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Aktuell Rechtsstreit

Vierter Prozess um den Lichter-Spaziergang in Walddorfhäslach

Seit Ende 2022 arbeiten mehrere Gerichte in der Region eine Polizeikontrolle auf. Am Montag ging es nun um den Vorwurf der falschen Verdächtigung.

Mit Lichtern ein Zeichen gegen die Coronapolitik setzen. Ein solcher Spaziergang in Walddorfhäslach beschäftigt die Justiz nun s
Mit Lichtern ein Zeichen gegen die Coronapolitik setzen. Ein solcher Spaziergang in Walddorfhäslach beschäftigt die Justiz nun seit Ende 2022. Foto: José Gouveia/Adobe Stock
Mit Lichtern ein Zeichen gegen die Coronapolitik setzen. Ein solcher Spaziergang in Walddorfhäslach beschäftigt die Justiz nun seit Ende 2022.
Foto: José Gouveia/Adobe Stock

WALDDORFHÄSLACH/TÜBINGEN. Es ist ein Fall, der seit 2022 die Gerichte in der Region Neckar-Alb beschäftigt. Es geht dabei nicht um Mord oder Totschlag, sondern um Polizisten, die einen Lichterspaziergang gegen die damals geltenden Corona-Maßnahmen in Walddorf kontrollierten, um Abstände und Maskenregeln durchzusetzen. Am Aufeinandertreffen von Polizisten und Demonstranten entzündete sich in der Folge ein Rechtsstreit, der das Amtsgericht Reutlingen, das Landgericht Tübingen, das Amtsgericht Tübingen und nun, weil die in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilte Frau aus Walddorfhäslach in Berufung gegangen war, wieder das Landgericht Tübingen beschäftigt. Es geht um die Frage, wer wen womöglich körperlich angegriffen, wer was gesagt hat, ob die Aussagen wahr waren und welche Folgen das nun hat.

In den ersten beiden Verfahren ging es um die Frage, ob der Ehemann der nun in Berufung gegangenen Frau die Polizisten gestoßen, einem ins Gesicht geleuchtet und ihm die Mütze vom Kopf gerissen hat. Oder aber ob der Mann von einem Polizisten körperlich angegriffen wurde, wie es eine Zeugin berichtet hatte.

Berufung wegen 1.000 Euro Strafe

Im dritten und nun auch im vierten Verfahren geht es um die Aussage, welche die Frau im zweiten Prozess vor dem Landgericht getätigt hatte. Die Staatsanwaltschaft warf dem Paar falsche Verdächtigung vor. Das Amtsgericht Tübingen sah es als erwiesen an und verurteilte den Mann zu einer Strafe von 60 Tagessätzen je 100 Euro und die Frau zu 50 Tagessätzen je 20 Euro. Dagegen hat sie Rechtsmittel eingelegt - sodass es nun zu einem erneuten Prozess kam.

Was sich Beobachter des Prozesses fragen, wollte nun auch die Vorsitzende Richterin von der Frau aus Walddorfhäslach wissen: Warum legt sie gegen eine vergleichsweise niedige Geldstraße von 1.000 Euro Berufung ein? »Ich habe ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Ich fühle mich ungerecht behandelt und anlasslos verfolgt.« Sie und ihr Mann seien Opfer und nicht Täter, sagt sie. Aus ihrer Sicht habe das Gericht falsch geurteilt.

Videos zeigen die Szene nicht

Hat der Polizist den Mann nun geschlagen? Geschubst? Hat die Frau das gesehen oder nicht? Wie lief der Abend genau ab? Das alles wurde - mit Hilfe der beteiligten Polizisten als Zeugen - erneut rekapituliert. Videos, die die Frau als Beweis zeigte, taugen nicht als solcher. Denn sie setzen erst später ein und zeigen die strittige Szene nicht.

Der Polizist, der nach Angaben des Ehepaars geschlagen haben soll, berichtet, dass das Ermittlungsverfahren des Polizeireviers Balingen gegen ihn eingestellt wurde. Die Richterin fragt ihn, ob die Anzeige gegen ihn Auswirkungen gehabt habe, etwa eine Beförderungssperre. »Das munkelt man. Aber der Dienstherr hat wohl gemerkt, dass an dem Vorwurf nicht viel dran war. Darum kann ich mir eine Beförderungssperre nicht vorstellen.«

Staatsanwältin gegen Einstellung

Die Staatsanwältin spricht in ihrem Plädoyer schließlich davon, dass sie die Schilderungen der Polizisten für glaubwürdig hält. »Der erste hat genau und detailreich ausgesagt. Es war schlüssig, wie er es gesehen hat.« Sie sieht es als erwiesen an, dass es so gewesen ist. Es habe mit den Aussagen des zweiten Polizisten übereingestimmt. »Beide hatten keinen Belastungseifer.« Daher sieht sie die Frau als schuldig, falsche Aussagen gemacht zu haben, die zu Ermittlungen geführt haben und womöglich auch ein Disziplinarverfahren hätten auslösen können. Sie plädiert dafür, die Berufung abzuweisen. Eine Einstellung wegen geringer Schuld, wie es die Richterin angesprochen hatte, lehnt die Staatsanwältin ab.

Die Frau möchte einen Freispruch: »Es heißt doch, im Zweifel für den Angeklagten.« Sie habe nicht alles gesehen und kritisiert in ihrem Plädoyer, dass die Aussagen der Polizisten als Wirklichkeit interpretiert würden. »Es können auch Schutzbehauptungen sein.« Sie vermisse neutrale Zeugen.

Richterin hat keine Zweifel

Die Richterin spricht sich im Urteil für die Strafe der ersten Instanz aus. »Wir sind überzeugt, dass die Polizisten ihren Mann nicht geschlagen haben.« Die Frau habe den Polizisten in der Berufungsverhandlung 2023 beschuldigt. »Man darf niemanden zu Unrecht belasten«, so die Richterin. Es gebe zwar den Grundsatz »Im Zweifel für den Angeklagten«. »Das gilt aber nur, wenn wir Zweifel haben«, sagt die Richterin noch. (GEA)