METZINGEN. Könnte auch in Metzingen eine Verpackungssteuer kommen? Wie ist das Meinungsbild bei der Stadtverwaltung, im Gemeinderat, bei der Cityinitiative und bei der Outletcity Metzingen? Allein die Outlets zählen 4,5 Millionen Besucher im Jahr. Viele nehmen nicht nur Mode, sondern auch noch ein Pommes-Schälchen oder einen Kaffeebecher auf die Hand mit. Aber auch die Gastronomen, Bäcker und Metzger aus der Stadt geben ihre To-Go-Gerichte oder -Getränke oft in Einwegverpackungen heraus. All diese können unter die Verpackungssteuer fallen, wie sie die Stadt Tübingen seit 2022 eingeführt hat und jetzt auch in Reutlingen diskutiert wird. Ende Januar hatte das Bundesverfassungsgericht sie für rechtmäßig erklärt.
Die noch neue Steuer bringt Tübingen 800.000 Euro im Jahr. Auch in Metzingen könnte sie der Stadt Mehreinnahmen verschaffen. Und Müll vermeiden. Aber auch den Einzelhandel zusätzlich belasten, wenn infolge der Steuer weniger Kunden kämen. Der GEA hat bei der Stadtverwaltung, bei Gemeinderätinnen und -räten, bei der Cityinitiative (CIM) und der Outletcity Metzingen (OCM) AG am 28. Januar gefragt, wie sie die Verpackungssteuer beurteilen. Auch in der jüngsten Gemeinderatssitzung am 30. Januar gab es bereits eine erste Diskussion darüber. Nachfolgend die vorliegenden Statements zusammengefasst. Die Outletcity hat sich bis zum erbetenen Rückmeldetag 3. Februar nicht geäußert.
- Die Sicht der Stadtverwaltung
Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh hält die Verpackungssteuer »für ein geeignetes Instrument, um im Stadtbild Müll zu vermeiden.« Sie möchte aber zunächst die Auswirkungen verantwortungsvoll prüfen lassen. Denn jede Stadt habe andere Begebenheiten und Akteure. »Eine Steuer ist immer auch eine Belastung«, sagt Haberstroh, »deshalb haben wir auch die Verantwortung, zuerst fundiert zu prüfen, was die Steuer bewirkt, wen sie betrifft und welcher Aufwand und welche Belastungen für die einzelnen Akteure entstehen.«
Der Grünen-Fraktion, die am 30. Januar beantragt hatte, das Thema Verpackungssteuer auf die Tagesordnung der übernächsten Sitzung - am 13. März - zu setzen, kam die Verwaltungschefin nach verbaler Hartnäckigkeit des Fraktionsvorsitzenden Dr. Georg Bräuchle begrenzt entgegen: »Wir überdenken das Thema und geben Ihnen eine Rückmeldung.« Vorab aber auch schon diese: »Was wollen Sie groß beraten, wenn Sie kein Futter dabei haben?«
- Meinungen aus dem Gemeinderat
Haberstroh erläutert: »Die zeitnahe Prüfung/Umsetzung der Verpackungssteuer können wir nicht versprechen.« Denn dabei besonders beansprucht wäre die Kämmerei. Deren personelle Kapazitäten seien aber aktuell - wie bei fast allen Kommunen - für die Umsetzung der Grundsteuerreform gebunden. Noch nicht beziffern kann die Stadtverwaltung, welche Jahres-Einnahmen in etwa die Verpackungssteuer für den Haushalt der Sieben-Keltern-Stadt bringen könnte. »Es werden Erfahrungswerte aus Tübingen eingeholt, um Werte für Metzingen zu kalkulieren.«
»Grundsätzlich sollte eine Steuer nicht allein als Einnahmequelle gesehen werden«, findet die FWV-Fraktion, mit neun Mitgliedern die größte im Rat, um ihren Vorsitzenden Stefan Köhler: »Es sollte der Aufwand für den zu beseitigenden Müll dagegen gerechnet werden und natürlich soll die Steuer regulieren, den Müll zu reduzieren.« Die Freien Wähler halten das Thema für komplex und sind deshalb gegen Schnellschüsse.
