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Wie diese Bad Uracherin mit Parkinson lebt

»Im Schatten fallender Blätter«: Die Bad Uracherin Anneliese Schnitzler hat ein Buch über ihr Leben geschrieben. Von der Krankheit lässt sich die 75-Jährige nicht unterkriegen, sie führt einen Kreativladen und ist als Laienschauspielerin und Clownin bekannt in der Region.

Nach der Diagnsoe Parkinson startetet Anneliese Schnitzler durch und macht either, was ihr gefällt.ese Schnitzlerdrucrh und
Nach der Diagnsoe Parkinson startetet Anneliese Schnitzler durch und macht either, was ihr gefällt.ese Schnitzlerdrucrh und Foto: Kirsten Oechsner
Nach der Diagnsoe Parkinson startetet Anneliese Schnitzler durch und macht either, was ihr gefällt.ese Schnitzlerdrucrh und
Foto: Kirsten Oechsner

BAD URACH. Es ist der eine Satz, der das Leben von Anneliese Schnitzler grundlegend geändert hat und mit dem auch ihr Buch beginnt: »Laufen Sie mal zur Tür und zurück«, forderte sie ein Neurologe vor 16 Jahren auf. Die darauffolgende Diagnose Parkinson sei Schock gewesen, die Gefühle jedoch ambivalent: Endlich hätten ihre massiven gesundheitlichen Beschwerden einen Namen gehabt. Zwei Jahre habe sie niemand ernst genommen, auch die Ärzte nicht: Ihr Körper habe verrückt gespielt, die Krämpfe seien unerträglich gewesen, sie sei gehinkt und schon mal vom Stuhl gefallen. »Mir ging es sehr schlecht«, blickt sie auf eine Zeit zurück, in der ihr niemand geglaubt habe – auch die Familie nicht. Ihr Leben voller Brüche, Mut und Hoffnung hat die Bad Uracherin mit Wurzeln in Bayern in Worte gefasst und ein Buch geschrieben. Sie lässt in »Im Schatten fallender Blätter – mein Leben zwischen Schmerz, Stärke und Schweigen« Rosa erzählen. Doch es geht um sie: Anneliese Schnitzler.

»Erst bin ich abgestürzt«, erzählt die 75-Jährige, die zu dem Zeitpunkt bereits fünf Jahre an Parkinson erkrankt war. »Ich war depressiv, aber zu feige, mir das Leben zu nehmen.« Zurück von einem Klinik-Aufenthalt sei ein regelrechter Ruck durch sie gegangen: »Ich wollte mich nicht unterkriegen lassen. Ich war schon vor der Krankheit da.« Also sei sie durchgestartet und begann, ihre vielfältigen Interessen auszuleben: »Das durfte ich als Kind schon nicht, dabei wollte ich schon immer kreativ sein.« Das Leben als Sekretärin, das Anneliese Schnitzler immerhin für neun Jahre bis Südafrika gebracht hatte, ließ die Mutter von zwei Töchtern hinter sich. »Ich durfte endlich machen, was ich will, mein Leben könnte ja täglich vorbei sein.« Das Schöne dabei: Ehemann Andreas lasse ihr die Freiheit zu tun, was sie wolle.

»Ich wollte mich nicht unterkriegen lassen«

Also eröffnete Anneliese Schnitzler einen Laden in der Lange Straße in Bad Urach: Selbst gemachte Kissen, Kinderkleidung, Taschen und vieles mehr verkauft sie dort, ihre Kreativität scheint grenzenlos und kommt an. Jüngst hat sie 24 lebensgroße Puppen für das Albgut in Münsingen geschaffen: Soldaten, Teilnehmende an einer Kaffeetafel – sie sollen Leben in die Räume bringen. Anneliese Schnitzler arbeitet vornehmlich nachts, schlafen könne sie sowieso kaum.

Ruhe gönnt sie sich kaum, von Bad Urach aus ist sie ständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln – vor zehn Jahren hat sie krankheitsbedingt den Führerschein abgegeben – unterwegs. Dann geht’s zur Tochter und den drei Enkeln nach Großbritannien, außerdem reist sie zu Freunden nach Südafrika oder nach Berlin. Dort war sie als Schauspielerin bei einer Abschlussarbeit an der Filmhochschule im Einsatz, weitere Engagements folgten. Und da sind die regelmäßigen Fahrten nach Tübingen, die Anneliese sehr wichtig sind: Sie ist seit vielen Jahren Ensemblemitglied beim Generationentheater »Zeitensprung« des Landestheaters Tübingen.

»Ich gehe rein in meinen Laden und bin nicht mehr krank«

Ein Pensum, das manchen Menschen bestimmt zu viel sei, das weiß sie: »Mir aber nicht.« Sie brauche jede ihrer Aktivitäten, auch als Clownin ist Anneliese Schnitzler unterwegs. »Das ist meine Form der Therapie«, macht Anneliese Schnitzler deutlich. »Ich gehe rein in meinen Laden und bin nicht mehr krank. Ich gehe ins Theater und bin es auch nicht mehr. Der Rucksack bleibt draußen.« Und der ist noch größer geworden: 2017 wurde bei Anneliese Schnitzler auf der Nase Hautkrebs diagnostiziert: »Das hat mit einem Punkt angefangen und hörte mit einem großen Loch auf.«

Mehr kann man in ein Leben mit einer nicht heilbaren Krankheit kaum packen als Anneliese Schnitzler: »Der Arzt meint, dass ich ein Phänomen bin«, meint sie lachend. Aber die schweren Momente gibt’s durchaus: »Ich schreie schon manchmal vor Schmerzen, aber das hört niemand.« Alles, was Anneliese Schnitzler macht, ist durch ihre Parkinson-Erkrankung bestimmt: Sitzt sie längere Zeit, muss sie vor dem Aufstehen erst ein Medikament nehmen. Oder es überkommt sie ein Sekundenschlaf: »Damit kann ich inzwischen umgehen.«

Einen Schreib-Workshop, den Anneliese Schnitzler vor fünf Jahren besucht hat, bezeichnet sie als Kickoff: Damals habe sie begonnen, ihre Gedanken zu notieren. Bis in die Kindheit ging’s zurück, die sei im Schatten von Gewalt und Sprachlosigkeit schaurig gewesen. Zwei Jahre hat es dann gebraucht, bis aus diesen Fragmenten ein Buch geworden ist. Das hat Anneliese Schnitzler im Selfpublishing bei Amazon herausgegeben. (GEA)