LICHTENSTEIN. Unkompliziert, freundlich, aber direkt und voller Energie: Bärbel Mayer schnappt sich schnell zwei Kisten aus dem Geräteraum der Uhlandturnhalle: »Geht das so, oder brauchen wir auch noch ein Tischchen?« Braucht’s nicht, um über 30 Jahre Eltern-Kind- und Vorschulturnen des TV Unterhausen (TVU) zu sprechen. Heute begrüßt sie jedes Kind zum letzten Mal. Dann hängt Bärbel Mayer zum Leidwesen vieler Eltern ihr Ehrenamt als Übungsleiterin an den Nagel.
Aufgewachsen ist Bärbel Mayer im Entensee in Pfullingen. Damals hatten - nicht nur dort - Autos Seltenheitswert: »Wir konnten auf der Straße Verstecki spielen«, erinnert sich die 63-Jährige. Auf die Laiblinschule ist sie gegangen, hat die Mittlere Reife an der Wilhelm-Hauff-Realschule gemacht. Mit 14 lernt sie dort ihren späteren Mann kennen. Drei Kinder haben sie, zwei Töchter und einen Sohn: »Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit zwei Kindern an der Hand und einem im Buggy, den Kassettenrekorder umgehängt, in Richtung Turnhalle unterwegs war.« Wie sie das damals alles geschafft hat? »Das weiß ich auch nicht«, sagt sie und lacht.
Für die Kinder da sein
Konditoreiverkäuferin hat sie in Reutlingen gelernt – auch weil es damals keine Lehrstelle als Erzieherin gab. Das wäre sie gern geworden. Doch Verkäuferin hat ihr auch Spaß gemacht, vor allem der Umgang mit den Menschen: »Das wollte ich schon immer«, ergänzt sie. In der Wilhelmstraße wechselte sie nach der Ausbildung die Straßenseite. Das Miedergeschäft hatte sich um die junge Pfullingerin bemüht. Als ihr später einmal die Übernahme des Geschäfts angeboten wurde, lehnte sie ab. »Ich wollte Kinder«, erklärt Bärbel Mayer und das sei für sie nicht mit der Führung eines Geschäfts in Einklang zu bringen gewesen. »Ich wollte für meine Kinder da sein, zu Hause sein, wenn sie aus der Schule kommen, Ihnen etwas Warmes auf den Tisch stellen, sie trösten, loben und erziehen können.« Die 63-Jährige weiß, dass das heute kaum mehr vorstellbar ist.
Aber Bärbel Mayer weiß bis heute genau, was sie will. Das sagt sie auch. Wenn’s mal nicht so klappt im Eltern-Kind-Turnen, eins der Kinder etwas aus dem Ruder läuft, dann nimmt sie den kleinen Störenfried bei der Hand: »Du bleibst jetzt mal bei mir.« Den Eltern macht sie deutlich: Wer damit nicht zurechtkommt, kann sein Kind, so leid es ihr tut, nicht in ihren Kurs bringen. Weggeblieben ist in den 30 Jahren noch keiner. Auch nicht, wenn sie den Eltern klarmacht, dass in dieser Stunde die ganze Aufmerksamkeit den Kindern gehört. Den Kaffeeklatsch könne man hinterher machen. »Bewegung und Erziehung ist so wichtig für die Kinder«, die nicht mehr so rauskommen auf die Gass' wie früher. Deshalb sei es wichtig, dass sie in den Verein gehen. Dort könnten sie sich ausprobieren, Selbstbewusstsein tanken, sagt sie, erfahren, dass man was schaffen kann.
Schnell Anschluss gefunden
Als sie damals nach Unterhausen gezogen sind, findet sie schnell Anschluss. Die Schwestern ihres Mannes sind im CVJM und im TV Unterhausen (TVU) aktiv. Beim CVJM gründet sie ihre erste Eltern-Kind-Gruppe, macht dann den Trainerschein und übernimmt das Eltern-Kind-Turnen beim TVU und auch das Vorschulturnen. Sie engagiert sich im Elternbeirat des Kindergartens, wird Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, später auch an den Schulen.
Nur Familie, das reichte ihr nicht, räumt sie ein, sie habe auch Bestätigung außerhalb gesucht. Die hat sie bekommen. Bärbel Mayer ist mit die treibende Kraft für die Gründung der Kinderinsel, über viele Jahre die Anlaufstation für Mütter, die ihren Nachwuchs mal kurz und unkompliziert sicher unterbringen wollten - sei es wegen eines Arztbesuchs oder eines Frisörtermins. Mit den Gründerinnen der Kinderinsel bringt Mayer die Kinderkleiderbörse auf den Weg, startet den ersten Mädchenflohmarkt. Ach ja, die Ausbildung zur Tagesmutter absolviert sie ebenfalls. Heute arbeitet sie in der Altenbetreuung. Auch dort gehe es darum, die Menschen bei der Hand zu nehmen, zu motivieren, etwas zu versuchen.
Jede Menge Energie
Die Energie, die hinter diesem Engagement über Jahrzehnte steckt, wird auch während des Gesprächs sichtbar. Bärbel Mayer redet, lacht, gestikuliert und man glaubt es kaum, wenn sie sagt: »Ich bin schon etwas ruhiger geworden. Heute kann ich mich hinsetzen, ein Buch lesen und es verstehen«, erklärt sie augenzwinkernd und springt auf, die ersten Kinder tröpfeln langsam ein und noch ist ja keine Bewegungslandschaft aufgebaut. Nur der Mattenwagen steht mitten in der Uhlandhalle. Dort sitzen gleich die Ankömmlinge mit ihren Eltern. Sie alle wollen ganz selbstverständlich mit Bärbel aufs Bild. »Was will man denn mehr, wenn man so wertgeschätzt wird von den Leuten?«, sagt sie zum Abschied. Das Finanzielle sei wichtig, »aber manches kann man nicht bezahlen.« (GEA)