LICHTENSTEIN-HONAU. Vor »über 1 000 Jahren hat es vermutlich am gleichen Platz, wo heute die Galluskirche steht, schon ein Gotteshaus gegeben, als Honau zum ersten Mal erwähnt wurde«, steht auf der Homepage der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Unterhausen-Honau geschrieben. Ganz so alt ist der Honauer Kirchenchor beileibe nicht, doch kann er dieses Jahr immerhin sein 100-jähriges Bestehen feiern.
Im Spätherbst 1923 wurde die Singgruppe von Karl Henßler ins Leben gerufen, die erste Chorprobe fand am 20. November statt, etwa zwanzig Sänger waren dabei. Und nur einen Monat danach wurde vom Kirchengemeinderat eine neue Sitzordnung in der Kirche festgelegt. »Den Sängern muss ein beständiger Platz eingeräumt werden«, heißt es etwa in einem Sitzungsprotokoll vom 28. Dezember 1923. Dadurch war der Kirchgang-Frieden wohl ein wenig durcheinandergekommen. Denn am 30. April 1924 wurde der obige Beschluss nachdrücklich gerechtfertigt. »Seit dem Kirchenchor die Plätze unter der Orgel angewiesen sind, haben die Ledigen auf der Orgel zu sitzen. Das scheint den Ledigen deswegen nicht zu passen, weil sie nun unter den Augen des Organisten sind«. So wurde zusätzlich bestimmt, dass auf diese Sitzordnung streng zu achten sei. Und: »Widerrechtliche werden vor den K.G.Rat vorgeladen«.
So streng wie in den Anfangsjahren geht es beim Honauer Kirchenchor schon lange nicht mehr zu. Obwohl es auch Zeiten gegeben habe, in denen Pausen in den Singstunden streng getrennt nach Geschlechtern abgehalten wurden, weiß Andrea Alle. »Das war aber glaube ich mehr dem Zweck geschuldet, dass der Chorleiter dann mit Damen und Herren getrennt besondere Liedstellen intensiv üben konnte.« 1925 wurde der Chor Mitglied im Kirchenchorverband, 1928 wurde der »Gölz« bestellt, das Chorgesangbuch des Kirchenmusikdirektors Richard Gölz, dessen Lieder bis heute im Repertoire des Chores zu finden sind.
Während des Zweiten Weltkrieges musste die Singgruppe – wie so viele andere Vereine – eine lange Pause einlegen. Leider seien von der Wiedergeburt des Chors nach Beendigung der Kriegswirren nicht mehr viele Ereignisse in den Annalen eingetragen, bedauert Alle. Aber glücklicherweise können noch einige der Sänger von so manchem Erlebnis erzählen. So wie Sigrid Häbe, die seit ihrer Konfirmation und damit seit sage und schreibe 75 Jahren mitsingt.
Reise nach Voreppe
»Vorher hat’s einen Kinder- und Jugendchor im Jugendkreis gegeben und danach sind wir automatisch in den Kirchenchor übergewechselt«, erzählt die rüstige Dame. Besonders gern erinnert sie sich an das erste Konzert 1991 unter Leitung von Steffen Hinger, der den Kirchenchor ein Jahr vorher übernommen und bis zu seinem überraschenden und allzu frühen Tod 2012 geleitet hatte. »Dass mir als kleiner Chor überhaupt so a Konzert g’schafft hend, die meisten von uns konnten ja gar keine Noten lesen, und dann zsamma mit dem Thomas Selle-Ensemble«, ist die heute 89-Jährige immer noch erstaunt, denn außer gesanglicher Umrahmung bei Gottesdiensten, Hochzeiten oder Beerdigungen hatte der Chor vorher noch nie ein Konzert gegeben.
