ENINGEN. Das war knapp. Ums Haar wäre der künstlerische Nachlass des Eninger Malers und Zeichners Hermann Emmert (1894-1985) auf Nimmerwiedersehen im Container gelandet. Glücksfällen ist es zu verdanken, dass die Werke erhalten blieben und beim 31. Eninger Lesezeichen in der Buchhandlung Litera von Albrecht Andres präsentiert werden konnten. Die Ausstellung, die noch bis November 2024 zu sehen ist, stieß auf große Resonanz. Immer mehr Details kamen ans Tageslicht und sorgten für reichlich Diskussionsstoff.
Frank Hausmeier vom Heimat- und Geschichtsverein Eningen hat aus den Tagebuchaufzeichnungen und schriftlichen Erinnerungen Hermann Emmerts einen Flyer zusammengestellt. Emmert kam 1894 im Hohenloher Land zur Welt. Schon früh musste er mit seinen Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof mit Gastwirtschaft und Bäckerei mithelfen. Er liebte die Tiere und stellte sie später oft in seinen Werken dar. Die Erzählungen der Wirtshausgäste führten zu einer Leidenschaft für Geschichte und Geografie.

Seinem Onkel nacheifernd, entschied sich Emmert für den Lehrerberuf. 1912 erhielt er in Blaubeuren seine erste Stelle und wanderte in seiner Freizeit mit den Kollegen über die Alb, die er dadurch kennen und lieben lernte.
Im Ersten Weltkrieg musste der Pädagoge an die Front, wurde verwundet und geriet in Gefangenschaft. Emmert nutzte die Zeit, zeichnete viel und lernte Ölmalerei von einem Mithäftling. In ihm reifte die Entscheidung, Kunstlehrer zu werden. Neben seiner Schulstelle studierte er abends an der Kunstakademie und Technischen Hochschule Stuttgart, bekam Kontakt zu den Brücke-Malern und gewann 1923 den Akademiepreis mit seinem Don Quichote-Zyklus. Später bestritt er Ausstellungen unter anderem im Spendhaus und in Eningen in der HAP-Grieshaber-Halle und im früheren Schreibwarengeschäft in der Panoramastraße.
Als 1926 in Eningen eine Planstelle für Zeichen- und Turnunterricht frei wurde, bewarb sich Emmert, auch wegen der Nähe zur Alb sowie der Schönheit und Geschichtsträchtigkeit der Landschaft. Er schrieb: »Das eigenartige Völkchen der Eninger mit seiner besonderen Geschichte, welch vielfältige Anregungen! Eningen ist mir die zweite, die schönere Heimat geworden.« 1933 heiratete er Hedwig Mayer, mit der er zwei Kinder hatte. Emmert war vielseitig und arbeitete alljährlich auch am Bühnenbild des Naturtheaters Reutlingen mit.
Kurze Zeit wurde er auch im Zweiten Weltkrieg eingezogen, dann aber als arbeitsuntauglich aus der russischen Gefangenschaft entlassen. Die Kriegsnot erlebte er intensiv mit und setzte sie in seinen Zeichnungen und Linolschnitten drastisch um. 1946 kehrte er nach Eningen zurück, wo er bis 1961 unterrichtete. Der beliebte Lehrer, so Gäste der Vernissage, sei sehr besonnen gewesen, war groß und schlank und fiel im Ort durch seine gerade Haltung auf dem Fahrrad auf. Im Januar 1985 verstarb der Künstler in Eningen.
In der Buchhandlung Litera gezeigt werden Aquarelle, Ölbilder, Pastelle, Zeichnungen und Linolschnitte, die nicht nur die unterschiedlichsten Themen streifen, sondern auch Zeitzeugnisse darstellen. So bildet ein Werk von 1969 die heute verschwundene Firma Licht & Kraft ab. Große Freude herrschte, als Gerd Fetzer das Bild dem Heimat- und Geschichtsvereins schenkte. Denn der Verein, das Rathaus und das Paul Jauch- Haus werden Emmerts Bilder zukünftig in ihre Obhut nehmen. Zuvor waren sie im Besitz von Emmerts Tochter Helga, deren Duisburger Erbengemeinschaft das Haus ausräumte und die Bilder achtlos für die Müllkippe vorsah. Glücklicherweise entdeckte dies Nachbarin Doris Theurer rechtzeitig und rettete die Werke, die wiederum Albrecht Andres per Zufall in ihrer Garage bemerkte.
»Ich ging dann zu Marianne Dreher, meinem lebenden Geschichtsbuch, und erfuhr sehr viel über Emmert«, erzählte er. Zusammen mit dem Heimat- und Geschichtsverein habe man versucht, sich dem Thema weiter zu nähern. Eine weitere wichtige Quelle stellte Annegret Romer zur Verfügung. Sie hatte Emmerts Ausstellungskatalog aus den 1970er-Jahren verwahrt, als er Eninger Ansichten in Charlieu zeigte. Mechthild Fuchs hatte Fotografien mitgebracht, die ihre Schwiegereltern zusammen mit dem Ehepaar Emmert in einem größeren Freundeskreis zeigen.
Andres geht davon aus, dass das Thema weitere Wellen schlagen wird und sicher noch in dem einen oder anderen Eninger Haushalt Emmerts Bilder bewahrt werden. »Bisher jedoch hat man nie etwas von diesen Schätzen gehört, der Maler war in Vergessenheit geraten«, so Andres.