METZINGEN. Ist der kalte Winter vorbei, bringen die sonnigen Tage vor allem eines mit sich: Lust auf eine Kugel Eis. Wer bei den ersten frühsommerlichen Verhältnissen in Metzingen auf der Suche nach einer cremigen Erfrischung ist, findet derzeit nur beim Sottozero in der Silcherstraße sein Glück. Am Freitag und Samstag mit Temperaturen über 20 Grad und auch am zehn Grad kühleren, aber sonnigen Sonntag bildeten sich dort immer wieder Schlangen mit 15 bis 20 Eishungrigen. Dagegen sind die Fenster des zweiten klassischen Eiscafés, Venezia in der Reutlinger Straße zwischen dem Alten und dem Neuen Metzinger Rathaus, bereits seit mehr als einem Jahr mit weißen Planen bedeckt.
»Leider habe ich schon eine Weile Probleme an der Halswirbelsäule und Schulter«, erklärt Venezia-Inhaber Roberto Giacomini. Rund 30 Jahre beglückte der gebürtige Metzinger gemeinsam mit seiner Frau Stefania Spaziergänger in der Innenstadt mit ihren leckeren Eissorten. Nun muss er sich gesundheitsbedingt aus dem Geschäft zurückziehen: Nach mehreren Operationen in den vergangenen 18 Monaten und vier Implantaten im Halswirbelbereich, »sind meine Bewegungen einfach zu eingeschränkt und ängstlich, um weiterzumachen«, gesteht Giacomini. Ihr Café wird das Paar nicht mehr öffnen.
Gesundheit hat höchste Priorität
»Die Gesundheit ist nun mal am wichtigsten«, sagt auch Ehefrau Stefania, für die es nicht in Frage kam, das Venezia ohne ihren Roberto weiterzuführen. Für sie war 2024 »so etwas wie ein Sabbatjahr«, in dem auch sie eine Zahn-OP hinter sich gebracht und ihren Mann zu seinen Arztterminen begleitet hat. Nun will sie sich nach einem neuen Job umsehen, während Roberto Frührente bezieht.
»Die Schließung ist uns schon schwer gefallen«, erzählt das Ehepaar. Seit 1962, als Robertos Vater Aldo das Venezia in Metzingen eröffnete, hat die Familie Giacomini ihre Köstlichkeiten am Rathausplatz angeboten. Nach Abschluss der zehnten Klasse besuchte Roberto die Eisfachschule in Italien, um das Handwerk für die beliebte Spezialität zu erlernen und seinen Vater unterstützen zu können.
Die Wohnungen über der Eisdiele teilten sich die Giacominis mit ihrem aus Italien angereisten Personal. Darunter auch Stefania, die damals »eigentlich nur ein bis zwei Jahre« in Deutschland bleiben wollte: »Ich dachte, das ist hier nichts für mich. Die ersten fünf Jahre habe ich mich nur versteckt und wollte immer zurück«, erinnert sie sich mit einem Lachen. Doch dann lernte die Sardinierin den jungen Roberto kennen - und aus den geplanten zwei Jahren Aufenthalt in Metzingen wurden plötzlich 30. Inzwischen ist das Paar seit 25 Jahren glücklich verheiratet.
Neben dem Venezia leiteten sie fast 20 Jahre lang das Eiscafé Duemila am Kelternplatz und entschieden sich 2017, nur noch im Venezia weiterzuarbeiten. »Das war schon eine große Erleichterung, als wir am Kelternplatz aufgehört haben«, erinnert sich Roberto Giacomini. Die tägliche Arbeit an zwei Standorten war zu spüren: Der Tag begann um sechs Uhr morgens, zur Hochsaison blieben die Türen des Cafés zum Teil bis in die Nacht offen - und das für zehn Monate im Jahr. »Die acht Wochen Pause mussten dann zur Vorbereitung für die nächste Saison genutzt werden«, so Giacomini.
