RIEDERICH. Jeden Mittwoch kommen Klara und Marie in die Igelstation in Riederich, um zu helfen. Die beiden 12-Jährigen packen richtig mit an. »Wir misten die Käfige aus, machen frische Zeitungen und Küchenpapier rein und füttern die Igel«, erzählt Marie. Und da haben sie alle Hände voll zu tun. »Eine Igelfamilie ist besonders schlampig«, verrät Klara. »Die machen wirklich überall hin, sogar in ihr Futter.« Ein besonderer Spezialist sei Igel Gudrun. »Die kriecht sogar unter das Zeitungspapier, was bedeutet, dass wir den Käfig jedes Mal richtig auswaschen müssen.«
»Igel riechen schon sehr. Da hat man Glück, wenn man Schnupfen hat und nichts riecht«
Da brauchen die beiden Mädchen aus Riederich starke Nerven. Vor allem starke Geruchsnerven. »Igel riechen schon sehr«, sagt Marie. »Da hat man Glück, wenn man Schnupfen hat und nichts riecht«, pflichtet Klara bei und muss lachen. Manchmal halten die beiden auch einfach die Luft an, wenn es sich wieder einmal um einen besonders geruchsintensiven Stachelpatienten handelt. »Es ist aber auch Gewöhnungssache«, gibt Klara Entwarnung, die sichtlich Spaß an der Igelpflege hat.
Noch nie so viele Igel in Obhut wie dieses Jahr
»Igel sind schon arg süß«, sagt sie ganz verliebt. Seit August helfen die beiden in der Igelstation der Igelschutzinteressengemeinschaft Reutlingen in Riederich aus. Melanie Bauer, die Leiterin der Igelstation, ist dankbar. »Sie sind eine tolle Hilfe für uns. Wir hatten noch nie so viele Igel in unserer Obhut wie in diesem Jahr. Es sind über hundert.« Unterstützung hat die 42-Jährige auch von ihren rund zehn ehrenamtlichen Helfern, von denen manche wöchentlich, andere sporadisch mithelfen.
Noch während sie spricht, klingelt das Telefon und gleich schauen sich die beiden Mädchen wissend an. »Da will sicher jemand neue Igel bringen«, flüstern sie und machen große Augen. »Dann sind es noch mehr.« Und das, obwohl die Igelstation aus allen Nähten platzt. Und tatsächlich. Ein Mann aus Sondelfingen ruft an und erzählt, er habe ein Igelbaby gefunden. Es liege nur auf der Seite und atme schwer. Er habe schon bei anderen Tierschutzorganisationen angerufen, sei aber auf die Igelstation verwiesen worden. Gut, er solle kommen und das Kleine bringen, sagt Melanie.
Auch wenn das mehr Arbeit bedeutet, sind die drei froh. »Ich glaube nicht, dass das Igelchen große Chancen hat. Aber wenn es hier bei uns ist, legen wir es auf eine Wärmflasche, geben ihm noch mal zu essen und es muss wenigstens nicht draußen alleine sterben.« Das gehört auch zur Arbeit der Igelstation. »Es kommt nicht oft vor, dass Igel bei uns sterben. Den meisten können wir helfen, aber es passiert natürlich.«
Igelbabys ohne Mama gefunden
Umso schöner sind die Erfolgsgeschichten. Neulich habe eine Frau aus Metzingen in ihrem Garten beim Aufräumen durch Zufall zwei aneinander gekuschelte Igelbabys ohne Mama gefunden und in die Station gebracht. »Die Mama ist vielleicht überfahren worden. Die Kleinen hatten schon richtige Hungerfalten und wären jetzt voll verhungert«, sagt Melanie. Nachdem sie in der Igelstation von Zecken und Flöhen befreit wurden, haben sie ordentlich reingehauen und gedeihen mittlerweile prächtig. Sie heißen Heinz und Magda.
»Es ist immer spannend, wenn jemand mit einem neuen Igel kommt«, sagt Klara. Dabei sind es ganz oft mehr als nur einer. »Eine Frau aus Tübingen hat neulich einen ganzen Siebener-Wurf gebracht. Sie hat in ihrem Reitstall eine tote Igelmama gefunden und daraufhin nach den Jungen gesucht. Zuerst waren es nur sechs, aber sie hatte so ein Gefühl, auch noch im angrenzenden völlig verrammelten Gewölbekeller zu suchen. Und so haben sie den mit Brecheisen aufgebrochen und tatsächlich noch ein weiteres Baby gefunden.«
»Ich weiß, wie es ist, wenn es einem nicht gut geht und sich dann jemand um einen kümmert«
Babys sind den beiden Mädchen ohnehin die liebsten Pflegekinder. »Die haben noch weichere Stacheln, die piksen nicht so«, sagt Marie. »Und natürlich sind sie sehr süß.« Jedes Igelchen bekommt in der Igelstation einen Namen und auch Klara und Marie durften schon welche vergeben. Und so heißen die Igelkinder des Siebener-Wurfs Siggi, Sally, Sven, Sonja, Sofia, Stella und Selma. Auseinanderhalten können sie aber auch die Profis nur dank farbiger Markierungen auf dem Stachelkleid.
Igelkinder selbst aufziehen
Und schon klingelt es wieder. Diesmal an der Tür. Ein Zahnarzt aus Riederich kommt mit einem Vierer-Wurf vorbei. »Die kleinen sind bei uns im Garten herumgeirrt«, erzählt er. Die Igelchen werden jetzt untersucht, dann dürfen sie wieder mit nach Hause. Der Mann gehört zu den wenigen Igelfindern, die bereit sind, die Igelkinder wieder mitzunehmen und selbst aufzuziehen. »Ich mache das gerne, auch wenn es bedeutet, dass man sie jeden Tag misten muss«, sagt der nette Finder.
Zu misten haben Klara und Marie heute auch noch jede Menge. »Klara war neulich sogar bis abends da und hat mir noch so viel geholfen«, sagt Melanie. Klara hat vor vier Jahren Leukämie bekommen und zwei Jahre lang tapfer gegen die Krankheit gekämpft. »Ich weiß, wie es ist, wenn es einem nicht gut geht und sich dann jemand um einen kümmert.« Deshalb wolle sie weiter in der Igelstation mithelfen und später auch einmal Krankenschwester werden. Die Stachelkinder der Riedericher Igelstation können sich glücklich schätzen, dass es liebe Finder gab, die sie hierher gebracht haben und so tolle Igelpflegerinnen, wie Melanie, Marie und Klara, die um jedes kleine Igelchen kämpfen. (GEA)
HILFE FÜR DIE IGEL
Die Igelstation freut sich sehr über Unterstützung beim Misten der Käfige oder Fahrten zum Tierarzt. Wer helfen möchte, kann sich unter 07123 958849 melden. Auch Spenden sind eine große Hilfe. (nat)