BAD URACH. Zu der Kundgebung gegen Rechtsextremismus auf dem Bad Urach Marktplatz am 1. März 2024 waren einige Hundert Menschen gekommen. Daraus hat sich ein Bündnis für Demokratie und Menschenrechte gebildet - unterstützt von allen im Uracher Gemeinderat vertretenen Parteien und Vereinigungen. Am 1. Juli wurde die Gründung formal besiegelt. Jetzt sprechen die Verantwortlichen über das weitere Vorgehen.
»Wir haben nach der Demo gesehen, dass es damit nicht getan ist - das ist ein Marathonlauf«
»Wir haben nach der Demo am 1. März gesehen, dass es damit nicht getan ist«, sagt Uthe Scheckel, »das ist ein Marathonlauf.« Die Gründung des Bündnisses für Demokratie und Menschenrechte war für die FWV-Gemeinderätin ein logischer Schritt. Ganz am Anfang waren um die 35 Bürgerinnen und Bürger dabei. Auch wenn die Anfangs-Begeisterung wie überall nachgelassen hat - den harten Kern bilden mittlerweile plusminus zehn Leute -, ist die Gruppe nach wie vor aktiv, betont Wolfgang Brucker, der zusammen mit Uthe Scheckel so etwas wie den Kopf des Bündnisses bildet.
Die Aktiven wollen weiter für die Demokratie kämpfen, sie im Bewusstsein halten. Zum Beispiel beim Infostand am Internationalen Tag der Menschenrechte (10. Dezember) unter den Uracher Rathausarkaden. »Ein kleiner Anfang«, sagt Uthe Scheckel. Kalt war's und dunkel, blickt sie zurück, »aber es gab sehr gute und anregende Gespräche«. Die man vertiefen könnte, indem man verschiedene Gruppierungen der Stadt zusammenbringt, meint Wolfgang Brucker weiter. Am Holocaust-Gedenktag, dem 27. Januar also, war das Bündnis im Reutlinger Theater Die Tonne. Dort gab's eine Theateraufführung von Schülerinnen und Schülern des Friedrich-List-Gymnasiums. Was »einen sehr emotionalen Zugang« zum Gedenken an die Opfer ermöglicht habe, blickt Uthe Scheckel zurück. »Eine Sternstunde der Pädagogik«, sagt die pensionierte Schulleiterin.
»Eine Podiumsdiskussion vor der Wahl hat aus Zeitgründen nicht geklappt«
Was kommt? Am Samstag, 15. März, besucht das Bündnis die Gedenkstätte Grafeneck. Dieter Reichhold ist nicht nur Mitglied im Bündnis, sondern auch der Ehemann von Uthe Scheckel - vor allem ist er ausgebildeter Gedenkstättenbegleiter und informiert in dieser Funktion über das größte Verbrechen der Nazis in der Region. Sie vergasten hier 10.654 geistig behinderte und psychisch kranke Menschen. Das erste Mal in der Geschichte, dass der industrielle Massenmord praktiziert wurde. An dem idyllischen Ort auf der Alb wurde für Auschwitz und die anderen Vernichtungslager der selbsternannten Herrenmenschen »geübt«. Dieter Reichhold berichtet über die Täter und Opfer und die Aufarbeitung des Verbrechens nach 1945.
Von den Rechtsextremen von damals zu denen von heute: Das Bündnis hat das eintägige Seminar »Kompetent gegen rechte Sprüche« der Landeszentrale für politische Bildung (Stuttgart) nach Bad Urach geholt (vergl. Info-Box). Im Uracher Kino- und Kulturzentrum forum22 läuft zu einem Zeitpunkt, der gerade noch verhandelt wird, der Film »Sie kann ja nichts für ihren Vater« von Hermann G. Abmayr, in dem die Tochter eines Nazi-Täters auf eine Tochter eines Nazi-Opfers trifft.
»Wenn aber was passiert, das dem Fass den Boden raushaut, kann ich für nichts garantieren.«
Gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl wird intensiv über die Bedrohung der Demokratie durch eine Partei, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat, diskutiert. In den USA hat der reichste Mann der Welt, der zur Wahl dieser AfD aufruft, unverblümt so etwas wie einen Hitlergruß gezeigt. Alarmstimmung also beim Uracher Bündnis. »Eine Podiumsdiskussion vor der Wahl hat aus Zeitgründen nicht geklappt«, sagt Wolfgang Brucker.
Eine Kundgebung oder eine Mahnwache? "Im Moment ist uns die langfristige Arbeit wichtiger", sagt Wolfgang Brucker. "Im Moment haben wir keine Demonstration geplant", ergänzt Uthe Scheckel, »Wenn aber was passiert, das dem Fass den Boden raushaut, kann ich für nichts garantieren.« (GEA)
Workshop: »Kompetent gegen rechte Sprüche« am Samstag, 12. April
In einem Workshop der Landeszentrale für politische Bildung (Stuttgart) wird in spielerischen Modellsituationen die eigene Reaktions- und Argumentationsfähigkeit geübt und ausgebaut. Rechtsextremistische Argumente, politische (Pseudo-)Erklärungen und populistische Sprüche werden auf ihre emotionale Basis, ihre Wirkung und ihre inhaltliche Bezugnahme überprüft und Gegenstrategien erprobt. Die einzelnen Einheiten werden je nach Interessenlage und Vorkenntnisse der Teilnehmenden zusammengestellt.
Ziel des Trainings ist es, praktische Handlungsformen und angemessene Argumentationsstrategien kennenzulernen und deren Anwendung zu üben. Neben den eigenen Stärken werden auch die Grenzen der Wirkungsmöglichkeit eines kommunikativen Engagements aufgezeigt. Der Workshop am Samstag, 12. April, läuft von 9 bis 17 Uhr in der Rathausapotheke Bad Urach. Die Teilnahme für maximal 18 Personen ist kostenfrei. Die Veranstalter bitten um Anmeldungen bis zum 1. April. (GEA)