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Warum Menschen von Bad Urach nach Los Angeles auswanderten

Der Arbeitskreis Stadtgeschichte Bad Urach hat sich mit dem Thema Auswanderung beschäftigt und stellte den Band »Heimat lebe wohl« der Öffentlichkeit vor. Auf knapp 200 Seiten wird lebendig vermittelt, warum Uracher ihre Heimat verließen und wie es ihnen in der Ferne ging.

Der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles. Foto: dpa/dpa
Der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles.
Foto: dpa/dpa

BAD URACH. Über 500 alphabetisch aufgelistete Namen stehen für individuelle Einzelschicksale, doch die Männer, Frauen und Kinder verbindet eines: Die Uracher verließen im Zuge verschiedener Auswanderwellen ihre Heimatstadt und suchten in der Ferne ihr Glück. Das fanden indes nicht alle: Bitterarme Russland-Auswanderer kehrten desillusioniert wieder zurück, auch Brasilien erwies sich für den ein oder anderen nicht als das ideale Land. Der 1852 ausgewanderte politische Aktivist Edmund Märklin dagegen fand sich in Amerika schnell zurecht, der Apotheker nahm sogar am Sezessionskrieg teil. Und da ist auch noch Fritz Reich, für ihn ging der amerikanische Traum in Erfüllung: 1922 reiste der Metzger nach Amerika, aus ihm wurde in der neuen Heimat Los Angeles mit seiner Wurstwarenfabrik ein erfolgreicher Geschäftsmann.

Die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte unter der Leitung von Stefanie Leisentritt geben den Auswanderern ein Gesicht, sie lassen deren individuelle Schicksale aufleben und bringen diese in Zusammenhang mit der jeweiligen Zeitgeschichte – vor allem mit der württembergischen. Dafür sind die an Heimatgeschichte Interessierten sechs Jahre tief eingetaucht in die unterschiedlichsten Archive, haben Bücher gewälzt und auch das Internet erwies sich als ergiebige Informationsquelle. Was Stefanie Leisentritt aber besonders freut, ist die Bereitschaft der Bad Uracher von heute, dem Arbeitskreis Material über die Auswanderer von einst zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören Familienbilder, Postkarten, Fahrkarten und sogar eine Speisekarte von einem Auswanderungsschiff.

Russland als neue Heimat

Das umfangreich wissenschaftlich erarbeitete Material findet sich nun in verschiedenen Themenblöcken in dem Band »Heimat lebe wohl – Uracher Auswanderungsgeschichte(n) 18. bis 21. Jahrhundert« wieder. Dieser Tage wurde der neunte Band der Beiträge zur Bad Uracher Stadtgeschichte im Rathaus-Foyer erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und rund 50 Zuhörer waren gekommen. Die Arbeitskreis-Mitglieder stellten ihr jeweiliges Schwerpunktthema vor, machten mit ihren Kurzvorträgen Lust auf mehr. Gabriele Bächles Fokus lag auf den rechtlichen Ausgaben und der Auswanderungspraxis, Dorothe Speidel konzentrierte sich auf Russland als neuen Heimat und Hans-Jörg Weiss auf das Jahr 1817, als ein Vulkanausbruch in Indonesien nicht nur in Württemberg für eine Auswanderungswelle sorgte. Unter »Weg mit denen!« beschäftigte sich Holger Weiland mit einem besonderen Phänomen: Im 19. Jahrhundert wurden Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten, die Auswanderung nahegelegt und finanziert. Johanna Kugele berichtete über die Auswanderung im 20. Jahrhundert in die USA, Stefanie Leisentritt über die diejenige nach Südamerika. Am Band mitgearbeitet hatte auch Walter Röhm, der drei Auswanderer porträtiert – seine Ergebnisse wurden in Abwesenheit von Kulturamtsleiter Thomas Braun vorgetragen. Auch Michael Kober konnte an der Buchvorstellung nicht dabei sein, er zeichnet verantwortlich für das umfangreiche Personenregister. Inge Hummel hatte sich intensiv an den Recherchen beteiligt.

Geschichte der Uracher Gaststätten

Die Realisation des Gemeinschaftsprojekts als hochwertiges Buch war möglich, weil die Stadt die Druckkosten für das knapp 200 Seiten umfassende Werk übernommen hatte – es wird in der Buchhandlung am Markt verkauft. Die Geschichte der Auswanderung von Urachern sei laut Stefanie Leisentritt damit jedoch nicht abgeschlossen: »Wir haben sicher nicht alle Auswanderer gefunden«, machte sie deutlich, über weitere Informationen freue sich der Arbeitskreis. Der legt nun in einem neuen Thema los, der Geschichte der Uracher Gaststätten. Mitmachende seien immer gerne gesehen, so Stefanie Leisentritt. Die einzige Voraussetzung sei, Lust am Eintauchen in Heimatgeschichte zu haben. (GEA)

Die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte haben sich sechs Jahre mit dem Thema Auswanderung beschäftigt, nun stellten (v
Die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte haben sich sechs Jahre mit dem Thema Auswanderung beschäftigt, nun stellten (von links) Hans-Jörg Weiss, Dorothe Speidel, Gabriele Bächle, Stefanie Leisentritt, Holger Weiland und Johann Kugele ihr Buch vor. Foto: Kirsten Oechsner
Die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte haben sich sechs Jahre mit dem Thema Auswanderung beschäftigt, nun stellten (von links) Hans-Jörg Weiss, Dorothe Speidel, Gabriele Bächle, Stefanie Leisentritt, Holger Weiland und Johann Kugele ihr Buch vor.
Foto: Kirsten Oechsner