KREIS REUTLINGEN. Am dritten Verhandlungstag ist jetzt das Urteil gegen einen Musiklehrer aus dem Kreis Reutlingen gefallen. Zwei Jahre und sechs Monate Haft stehen dem Angeklagten bevor, der sich seit Prozessbeginn Ende März vor dem Schöffengericht des Reutlinger Amtsgerichts wegen des sexuellen Missbrauchs zweier seiner Schülerinnen verantworten musste. Der Vorwurf: Er soll während des Einzelunterrichts die Mädchen belästigt und angefasst haben, während sie gemeinsam am Schluss des Unterrichts Musikvideos geschaut haben. Außerdem soll er einem Mädchen sogar einen Kuss auf die Wange gegeben haben. Die beiden Geschädigten waren zum Tatzeitpunkt vermutlich sieben und elf Jahre alt.
»Manchmal ist es schon erschreckend«, eröffnet Richter Eberhard Hausch die Urteilsverkündung, der die nichtöffentlichen Schlussplädoyers vorangegangen waren. Er verstehe nicht, wie ein Angeklagter in Teilen seine Schuld zugeben könne und trotzdem in seiner Verteidigungslinie auf einen Freispruch aus sei. Es seien vor allem zwei Gründe, die eine niedrigere Strafe nicht möglich gemacht hätten: die fehlende Einsicht und die Tatsache, dass er nicht an seinen vermeintlichen sexuellen Vorlieben mit psychologischer Hilfe gearbeitet hätte.
Nicht Vorbestraft
Zwar könne ihm, so erklärt es Richter Hausch, einiges zugutegehalten werden: Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, sei nie unterhalb des Brustbereichs übergriffig geworden, habe abgelehnt, die beiden Geschädigten zum richterlichen Verhör vorzuladen, sei jetzt schon sozial gebrandmarkt und kämpfe mit Depressionen. Doch gleichwohl habe er als Musiklehrer »mehr als ein inadäquates Verhalten« an den Tag gelegt.
Richter Hausch spricht von einer »Geschichte, die mit Struktur orchestriert« wurde: Die Musikvideos zum Ende des Unterrichts, sein unangemessenes Verhalten in den Chats mit den Geschädigten und das Verschenken von Fußkettchen und Armreifen seien klare Indizien, dass der Angeklagte sich in seiner Position als Musiklehrer untypisch verhalten habe.
Keine Bewährung
Eine Bewährung gebe es daher keine. »Das kann man nicht zur Bewährung setzten und das ist gut so«, sagt Richter Hausch. Das Gericht könne sich nicht sicher sein, dass sich der Fall nicht wiederholen könnte, weil der Angeklagte bisher noch keine Behandlung seiner vermeintlichen Vorliebe in Betracht gezogen hätte.
Es gebe aber die Möglichkeit, in Berufung oder Revision zu gehen. Der Antrag dazu müsste bis spätestens kommenden Freitag dem Reutlinger Amtsgericht vorgelegt werden. »Jetzt müssen wir das Ganze erst einmal sacken lassen«, sagt Verteidiger Urs-Gunther Heck nach der Urteilsverkündung, die er als hart empfindet. Das Thema Berufung sei aber noch nicht vom Tisch. (GEA)
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Dr. Utz Wagner, Lukas Bertsch. Staatsanwältin: Franziska Hipp. Verteidiger: Urs-Gunther Heck. Zwei Nebenklägerinnen.