Kunden vermissen das Venezia
Obwohl der schwere Arbeitsalltag in der Eisküche und an der Theke für Roberto und Stefania nun fast zwei Jahre her ist, haben sie die alten Gewohnheiten und Tagesabläufe noch nicht abgelegt. »Manchmal wache ich um sechs auf und frage mich, was ich jetzt machen soll«, erzählt Stefania. Das gute Wetter, das früher aus beruflichen Gründen immer Grund zur Freude war, nutzt das Ehepaar inzwischen zu Spaziergängen in Wäldern oder auf der Alb. Eine neue Beschäftigung zu finden, war für die Eismacher nicht immer einfach: »Letztes Jahr waren wir schon sehr zurückgezogen«, sagt Roberto Giacomini, »und dann sprechen uns die Kunden natürlich immer wieder an und fragen, wann es endlich wieder Eis gibt.«
Dass es mit dem Sottozero nun nur noch ein Eiscafé in der Innenstadt gibt, bedauert das Paar selbst. »Ich bin die Erste, die sich bei gutem Wetter eine Kugel holt. Eine Eisdiele ist zu wenig für Metzingen«, meint Stefania. Ob auch in der Fußgängerzone bei den Rathäusern in Zukunft mit einem Besitzerwechsel wieder eine Kugel Schoko, Vanille und Co. verspeist werden kann, wissen die Giacominis derzeit noch nicht. Eigentümerin des Hauses ist Robertos Mutter, die meist in Italien weilt. Gemeinsam wolle die Familie bald eine Entscheidung über die Zukunft treffen. Fürs erste gilt es aber, weiter gesund zu bleiben und das Café leerzuräumen.
Bedauern herrscht auch Im Eiscafé Sottozero, das nur wenige hundert Meter vom Venezia entfernt in der Silcherstraße liegt: »Schade« findet Inhaberin Elia Piazza, dass das Venezia nicht mehr aufmachen wird, »wir könnten zwei Eiscafés in Metzingen gebrauchen.« Mit ihrem Mann Giovanni Sorrenti steht sie hinter dem Tresen, der wie das ganze Café durch knallrotes Mobiliar auffällt. Vor 33 Jahren haben die beiden die Eisdiele eröffnet.
Gut zu tun haben die beiden und ihr knappes weiteres Personal nicht erst seit der Schließung des Eiscafé Venezia. »Es sind nicht mehr Gäste als früher«, sagt die Chefin aber erstaunlicherweise, »vor allem Stammpublikum kommt zu uns.« Allerdings manchmal so viel, dass die Eisfans bis an die Einmündung der Silcherstraße in die Nürtinger Straße anstehen. »Wenn man gut vorbereitet ist, kriegt man es hin«, sagt Giovanni Sorrenti. Will heißen, es müssen immer genug Milch, Früchte, Schokolade und mehr für die im Haus hergestellten kalten Leckereien da sein.
Im Sottozero geht es weiter
Und irgendjemand muss die derzeit 28 Eissorten herstellen und über den Tresen reichen. »Es will keiner arbeiten«, beklagt Sorrenti das, was auch sonst viele Betriebe in Deutschland kennen. Elia Piazza ist 63, nicht nur deshalb hat das Sottozero dienstags Ruhetag. Gute Nachricht für Eisfans: Auch über Jahre hinaus werden die Türen in der Silcherstraße offenbleiben. »Mein Sohn macht weiter«, sagt Piazza. Marco Sorrenti hat wie seine Eltern Berufs-Zertifikate an der Wand hängen und schöpft hinter der Theke Eiskugeln in Waffeln oder Becher.
Und wenn die Sottozero-Türen im Winter dann mal zu sind, wird hinter ihnen trotzdem gearbeitet. »Wir machen Eis für die Gastronomie und einen Automaten«, erläutert Elia Piazza, die schon seit 41 Jahre in der Eiscafé-Branche arbeitet. (GEA)