MÜNSINGEN. Mountainbike und Kirche: Wie passt das zusammen? Samuel Löffler hat die beiden Welten zueinandergebracht, die in seinen Augen eine ganze Menge miteinander zu tun haben und sich ganz hervorragend ergänzen. Unter der Leitung des Bezirksjugendreferenten ist im Münsinger Industriegebiet das Bike-Projekt »erFAHRBAR« entstanden. In einer leeren Halle von Theodor Kirsammer (Elektroservice Kirsammer GmbH) wurde ein Bike-Park auf Zeit gebaut. Eröffnet wurde er am 2. Februar, an diesem Samstag, 22. Februar, ist der letzte Tag. Wie ist es gelaufen, wie geht’s weiter?

Samuel Löffler strahlt. »Wir haben lange gesucht, aber nichts gefunden.« Das Angebot von Theodor Kirsammer war großes Glück – ein Volltreffer. Der Mann, der normalerweise PV-Module vertreibt und aufbaut, ist kirchlich und sozial sehr engagiert, wie Löffler sagt, und hat dem Evangelischen Jugendwerk Bad Urach Münsingen (EJWBUM) die Halle gegen eine Spende, die zurückfließt, vermietet – also praktisch für drei Wochen geschenkt. Zusammen mit rund 25 Ehrenamtlichen, davon zehn von der TSG-Münsingen-Radabteilung, hat Löffler den Pop-Up-Indoor-Bike-Park in der Halle aufgebaut. Was fast so etwas wie ein Quantensprung war, weil er damit auch im Winter Kirche neu erlebbar gemacht hat. Der Hashtag #kirche-neuerleben steht unter etlichen Bildern des Münsinger Bike-Parks auf Zeit.
»Endlich mal wird mit meinen Kirchensteuern was Sinnvolles gemacht«
In den letzten viereinhalb Jahren war Samuel Löffler im Sommer mit dem EJW-Mountainbike-Anhänger an Schulen unterwegs. Ein Erfolgsmodell, das jährlich rund 400 Schülerinnen und Schüler nutzten. Löffler war bevorzugt an Gemeinschaftsschulen, Haupt- und Realschulen unterwegs. Und erreichte dabei nicht nur das klassische EJW- und CVJM-Klientel mit Kindern und Jugendlichen, die aus kirchlich geprägten Elternhäusern stammten und zum größten Teil ins Gymnasium gingen. »Eigentlich ein Armutszeugnis für uns«, sagt Samuel Löffler.
Kirche muss neue Wege finden
Das wurde mit dem MTB-Projekt anders. »Kirche darf und muss lernen, neue Wege zu den Menschen zu finden«, sagt der 35-Jährige, der an der evangelischen Hochschule Ludwigsburg Soziale Arbeit und Religionspädagogik studiert hat und sich hinterher in Erlebnispädagogik weitergebildet hat. Das Stollenreifen-Rad beherrscht er als Level-2-Fahrtechniktrainer von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) ebenfalls bestens. Mit dem Indoor-Park konnte Samuel Löffler auch im Winter seine etwas andere Jugendarbeit fortsetzen. »Wir wollen hier auf niederschwellige Art und Weise christliche Werte wieder nahebringen und vielleicht eine Idee zu geben, was so ein Glaube auch für ’ne Rolle im Leben spielen kann«, sagt der 35-Jährige, »wir wollen, dass die Erlebnisse an dem Tag auch zu ’ner Erfahrung im Leben von diesen jungen Menschen werden – deshalb auch der Name erFAHRBAR.«
Ein Kreuz findet man nicht in der Halle, in der normalerweise PV-Module und Kabel lagern, hier liegen Mountainbike-Zeitschriften und keine Bibeln aus. »Wir missionieren nicht«, stellt Samuel Löffler klar. Trotzdem ist die Kirche präsent. »Kirche ist nicht dieses Gebäude im Ort, sondern eine Organisation, die sich Jesu Leben und Wirken als Vorbild nimmt«, sagt Samuel Löffler. Dadurch zum Beispiel, dass er – wie Jesus – auf alle Bevölkerungsschichten zugeht. Viele Schüler, die nachmittags kommen, haben gar kein eigenes Mountainbike.
In Kontakt ohne Bibel
»Wir kommen in Kontakt, ohne dass ich etwas von der Bibel erzähle«, sagt der Bezirksjugendreferent. »Wir wollen hier wertebasierte Arbeit machen«, sagt der 35-Jährige, »also zeigen, wie man aufeinander Rücksicht nimmt und gut zueinander ist. Wir wollen vermitteln: Du kannst Dinge vielleicht sogar mehr, als Du Dir’s zutraust.«
Zur Halbzeit waren fast 500 Kinder – die Kleinsten mit dem Laufrad – und Jungendliche im Bike-Park in das Münsinger Industriegebiet gekommen. »Mehr als im Sommer auf alle unserer Freizeiten mitgehen«, sagt Bezirksjugendreferent Samuel Löffler.
»Endlich mal wird mit meinen Kirchensteuern was Sinnvolles gemacht«, hat neulich ein Lehrer gesagt, der seine Klasse einen Vormittag begleitet hat. Worte, die Samuel Löffler runtergehen wie Öl und ihn darin bestärken, mit seinem Projekt auf dem richtigen Weg zu sein. Und ihn zuversichtlich machen, dass es irgendwie weitergeht.
»Wir kommen in Kontakt, ohne dass ich etwas von der Bibel erzähle«
Im Frühjahr 2026 läuft das auf fünf Jahre angelegte Mountainbike-Projekt nämlich aus. »erFAHRBAR« wurde von der evangelischen Landeskirche über ein Programm für innovative Initiativen auf fünf Jahre gefördert. Was danach kommt, ist bis jetzt noch offen. »Wir suchen Gönner und Förderer, um das Projekt weiterzuführen«, sagt Samuel Löffler.
Ein Modell, das sich vermarkten ließe
Nach dem »Last Ride« am Sonntagabend werden die Module des Bike-Parks wieder abgebaut. Entwickelt haben sie zwei Mitarbeiter des Jugendwerks in ihrer Freizeit. Die Stahl-Holz-Teile sind schnell zerlegbar, frei kombinierbar und lassen sich butterweich überrollen. So etwas Professionelles und Gutes gibt’s auf dem Markt bis jetzt noch nicht.
THE LAST RIDE
Bikeplace verabschiedet sich am Samstag, 22. Februar, aus Münsingen. Der Normalbetrieb beginnt um 15 Uhr. Ab 18 Uhr gibt’s Abendessen, die Hotdogs gehen auf Spendenbasis über die Theke. Um 18.45 Uhr kommt der Uracher Dekan Michael Karwounopoulos nach Münsingen, um einen Gottesdienst zu feiern, anschließend wird das Gewinnspiel ausgelost. Ab 19.30 Uhr heißt es »The Last Ride«, bevor um 22 Uhr definitiv Schluss ist. (and)
Ein Modell, das sich vermarkten ließe und damit eine dauerhafte Lösung für die Fortführung des Bike-Projekts sein könnte? Ob und wie eine Körperschaft Öffentlichen Rechts – und das ist eine Kirche nun mal – ein von Jugendwerks-Mitarbeitern entwickeltes professionelles Mountainbike-Equipment vermarkten kann und darf und will – vielleicht in Kombination mit erlebnispädagogischen Angeboten –, »wird derzeit diskutiert«, sagt Löffler. Das Material wird jetzt erst mal eingelagert. Für »erFAHRBAR« im Sommer gibt’s schon viele Anfragen. (GEA)