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Aktuell Sterbebegleitung

Dafür setzt sich die Hospizgruppe Pfullingen seit 30 Jahren ein

Die Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke« begleitet Sterbende in ihren letzten Stunden. Mitglieder berichten, wie sich die palliative Versorgung in den vergangenen Jahren verändert hat und was es mit ihnen gemacht hat, dem Tod so oft ins Auge zu blicken.

Sabine Wolf (von links), Elfriede Krautter und Cornelia Schad von der Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke«.
Sabine Wolf (von links), Elfriede Krautter und Cornelia Schad von der Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke«. Foto: Weber
Sabine Wolf (von links), Elfriede Krautter und Cornelia Schad von der Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke«.
Foto: Weber

PFULLINGEN. Der Tod macht Cornelia Schad schon lange keine Angst mehr. Ganz im Gegenteil, schon viele Male hat sie ihm in die Augen geblickt. Schon seit einem Vierteljahrhundert begleitet sie, als eine von aktuell elf Ehrenamtlichen der Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke«, Sterbende in ihren letzten Stunden, leistet ihnen am Sterbebett Beistand, ist für sie da.

Vor 30 Jahren wurde die ökumenische Gruppe auf Initiative des damaligen evangelischen Pfarrers Reinhart Haug und Ingrid Eggert gegründet. Menschen verschiedener Konfessionen und Weltanschauungen kommen dort zusammen, verbunden durch den Grundgedanken der Hospizbewegung, dem Einsatz für ein Sterben in Würde. Die 78-jährige Schad ist fast von Anfang an mit dabei.

Hauptsächlich tagsüber und stationär

In 30 Jahren habe sich viel verändert, blickt sie zurück. Der Name etwa. Geblieben ist zwar »Die Brücke« in Anspielung auf Thornton Wilders Roman »Die Brücke von San Luis Rey«, in dem der Einsturz einer Hängebrücke in den Anden Fragen aufwirft über die Bedeutung des Lebens und des Todes, von Sinn und Schicksal. Aus der »Sitzwachengruppe« ist mittlerweile allerdings die »Hospizgruppe« geworden. Damit sei auch der Entwicklung der vergangenen Jahre Rechnung getragen worden, erklärt Schad. Anfangs hätten die Ehrenamtlichen den Sterbenden hauptsächlich nachts zu Hause Beistand geleistet. In drei Schichten hätten sie so bisweilen komplette Nächte abgedeckt. Heutzutage würde die Begleitung eher tagsüber und in den frühen Abendstunden stattfinden und zudem hauptsächlich stationär.

Das habe auch damit zu tun, dass die Gruppe von seinerzeit rund 20 Mitgliedern auf aktuell 11 Engagierte geschrumpft ist. Zudem seien viele langjährige Mitglieder ebenfalls älter geworden und könnten die sehr intensiven Nachteinsätze auf Dauer nicht mehr leisten. In allen drei Pfullinger Altenheimen stehen die Ehrenamtlichen Sterbenden und ihren Angehörigen zur Seite. Die Einsätze im häuslichen Bereich koordiniere der Ambulante Hospizdienst Reutlingen, mit dem man gut zusammenarbeite.

Vieles zum Positiven verändert

Was Schad aber besonders betont: »In den 30 Jahren hat sich viel zum Positiven verändert.« Unter anderem die palliative Versorgung ganz im Allgemeinen. Im Reutlinger Krankenhaus gibt es seit fast zehn Jahren eine Palliativstation, außer dem Hospiz in Eningen, das 2002 eröffnet wurde, gibt es in der Region heute noch zwei weitere - eines in Tübingen, eines in Münsingen. Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) der Kreiskliniken habe sich gut eingespielt, so Schad, und im Palliativnetzwerk des Landkreises haben sich zudem verschiedene Akteure zusammengeschlossen, um die palliative Versorgung weiter zu optimieren.

Auch »Die Brücke« bietet als Teil dieses palliativen Netzwerkes ihre Dienste an. Pflegerische Aufgaben übernehmen die Ehrenamtliche dabei nicht. »Wir geben menschlichen Beistand«, beschreibt Schad die ehrenamtliche Tätigkeit. Einem Sterbenden die Hand halten, dafür sorgen, dass der Mund nicht austrocknet, wenn das Bedürfnis zu trinken bereits abgenommen hat, oder aber einfach da sein: All das umfasst die Tätigkeit der Sterbebegleiter.

