WANNWEIL. »Die Entwicklungen und Rahmenbedingungen machen es den Kommunen seit Jahren immer schwerer bis nahezu unmöglich, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen«, sagt Bürgermeister Dr. Christian Majer vorab. Für die steigenden Ausgaben nennt der Verwaltungs-Chef die steigenden Ausgaben im Personalbereich und die zunehmende Kreisumlage. Und dann wäre da noch der Zensus, der der Echaz-Gemeinde 160 Einwohner »streitig gemacht« hat, wie sich Majer ausdrückt, und damit für zusätzliche Einnahmerückgänge im niedrigen sechsstelligen Bereich über die kommenden Jahre sorgt.
»Die kommunale Realität zeigt uns jeden Tag aufs Neue, dass den steigenden Ausgaben eben nicht so einfach steigende Einnahmen entgegengesetzt werden können«, sagt Majer. Er will mit der Verwaltung »so viele Fördertöpfe wie möglich anzapfen«, weil Einnahmesteigerungen bei der Gewerbesteuer wegen der »nahezu nicht vorhandenen Gewerbeerweiterungsmöglichkeiten nur schwer realisierbar« sind. Wie groß Wannweil von der gesamtwirtschaftlichen Lage ist, »zeigt sich dadurch, dass Zuweisungen, Umlagen und der Anteil der Einkommenssteuer gut zwei Drittel unserer Einnahmen ausmacht«.
»Die Freie Liste kann diesem Haushaltsentwurf nur mit großem Ranzenweh zustimmen«
Der Gemeinderat verabschiedete den Haushalt einstimmig - gewürzt mit einigen kritischen Anmerkungen. Martina Lietz steigt für die FWV mit einem launigen Kommentar zu den Laptops ein, über die das Gremium bei der Haushaltsberatung vor einem Monat diskutiert und sich dabei nicht übertrieben zukunftsorientiert gezeigt hatte - ein guter Teil hatte die neumodischen Apparate für eher entbehrlich befunden. Mit den Tablets könne nun endlich für den gesamten Wannweiler Gemeinderat das digitale Zeitalter beginnen, so Lietz. »Es müssen dann aber wohl angesichts der oft sehr langen Sitzungen noch genügend Mehrfachsteckdosen bereitgestellt werden, damit niemandem zwischendrin der Saft ausgeht.« Lietz weiter: »Leider geht uns jedoch inzwischen wie vielen anderen Gemeinden auch ganz langsam aber sicher der finanzielle Saft aus.«
Ein kleiner Seitenhieb an die, die an den Betreuungsgebühren und -zeiten rumnörgeln: »Es wäre wünschenswert, wenn der eine oder andere Elternteil mal nach Reutlingen oder in andere Gemeinden nach deren Kinderbetreuungsgrundlage schaut, bevor er hier an unserer Gemeinde rumnörgelt.«
Viel am Haushalt zu nörgeln hat Helmut Bader: »Die Freie Liste kann diesem Haushaltsentwurf nur mit großem Ranzenweh zustimmen.« Seit Jahren vermisst die Fraktion die Eröffnungsbilanz. »Wie sollen wir die Vermögens-Situation der Gemeinde beurteilen können, wenn uns die Verwaltung nicht vorlegt, wie groß oder klein das Vermögen von Wannweil überhaupt ist«, fragt er. Bei aller Freude darüber, dass keine Steuererhöhungen vorgesehen sind: »Die Zins-Einnahmen sinken, wenn sich unsere liquiden Mittel um fast 3,4 Millionen Euro verringern«, so Bader, »wir haben die Ausgaben nicht im Griff!«
»Zukünftig eventuell Investitionen fremd finanzieren - in der Wirtschaft ist dies Alltag«
Bei Helmut Bader läuten die Alarmglocken, wenn er auf die Entwicklung der Personalkosten schaut. Ein Drittel der ordentlichen Aufwendungen fürs Personal: »Wenn wir diese Entwicklung nicht stoppen, ist die Pleite vorprogrammiert«, schimpft der FL-Mann, der außerdem gegen die hohe Kreisumlage und die Grundsteuerreform aus Stuttgart wettert.
"Ja, wir haben 30 Prozent Personalkosten", sagt Joachim Hespeler für die Grünen, "das ist für den Dienstleistungsbereich nicht zu hoch - die Kommune ist Dienstleister." Auch Hespelervermisst die Eröffnungsbilanz von 2020, lobt aber die "solide, konservativ gerechnete, gut ausgearbeitete Planung" von Kämmerer Christian Betz. Hespeler bedauert, dass Wannweil als eine der wenigen schuldenfreien Gemeinden auch im Jahre 2025 wieder nicht benötigte eigene Finanzmittel am Kapitalmarkt anlegen können wird. Zum Stichwort "Investitionen in die Zukunft regt er an, "zukünftig eventuell Investitionen fremd zu finanzieren - in der Wirtschaft ist dies Alltag".
»Der Handlungsspielraum der Gemeinde ist eng«
Kämmerer Christian Betz erklärt die fehlende Bilanz auf GEA-Nachfrage mit etlichen Altlasten, die erst jetzt gefunden wurden, auch mit Hilfe des Rechenzentrums, und die noch in die weitgehend fertige Bilanz eingepflegt werden müssen. Eine aufwendige Archivarbeit und ein komplexes technisches Prozedere. »Aber wir sind so gut wie fertig«, sagt der Kämmerer, der sich ganz nebenbei noch mit der Grundsteuerreform mit zahlreichen Widersprüchen rumschlagen muss. Im nächsten halben Jahr kriegt der Gemeinderat das Werk vorgelegt, verspricht Betz.
Eigentlich habe er im Vorspann zu den CDU-Haushaltsanträgen schon einen wesentlichen Teil der eigentlichen Haushaltsrede schon vorweggenommen, sagt Fraktions-Chef Erich Herrmann. Erschöpfte liquide Mittel, notwendige Kreditaufnahmen für etwaige Investitionen: »Das sind keine rosigen Aussichten«, so Herrmann. Auch er weist auf die hohen Personalkosten, die steigende Kreisumlage, die Abschreibungen und die »fehlerhaften« Zensusberechnungen hin. Herrmann: »Der Handlungsspielraum der Gemeinde ist eng.«
»Wir müssen nicht an die Stellschrauben der Daseinsfürsorge gehen«
Seine grundsätzliche Kritik: In den letzten Jahren ist die Gemeinde immer besser rausgekommen als ursprünglich angenommen. Der Grund: Entweder wurden Maßnahmen nicht umgesetzt oder wurden nur teilweise verwirklicht. Deshalb müsse die Gemeinde vielleicht erst 2028 Kredite aufnehmen. »Nicht, dass ich solche positiven Entwicklungen beklagen wollte - schließlich ist es besser so, als anders herum«, sagt Herrmann. »Trotzdem unsere Bitte an die Verwaltung, die Haushaltsansätze künftig etwas enger zu fassen, mehr an die Wahrscheinlichkeit anzupassen, wie Gelder abfließen oder nicht.« Klare Haushaltspositionen erleichterten dem Gemeinderat eine realistischere Einschätzung der Haushaltssituation »und somit auch die Frage, ob und wo Anträge gestellt werden und wo nicht«.
»Wir stehen noch ganz gut da«, sagt Sigrun Franz-Nadelstumpf für die SPD-Fraktion, »es ist schön, dass wir uns noch Dinge leisten können, um unseren Ort noch besser, vorbildlicher und liebenswerter zu machen. Wir müssen nicht an die Stellschrauben der Daseinsfürsorge gehen.« (GEA)