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Aktuell Prozess

Wohnen im Eninger »Arbachtal« ist unzulässig

Vertreter des Verwaltungsgerichts Sigmaringen waren in Eningen. Thema war das - eigentlich unzulässige - Wohnen im Gewerbegebiet »Arbachtal«. So lief der Termin.

Das Gebäude in der Grafentalstraße im Eninger »Arbachtal«.
Das Gebäude in der Grafentalstraße im Eninger »Arbachtal«. Foto: Uwe Sautter
Das Gebäude in der Grafentalstraße im Eninger »Arbachtal«.
Foto: Uwe Sautter

ENINGEN. Es ist ein alter Konflikt, der demnächst ein Ende finden könnte. Seit Jahren wohnen im Eninger Gewerbegebiet »Arbachtal« unzulässig Menschen. Seit über 25 Jahren lebten dort Menschen, die dort ihre Kinder großgezogen haben und die, wie sie selber sagen, es nie als störend empfunden hatten, im Gewerbegebiet zu leben. Die Gemeinde hatte dies lange Zeit geduldet und dabei, wie der damalige Bürgermeister Alexander Schweizer zu Beginn des Konfliktes sagte, »beide Augen zugedrückt«. Vor etwa fünf Jahren reichte deswegen aber ein Nachbar Klage vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen die Gemeinde ein, weil diese nicht gegen das Wohnen vorging.

Damals reagierte die Gemeinde unter Bürgermeister Schweizer mit Briefen an die Betroffenen, in denen er deutlich machte, dass sie beabsichtige, den Bewohnern »gegenüber eine Anordnung zu erlassen, die ihnen die Nutzung der Räume« untersagt. Im Klartext: Sie müssen raus. Große Sorge machte sich damals breit, neun Mietparteien bangten damals um ihre Bleibe. Vorausgegangenen waren scheinbar Nachbarschaftsstreitigkeiten in der Grafentalstraße, die überhaupt erst zur Klage geführt hatten. Es habe Spannungen zwischen dem Wohnen und dem Gewerbe gegeben, vor allem wegen des Lärms. Daraufhin hatten in diese Streitigkeiten involvierte Gewerbetreibenden Klage gegen die Gemeindeverwaltung eingereicht und forderten das Ende der illegalen Wohnnutzung.

Gescheiterter Einigungsversuch

Nach einem ersten Verhandlungstermin im Jahr 2022 und einem gescheiterten Einigungsversuch, wurde der Fall jetzt weiterverhandelt. Dazu kamen Vertreter des Sigmaringer Verwaltungsgerichts nach Eningen. Zum rechtlichen Hintergrund: »Wohnen im Gewerbegebiet widerspricht grundlegenden baurechtlichen Vorgaben«, lies Ortsbaumeisterin Angela Spoljar Anfang Mai in einer Mitteilung der Gemeinde verlauten - sie und Bürgermeister Eric Sindek vertreten im Prozess die Gemeinde. Gemäß der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sei Wohnen im Gewerbegebiet nur in Ausnahmen, etwa für Betriebsinhabern oder Aufsichtspersonen, zulässig.

Aktuell leben noch von jeweils drei Personen in den Doppelhaushälten in der Grafentalstraße 3 und 3/1, wie es Ortsbaumeisterin Spoljar in ihren Unterlagen nachgelesen hatte. Und sie alle waren als Zuschauer zum Gerichtstermin im Sitzungssaal des Rathauses erschienen. Auch der Vermieter der Wohnungen war mit seinem Anwalt beigeladen. Der Präsident des Verwaltungsgerichts Christian Heckel zeigte Verständnis: Es sei für eine Gemeinde, die gleichzeitig auch Baubehörde ist, nicht einfach, immer die rechtlichen und die persönlichen Belange voneinander zu trennen. Er frage sich aber, warum die Verwaltung nicht strikter gegen das offensichtlich jahrelange illegale Wohnen vorgegangen sei.

Gemeinde will am Gewerbegebiet festhalten

Eines stellte der Anwalt der Gemeinde, Mike Kirchner, klar: »Die Gemeinde will an dem Gewerbegebiet festhalten.« Dementsprechend wolle sie auch gegen jede Rechtswidrigkeit vorgehen. Die Verwaltung habe beispielsweise schon die Melderegister mit Erhebungen vor Ort verglichen, und sei dafür Straße für Straße durchgegangen, um Wohnverhältnisse zu überprüfen: »In einigen Fällen ist es nachvollziehbar, dass im 'Arbachtal' Menschen wohnen, weil sie dort auch ihr Gewerbe haben, in einigen Fällen aber nicht«, sagte Kirchner. Anfang Mai habe die Verwaltung daher auch schon die illegalen Bewohner - wie die in der Grafentalstraße - darauf aufmerksam gemacht.