Eine Konzertreise 1998 nach Voreppe ist Margarete Dreyer, die ebenfalls seit 75 Jahren Sängerin des Kirchenchors ist, im Gedächtnis geblieben. »Des war richtig klasse«, findet sie, wobei Manfred Stahlecker meint, dass der Empfang in Grenoble, wo sie ein zusätzliches Konzert gesungen hatten, »viel feudaler als in der französischen Partnerstadt war«, wie auch Thomas Rieger bestätigt. Ein absoluter Höhepunkt für den Chor sei ein Auftritt im Fernsehen Mitte der 1990er-Jahre gewesen, findet Dreyer. Da hatte der Chor bei der Aufzeichnung für die Sendung »Die schwäbische Weihnacht« mit dem Schauspieler Walter Schultheiß im dritten Fernsehprogramm in der Gomadinger Martinskirche singen müssen. »Die Aufnahmen sind allerdings schon im Sommer gemacht worden«, erklärt Alle mit einem Lachen. »Da wurden blaue Folien an die Fenster geklebt, um den Fernsehzuschauern winterliches Flair und kalte Temperaturen vorzugaukeln«. Das Schwierigste sei dabei gewesen, dass sie die bekannten Weihnachtslieder in schwäbischem Dialekt singen mussten. »Aber Gott sei Dank sind die Lieder vorher aufgenommen worden und beim Dreh mussten wir nur noch die Mundbewegungen simulieren«, so Stahlecker grinsend.
Konzert im Ulmer Münster
Ein Weihnachtskonzert gemeinsam mit dem Heeresmusikkorps Ulm Anfang der 2000er-Jahre im Ulmer Münster werden die Sänger wohl auch nicht vergessen. »Doa send mir mit dem Bundeswehr-Bus abgholt und später wieder hoim quer durchs damalige Münsinger Sperrgebiet, heute das Biosphärengebiet gfahra worda«, erinnert sich Rieger. 2002 führte der Chor die Oper »Der Lichtenstein« von Peter Joseph von Lindpaintner in der Lichtensteinhalle auf. »Die Noten hierfür kamen aus dem Hauff-Museum.«
1998 sei sie nach Lichtenstein gezogen, erklärt Manuela Eiche. Weil sie sich völlig fremd vorgekommen sei, habe sie in der Nachbarschaft gefragt, wo man hier singen könne, weil sie dies schon seit vielen Jahren gerne gemacht habe. »Wenn man was Richtiges singen will, geht man zum Kirchenchor nach Honau« habe sie als Auskunft bekommen. Bei ihrem ersten Besuch dort sei ihr nur ein Gedanke durch den Kopf geschossen: »Das ist toll, was diese Truppe bringt.« Inzwischen bilanziert sie, »durch diese wunderbare Gemeinschaft hier kommt einfach richtig gute Musik raus«. Was sie alle sehr gefreut habe, war 2012 das Angebot von Benedikt Hinger, das Dirigentenamt seines Vaters übernehmen zu wollen, sagt Alle. »Der hatte schon als kleiner Knirps im Chor mitgewirkt und die Pauke geschlagen.«
Probewochenenden in Ochsenhausen, Fischbach am Bodensee oder des Öfteren in Obermarchtal mit mancher schier überbordenden »Nachprobe«, allerlei interne Geburtstagsfeiern, eine englische Messe oder Singen von Gospels, viele schöne Erinnerungen können die Sänger im Jubiläumsjahr Revue passieren lassen. »Aber am wichtigsten für uns war und ist immer das Singen bei den Gottesdiensten und die jährlichen Konzerte sowohl in der Galluskirche in Honau als auch in der St. Martinskirche in Großengstingen«, fügt Chorleiter Benedikt Hinger hinzu.
Zurzeit singen rund 30 Personen im Chor mit, für die Jubiläumskonzerte am 11. und 12. November könnten aber gerne noch Sänger dazukommen, sagt Hinger. Jetzt wird aber erst mal für den Festgottesdienst am Sonntag, 21. Mai, um 10 Uhr in der Honauer Galluskirche noch fleißig geübt, schließlich wollen die Sänger mit einem Querschnitt durch das Kirchenjahr »hoffentlich viele Zuhörer« beeindrucken. (GEA)