BAD URACH-SIRCHINGEN. Julia Rümmelin hat neun Kaninchen. Die leben in ihrem eigenen Kaninchenzimmer. Dort gibt es Wühlkisten, Hoppeltreppen, Kuschelboxen, Korktunnel und verschiedene Ebenen, von denen aus die Kaninchen alles überwachen können. Julias Langohren kennen keine Langweile und bewegen sich ausgiebig. Und das ist wichtig. »Die Anatomie eines Kaninchens ist darauf ausgelegt, dass es sich viel bewegt«, erklärt die 36-Jährige.
Seit 14 Jahren ist sie Kaninchenhalterin und hat seither schon viel gelernt. Ihr Wissen gibt sie auf ihrem Instagramkanal »Albkaninchen« weiter. Mit Erfolg. Sie hat mittlerweile fast 30.000 Follower. »Es macht mir unheimlich Spaß, meine Erfahrungen so weiterzugeben«, sagt sie.
Und die Leute sind dankbar. »Viele schreiben mir und holen sich Haltungstipps.« Denn die Kaninchenhaltung ist unheimlich komplex. Die meisten ihrer Kaninchen stammen aus schlechter Haltung. »Ich hab immer wieder auf Ebay-Kleinanzeigen geschaut, welche Kaninchen es besonders schwer haben und die dann geholt.«
Zähne immer wieder abschleifen
Vor Kurzem kamen Winky und Bär dazu. »Bär lebte in einem Käfig, um den man gelbe Säcke gewickelt hatte, damit nicht so viel Dreck aus dem Stall fällt.« Einen besonderen Bezug hat Julia zu Kaninchen Filius. »Er hat schon so viel durchgemacht und musste mehrfach an den Zähnen operiert werden, dass uns das beide so richtig zusammengeschweißt hat.« Noch heute muss Julia alle zehn Wochen mit ihm zum Heimtierarzt, um seine Zähne abschleifen zu lassen. »Er wurde falsch gefüttert und hat jetzt ein Leben lang darunter zu leiden«, erklärt sie. »Kaninchen zermahlen normalerweise weiches Futter. Dabei bewegen sich die Kiefer nach rechts und links. Gibt man ihnen Körner, wie im handelsüblichen Futter, dann müssen sie kauen, indem sie den Kiefer auf und zu machen. Das führt zu Fehlstellungen.«
Und die werden teuer. »Viele Tierhalter, die mir schreiben, sind tatsächlich verzweifelt, weil sie die Tierarztrechnungen nicht bezahlen können.« Jedem, der sich ein Kaninchen anschaffen möchte, rät Julia deshalb, die finanziellen Risiken zu bedenken. Und auch, ob man genügend Platz und Zeit hat, Kaninchen artgerecht zu halten. »Kaninchen müssen sich bewegen, sonst werden sie krank. Deshalb ist es auch tierschutzrechtlich nicht erlaubt, sie einfach in einen Stall zu setzen.« Warum im Zoofachhandel solche Käfige verkauft werden, ist ihr ein Rätsel. »Es wird auf die Industrie nicht genug Druck ausgeübt, und die Leute denken, weil es verkauft wird, ist es okay.«
Mehr als 30.000 Follower auf Instagramm
Die Sirchingerin arbeitet in der Kaninchenabteilung des Reutlinger Tierheims. Den Interessenten dort empfiehlt sie, den Kaninchen ein Zimmer zu geben, eine freie Wohnungshaltung, bei der die Wohnung samt Pflanzen und Kabel für Kaninchen gesichert ist, oder ein Gehege im Garten. »Man kann zum Beispiel einen Carport mit Volierendraht verkleiden und als Kaninchengehege umfunktionieren.« Die Ställe aus dem Zoofachhandel kann man offen als Rückzugsort in so ein Gehege stellen.
Um ihre Hoppler artgerecht zu füttern, macht sich Julia jeden Tag auf, frisches Grün zu pflücken. »Ich bin immer mit meiner großen Ikea-Tüte unterwegs auf Wiesen im Ermstal, in Dettingen und Metzingen, und pflücke Löwenzahn, Spitzwegerich, Wiesenbärenklau und Klee. Das wird immer gern genommen.« Wenn Julia mit dem frischen Grün im Kaninchenzimmer ankommt, ist was los. Dann recken sich die kleinen Wuschelköpfchen nach dem feinen Futter und haben sichtlich ihre Freude.
Karotten in feinen Streifen
Je nach Befinden suchen sich die Tiere unterschiedliche Wildkräuter aus. »Kaninchen sind sehr schlau. Das Tolle an der Wiesenfütterung ist, dass sie sich das aussuchen können, was sie gerade für ihre Gesundheit brauchen.«
Im Winter greift die Kaninchenexpertin auf verschiedene Salate und Kräuter zurück. Karotten gibt es nur in feinen Streifen geschnitten als Snack. »Die enthalten zu viel Zucker, auch wenn wir schon als Kinder gelernt haben, dass Bugs Bunny Karotten liebt, sind zu viele davon ungesund. Es ist wie bei uns Menschen, nicht alles, was im Supermarkt verkauft wird, ist gesund.«
In ihren Do-it-yourself-Videos zeigt Julia, wie man Kaninchen-Häuser oder andere Einrichtungsgegenstände fürs Gehege baut. »Am liebsten wäre ich Kaninchen-Interior-Designerin«, sagt sie. Dabei ist sie das schon längst. Immerhin hat sie nicht nur ihren neun Hopplern ein Paradies geschaffen, sondern hilft Kaninchenhaltern auf der ganzen Welt, es ihr gleichzutun.
Damit ist sie eine Botschafterin für alle Kaninchen da draußen, die in kleinen Käfigen sitzen. Dank ihrer Aufklärung verhilft sie den Tieren zu mehr Gesundheit und Lebensqualität. Und was gibt es Schöneres, als wenn Filius, Bär und Winky vor Freude Haken schlagen. Das geht im Käfig nicht. (GEA)