Außerdem seien in der Zwischenzeit in der Grafentalstraße schon einige Mieter ausgezogen und bisher keine neuen nachgekommen. Kurz kam Empörung bei den Klägern hoch: Dass keine neuen Menschen nachkämen, decke sich nicht mit deren Beobachtung. Kirchner machte deutlich, dass die Gemeinde Verständnis dafür habe, dass nicht jeder so einfach aus seiner Wohnung ausziehen könne, es auf lange Sicht gesehen aber Ziel sei, die Wohnungen freizubekommen. Diesen Zwiespalt hatte Bürgermeister Sindek auch in der Mitteilung Anfang Mai deutlich gemacht: »Einerseits haben wir einen akuten Wohnraummangel und sind über jede Einheit froh, die Menschen in unserem Ort ein Zuhause gibt.« Andererseits müsse das Gewerbe geschützt werden, sonst würden Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Aus dem »Arbachtal« ein Mischgebiet zu machen, kommt scheinbar nicht infrage. Wahrscheinlich auch, weil dann auch das Gewerbe sich beispielsweise in Sachen Lärm einschränken müsste, die Gemeinde wolle ja aber bekanntermaßen eben dieses schützen.

Effektiver gegen illegales Wohnen vorgehen

»Aber wenn sie doch am Gewerbe festhalten wollen, warum sind sie dann in der Zwischenzeit nicht schon effektiver gegen das illegale Wohnen vorgegangen?«, fragte Richter Florian Leclerc. Die Nutzungsunterlassung sei doch schon vor Jahren ausgesprochen, aber dann eben nicht weiterverfolgt worden. Leclerc wunderte sich auch, warum immer nur gegen die Mieter und nie gegen den Vermieter vorgegangen werde? Dieser habe ja bewusst in einem Gewerbegebiet Wohnraum geschaffen, den er dort günstig vermieten konnte, den es dort aber nicht geben darf. Doch es kam keine eindeutige Antwort von Kirchner. Dieser betonte nur, dass die Gemeinde jetzt handeln werde.

Es könne Zwangsgeld angedroht werden und später dann auch ein festgesetzt werden, wenn der Räumung nicht nachgekommen wurde, erklärte der Verwaltungsgerichtspräsident Heckel. »Es gibt rechtliche Durchsetzungen, die effektiv sind.« Inwiefern die Gemeindeverwaltung nun, nachdem sie Anfang Mai aktiv geworden war, weiter gegen das illegale Wohnen im »Arbachtal« vorgehen will, wurde nicht deutlich. Nur, dass sie es machen wird. Die Richter scheinen darauf zu vertrauen. »Ich will das jetzt richtig machen«, sagte Bürgermeister Sindek. Er zeigte sich froh, mit Ralph Sautter (CDU) und Ingo Ruf (FWV) zwei vertraute Gesichter aus dem Gemeinderat beim Gerichtstermin zu sehen - das signalisiere ihm auch den politischen Rückenwind, sich weiterhin für das Gewerbegebiet einzusetzen.

Kündigung vor zwei Jahren ausgesprochen

Kurz vor Ende des Gerichtstermins, meldet sich noch der Vermieter zu Wort: Er habe schon vor zwei Jahren seinen Mietern eine Kündigung ausgesprochen, der jedoch nicht alle Parteien nachgekommen waren. »Ich kann doch niemanden auf die Straße setzen«, sagte er. Offensichtlich scheint er einen langen Geduldsfaden zu haben, weil nach so langer Zeit auch keine Räumung erfolgte.

Nachdem sich die Verwaltungsgerichts-Vertreter zur Beratung zurückgezogen hatten, verlas Richter Leclerc das Einigungsschreiben. Demnach muss die Gemeinde mit einer Frist bis Ende Juli eine Nutzungsunterlassung aussprechen, also das Wohnen im Gewerbegebiet klar und deutlich untersagen und im weiteren Verlauf dann auch ahnden. Außerdem wurden Kosten unter Kläger und Angeklagten aufgeteilt. Ein Urteil gibt es in dem Fall nicht, weil sich beide Parteien einig geworden sind und das Verfahren damit als erledigt gilt. Nun ist die Gemeinde am Zuge. (GEA)