METZINGEN. Unscheinbar ist vielleicht der treffendste Ausdruck für das Gebäude in der Kanalstraße 6 mit seinem geklinkerten Erdgeschoss und der darüber weiß gestrichenen Fassade. Und doch ist es die Keimzelle eines Weltunternehmens, Ausgangspunkt der Outletcity und seit Dienstagabend Museum, das nun der Öffentlichkeit frei zugänglich ist.
Wichtigster Gast an diesem Abend war Uwe Holy, Nachfahre von Hugo Boss, der zusammen mit seinem verstorbenen Bruder Jochen den Grundstein für den Modekonzern und die internationale Erlebnisdestination Outletcity legte, wie Wolfgang Bauer, Vorstandsvorsitzender der Holy AG in seiner Ansprache betonte.

Wer jedoch erwartet, ein Museum klassischer Art vorzufinden mit Webstühlen, Stoffen, ehemaligen Kollektionen, der wird enttäuscht sein. Dem Besucher präsentiert sich ein modernes digitales Museum. Im Erdgeschoss empfängt eine leuchtend gelbe Informationstafel samt Boss-Stammbaum die geschichtlich interessierten Besucher. Ein Zeitstrahl mit weiteren Infotafeln führt die Treppe empor ins erste Stockwerk.
Stammsitz von Fabrikanlage
Dort sind Sitzgelegenheiten, Soundduschen direkt darüber erzählen die Geschichte der Stadt, des Hauses und der Outletcity. Außerdem informieren runde Tafeln davon, wie die internationale Presse auf die Outletcity reagiert: »Die Leute nennen das Kuhkaff südlich von Stuttgart Schnäppchenstadt«, steht schon vor 20 Jahren in der New York Times zu lesen.
Im Hauptraum, in dem früher die Boss-Sportswear auf die Shopper wartete und das darüber liegende Dachgeschoss, wo die Schnäppchen zu finden waren, stellt der Stuttgarter Künstler Romulo Kuranyi seine farbenfrohen Werke aus.
Der Gedanke am Stammsitz von Fabrikanlage und Wohnhaus ein Museum einzurichten, war laut Wolfgang Bauer schon vor zehn Jahren bei einer Bürgerbeteiligung aufgekommen, der Ort dies in der Kanalstraße 6 einzurichten auch, die Umsetzung nahm jedoch erst mit dem Umzug des Hugo Boss-Outlets an seinen neuen Standort konkrete Formen an, als es auch um die Revitalisierung des Gebäudes ging.
Wolfgang Bauer, der 1989 als Assistent von Uwe und Jochen Holy, den Enkelsöhnen von Firmengründer Hugo Boss begann, kann sich gut an die Anfänge des Fabrikverkaufs und Probleme mit Anwohnern in der Kanalstraße erinnern.
»Sie erhalten unser altes Elternhaus«, habe sich Uwe Holy gefreut, als er von den Museumsplänen erfuhr. Ein Haus, das voller Geschichten und Geschichte steckt.
Lange, so Bauer, habe das Team aus Mitarbeitern darüber diskutiert, wie die Ausstellung aussehen soll. Herausgekommen seien drei Erzählstränge: Textilien, eine Heimat für Menschen und die Hauptstadt des Shoppens.
»Es ist das ehrlichste Gebäude, das wir haben, das eine Menge Geschichten erzählen kann«, schwärmt Bauer und Uwe Holy, der zusammen mit seinem Bruder in diesem Haus groß geworden ist, fängt an zu erzählen.
Industrie und Weinbau
»Unter dem Dach war das Stofflager, im Erdgeschoss hat meine Mutter genäht, mit den Kartons in den Stoffballen sind wir die Treppen runtergerutscht und, und, und.« Für ihn ist das Museum eine Bereicherung: »Jetzt müsst ihr es nur ordentlich betreiben und mit Leben füllen«, gab er an Wolfgang Bauer weiter. OB Carmen Haberstroh freute sich darüber, dass das Gebäude für Metzingen erhalten wurde. Die Stadt profitiert von der Hugo Boss und der Outletcity AG. Nie hätte eine Stadt mit 20.000 Einwohnern sonst so eine Entwicklung nehmen können: »Und diese ist eng mit den Familien Boss und Holy sowie der Holy AG verknüpft. Während andere, weitaus größere, Städte über das Innenstadtsterben klagen, tun wir dies auf einem ganz anderen Niveau.«
»Ein modernes Museum ist hier entstanden«, legt sich einer fest, der es wissen muss: Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier, der in die Konzeptionsgespräche eingebunden war, sieht den klaren Vorteil eines digitalen Museums: »Es muss nicht ständig nach neuen Exponaten Ausschau gehalten werden, das Museum ist auch ein Ausdruck des Zeitgeistes, es ist ein modernes Museum.«
Mit dem Hugo Boss-Museum und dem Keltern-Museum verfüge Metzingen über Gebäude, die die beiden wichtigsten Schwerpunkte der Stadt widerspiegeln: Industrie und Weinbau. (GEA)