WANNWEIL. Am Anfang stehen etwa 20 Wannweiler Bürger im Saal des Gemeindehauses und blicken auf ein Luftbild. Es zeigt im Maßstab 1:1.250 den Ort Wannweil und dessen Gemarkung. Am Montagabend schauen sie, wo ihr Haus, ihre Wohnung und somit ihr Lebensmittelpunkt ist. Später markieren sie ihre Lieblingsplätze an Wiesen oder am Waldrand. Doch die meisten Schildchen stellen sie ins Ortszentrum von Wannweil. Dorthin, wo es ihnen entweder gut gefällt oder sie einen Verbesserungsbedarf sehen.
Bei dieser Bürgerwerkstatt der Gemeinde Wannweil und der Wüstenrot Haus- und Städtebau geht es darum, wie sich der Ort in den nächsten 10 bis 15 Jahren entwickeln sollte. Die Einwohner können und wollen sich einbringen. »Uns interessiert, was die Bürger auf dem Herzen haben«, sagt der Wannweiler Bürgermeister Dr. Christian Majer eingangs. Die Einwohner geben der Verwaltung und dem Gemeinderat ihre Ideen mit auf den Weg. Diese fließen ins Gemeindeentwicklungskonzept und eine mögliche dritte Ortskernsanierung ein. Die möchte Majer anstoßen und nennt die Vorteile: eine Förderung von 40 Prozent, von denen auch die Gemeindefinanzen profitieren würden.
Rat trifft den Beschluss
Sindy Bieler, die Projektleiterin und stellvertretende Teamleiterin bei der Wüstenrot Haus- und Städtebau, und ihr Kollege und Projektleiter Yannik Klauß moderieren die Veranstaltung. »Wir möchten in der Bürgerwerkstatt Ideen zur Gestaltung sammeln, diese konkretisieren und dann Maßnahmen priorisieren«, nennt Bieler das Ziel. Das Gemeindeentwicklungskonzept solle einen nachhaltigen und langfristigen Leitfaden für die Entwicklung Wannweils bieten, diese steuern und die Akteure mitnehmen. Dieses Verfahren laufe in vier Schritten ab und beginne mit der Bestandsaufnahme, nun gehe es um die Beteiligung. Es folgten die Analyse und ein Konzept. »Der Gemeinderat beschließt es letztlich und dann können Fördermittel beantragt werden.« Welche Themen für die Bevölkerung wichtig sind, habe sich geändert, sagt Yannik Klauß: »Vor zehn Jahren ging es um Nahversorgung und den Einzelhandel, jetzt eher um Klimaschutz und die Energiewende.«
Er und seine Kollegin Bieler haben Stellwände im Raum verteilt, auf denen die Bürger ihre Ideen und Wünsche befestigen. Dies sind Versorgung und Soziales, dann Freiraum und Klima, die verkehrliche Erreichbarkeit sowie Wohnen und Arbeiten. Während die Bürger sich beteiligen, berichtet Klauß von der Bestandsaufnahme durch das Wüstenrot-Team: »Unser Eindruck ist, dass im Vergleich zu vor zehn Jahren ein Generationswechsel bei Gebäuden stattgefunden hat und die neuen Eigentümer nun modernisieren.«
Mehr Kommunikation in Politik
Vor einer Stellwand steht Kamila Streit. Die Mutter lebt in Wannweil und möchte sich für mehr Kommunikation in der Gemeinde einsetzen. Sie besucht auch Gemeinderatssitzungen, hätte aber gerne mehr und früher Informationen, nicht erst, wenn Entscheidungen getroffen seien. »Solch eine Veranstaltung ist ein gutes Format.« Streit lebt gerne in Wannweil. »Wir haben hier eine wahnsinnig gute Infrastruktur mit vielen Kindergärten, einer Grundschule und kurzen Wegen zum Bäcker und zum Supermarkt.« Dies gelte es zu erhalten.
Karin Bernhard arbeitet im Wannweiler Pflegestützpunkt und kennt somit die Interessen der Älteren besonders: »Ich bin neugierig auf eine neue Ortskernsanierung«, nennt sie ihre Motivation zu Kommen. Auch ihr gefällt es im Dorf. »Die Lage ist toll. Man findet hier fast alles, und dann sind Reutlingen und Tübingen nah.« Sorgen bereiten ihr die Älteren, die nicht mehr so gut zu Fuß seien. »Sie leben oft in Hanglagen, nutzen den Bürgerbus, aber müssen nach Hause hoch und runter gehen. Wenn sie den Bus nicht mehr nutzen können, sind sie praktisch gefangen in ihren Wohnungen.« Und dann hätten viele einen großen Garten, der ihnen zu viel werde. Hauke Petersen kennt Mitbürger, die zufrieden sind, wenn sie vom großen Familienhaus in eine Wohnung gezogen sind. Er kann sich eine Wohnraumbörse für jüngere Menschen vorstellen. »Hier steht so viel leer.«
Interesse an Repaircafé
Klauß und Bieler schauen sich die Vorschläge an. Unter Versorgung und Soziales haben Teilnehmer etwa notiert, dass sie sich eine bessere Zusammenarbeit der Kindergärten und des Seniorenheims vorstellen können, mehr Gastronomie und ein Reparaturcafé, für das sich bereits ein Interessent meldet. Beim Freiraum und Klima wird ein Maschinen- und Werkzeugpool für Wiesenbesitzer ebenso gewünscht wie mehr Bäume an Straßen. Bei der Erreichbarkeit wünschen sich die Teilnehmer ein Mitfahrbänkchen, einen Lastenradverleih und einen barrierefreien Bahnsteig in Wannweil. In der Kategorie Versorgung und Soziales gibt es einen Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität und einer flexiblen Kinderbetreuung. Am Ende fotografiert Yannik Klauß jedes Schildchen auf dem Luftbild. Auch das dient der Ideensammlung. (GEA)