis nicht realisieren lassen?«, sagte Nußbaum angesichts der immensen Kosten der alternativen Trassenvariante. Der unzumutbare Istzustand dürfe keine Dauerlösung werden. »Wir werden gemeinsam dafür kämpfen«, versprach Fiedler, »und aufzeigen, dass wir eine schnelle Lösung brauchen«.
Fiedler nutzte die Gelegenheit, um Werbung für die Regional-Stadtbahn zu machen. Lichtenstein zeige die Heterogenität des Landkreises - städtisch geprägte und dörfliche Strukturen. »Wir haben den Anspruch, gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen.« Dafür brauche man eine Mobilität, die das abbilde. Für ihn ist die Regional-Stadtbahn eines der größten Zukunftsprojekte: »Ich bin überzeugt, dass es den Landkreis und Lichtenstein voranbringt.«
Kulinarische Pause
Dass die Mobilität ein zentrales Thema für die Lichtensteiner ist, zeigte sich später bei der Einwohnerversammlung, das Gros der Gäste wollte dazu mehr erfahren. Doch zuvor lud die Gemeinde noch zu einer kulinarischen Pause mit Getränken und Häppchen ein. Die hatte der Chor Canvas aus Holzelfingen musikalisch eingeleitet. Begrüßt hatte die Gäste der Jugendchor des Sängerbunds Lichtenstein mit Liedern aus der Wunderwelt von Disney.
Rund um die Stehtische und eine kleine Bild-Ausstellung zu Lichtenstein früher und heute entstand eine lockere Atmosphäre, die Bürger genossen sichtlich die Begegnungen und das Miteinander. Manche ließen sich nur schwer dazu bewegen, bei der folgenden Einwohnerversammlung wieder in die Tiefen der Gemeindepolitik einzutauchen. Gleichwohl nutzten viele Gäste die Gelegenheit, an vier verschiedenen Orten im Hallenkomplex mehr über die Haushaltslage der Gemeinde, die Sanierung der Uhlandschule, über den Beitritt zum Biosphärengebiet Schwäbische Alb und natürlich den Albaufstieg und die Stadtbahn zu erfahren und damit den Aufgaben und den Herausforderungen der kommenden Jahre zu begegnen. Oder wie es Nußbaum formuliert hatte: »Gut gemacht Lichtenstein! Und auf die nächsten 50 Jahre!« (GEA)