Zuwendung und Nähe für die Sterbenden

Auch Musik nutzen die Ehrenamtlichen immer wieder gerne, bringen etwa Klangschalen zum Klingen oder spielen die Veeh-Harfe. Mit dem Singen oder Summen alter Kirchenlieder habe man ebenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht, ergänzt Sabine Wolf, die sich ebenfalls schon seit mehr als 25 Jahren bei der »Brücke« engagiert. »Zuwendung und Nähe sind Grundbedürfnisse - das brauchen wir in der Gesellschaft«, betont sie und beschreibt damit zugleich ihre Motivation, sich in diesem Bereich zu engagieren.

Ganz neu mit im »Brücke«-Team ist die 70-jährige Elfriede Krautter. Sie hat vor einigen Jahren gemeinsam mit ihren Geschwistern ihre an Alzheimer erkrankte Mutter bis zu ihrem Tod gepflegt. Für sie sei dies der Anstoß gewesen, auch andere Menschen in ihren letzten Stunden begleiten zu wollen, erklärt sie.

Unterstützung von verschiedenen Seiten

Grundsätzlich sei »jeder, der sich die Arbeit zutraut und über Empathie verfügt, willkommen«, betont Cornelia Schad. Auf die emotional anspruchsvolle Arbeit vorbereitet werden Interessierte zudem mit verschiedenen Fortbildungen, die die evangelische Kirchengemeinde finanziert. Auch die Möglichkeit, einen Vorbereitungskurs beim Ambulanten Hospizdienst zu besuchen, bestehe, erklärt Schad. Die Kosten dafür würden vom evangelischen Krankenpflege- und Diakonieverein übernommen, ebenso leiste die katholische Kirchengemeinde immer wieder finanzielle Unterstützung für die Hospizgruppe.

Krautter, Wolf und Schad beobachten, dass der Umgang mit Tod und Sterben sich in den vergangenen 30 Jahren ebenfalls verändert habe. »Sterben ist heute keine absolute Tabuzone mehr«, sagt Schad. Wenngleich alle drei sich wünschen, dass das Thema gesellschaftlich noch selbstverständlicher wird. »Sterben und Tod gehören mit zum Leben dazu, man muss sich damit befassen«, so Schad. Und Wolf geht sogar noch weiter: »Es sollte den gleichen Stellenwert haben, wie eine Geburt«, findet sie. Auf diese würde man sich ganz selbstverständlich mit Kursen vorbereiten, ähnliches sollte aus ihrer Sicht auch für den Umgang mit dem Tod gelten.

Weitere Ehrenamtliche sind willkommen

Alle drei Sterbebegleiterinnen empfinden ihre ehrenamtliche Tätigkeit als persönlich bereichernd. »Man gewinnt viel für sich selbst dazu«, sagt Schad, bekomme Dankbarkeit und Anerkennung. »Es tut einfach gut - auch für das eigene Leben«, so Wolf. Die drei wissen aber auch, dass sie Acht auf sich und ihre Kräfte geben müssen. Die zweimonatlichen Gruppentreffen werden unter anderem dazu genutzt, um sich über schwierige Momente und Begleitungen auszutauschen. Denn es gilt: »Man kann nur gut begleiten, wenn es einem selbst gut geht«, sagt Krautter.

Für die Zukunft der Gruppe würden sich die drei noch über weitere Freiwillige freuen, die als Brücke-Mitglieder Sterbende auf ihrem Weg begleiten möchten. Denn in einem weiteren Punkt sind sich die drei ebenfalls einig: »Zeit ist heutzutage das Kostbarste, das man geben kann.« (GEA)

Vortrag: Was ist gute palliative Begleitung?

Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens lädt die Hospizgruppe Pfullingen »Die Brücke« zu einem Vortrag am Dienstag, 21. November, 18.30 Uhr, in die Begegnungsstätte Kutscherhaus, Hohmorgenstraße 15 (Eingang von der Parkseite), ein.

Die Eninger Ärztin Dr. Barbara Dürr wird sich in diesem Vortrag mit der Frage beschäftigen: »Was macht gute palliative Begleitung aus?« Sie erläutert die sechs Bausteine der palliativen Versorgung im häuslichen Bereich. Dabei geht es sowohl um die notwendige medizinische als auch um die psychosoziale Betreuung. Aufgezeigt wird, wie sich die letzte Lebenszeit eines Menschen würdevoll gestalten lässt. Anschließend gibt es einen kleinen Empfang. Der Eintritt ist frei. (GEA)