Outletcity frühmorgens schon proper
Und sie sehen die »besondere Konstellation in Metzingen« mit seinen Outlets. »Im Vergleich zu anderen Städten ist unsere Stadt sehr sauber und nur ab und zu gibt es Müll-Hotspots«, findet Köhler. Die würden nicht allein vom städtischen Bauhof gereinigt. Die Outletcity sorgt auf ihren ausgedehnten Flächen selbst oder durch Fremdfirmen für Sauberkeit - schon frühmorgens. »Somit muss man sich zuerst die Frage stellen, ob diese Verpackungssteuer bei uns wirklich erforderlich ist und ob sie wirklich steuernd eingreifen kann.«
Letzteres sehen die Grünen um Georg Bräuchle definitiv so. »Das Geld, das durch die Steuer hereinkommt, kann zu einem großen Teil zur Reinigung der Stadt und der Natur sowie für die Anschubsubventionierung von Mehrweggeschirr für die Gastronomie eingesetzt werden«, findet der Sprecher und macht deutlich, warum die Grünen das Thema Mitte März im Rat sehen wollen: »einfach mal, um den gemeinsamen Diskussionsprozess zu starten.«
Könnte eine Verpackungssteuer gegen Vermüllung helfen? Wie könnte sie in Metzingen aussehen? Hierzu ist die Öko-Fraktion noch völlig offen. Die Diskussion mit Gemeinderat und Verwaltung soll es zeigen. »Unser Ziel ist es, Anreize für einen vermehrten Einsatz von Mehrwegverpackungen zu schaffen, z.B. im Bereich der sogenannten Fast-Food-Gastronomie«, sagt Bräuchle.
Auch die CDU-Fraktion, die wie die Grünen fünf Ratsmitglieder stellt, will unnötigen Verpackungsmüll vermeiden. »Aber ein gewisses Maß an Verpackung muss bei manchen Dingen schon aus hygienischen Gründen oder auch des Transports wegen sein«, ordnet Fraktionssprecher Eckart Ruopp ein. Die CDU will bei der möglichen neuen Steuer ebenfalls keine Schnellschüsse, sondern die Frage »in aller Ruhe und sorgfältig prüfen. Wichtig ist uns auch, Bürger und Verbraucher nicht ohne Not mit einer zusätzlichen Abgabe zu belasten«.
Umdenken auf Mehrweg wünschenswert
Denn es ist zu erwarten, dass Händler und Gastronomen eine Verpackungssteuer an ihre Kunden weitergeben würden. Ruopp will zudem, dass geprüft wird, inwieweit bereits jetzt Abgaben auf Verpackungsmaterial erhoben werden. FWV-Ratskollege und Metzgerei-Inhaber Robert Schmid konnte das bereits bestätigen: »Ich als Händler zahle auf jedes Einwegprodukt Verpackungssteuer.«
Die beiden FDP-Rätinnen Dr. Ursula Wilgenbus und Isabel Aurenz fragen sich, »ob die Überwachung der Steuer nicht kostenintensiver ist, als die Kommune Einnahmen generiert«. Sie sehen durch die Verpackungssteuer die Chance darin, dass die Verbraucher für den Umgang mit den Ressourcen sensibilisiert werden, und »unterstützen, dass die Steuer diejenigen trifft, die auch Verursacher sind«. Zu befürchten sei, dass die Kosten durch die Verpackungssteuer an die Verbraucher weitergegeben würden. Bei angenommenen 50 Cent pro Verpackung »vermuten wir, dass die Verbraucher diese geringen Mehrkosten in Kauf nehmen«.
Der einzige Metzinger SPD-Gemeinderat Alexander Hack will, dass die in Tübingen bereits eingeführte Verpackungssteuer »auch für Metzingen überdacht wird«. Er verspricht sich davon, dass »der offensichtlich anfallende Verpackungsmüll in unserer Stadt kostenneutral und noch engmaschiger als bisher beseitigt wird«: auf Spielplätzen und im Bürgerpark genauso wie auf Parkplätzen, in Wohngebieten und im Weinberg - wo besonders im Sommer an Verweilplätzen jede Menge Müll herumgelegen hat. »Dass sich durch eine mögliche Verpackungssteuer zudem ein wünschenswertes Umdenken auf Mehrwegverpackungen einstellen könnte, ist eine große Chance für nachhaltiges Konsumverhalten«, findet Hack.
- Was die Cityinitiative sagt
»Aus Einzelhandelssicht gibt es nicht unbedingt ein Juhu«, berichtet Silvio Flemmig. Der Vorstand der Cityinitiative Metzingen (CIM) hat eine Blitzumfrage gestartet, an der sich sieben Gastronomen und Einzelhändler beteiligt haben. Ergebnis: Die Steuer könnte die Speisen, die sich im Lauf der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs mit zeitweise explodierenden Energie-Preisen ohnehin schon erhöht haben, noch teurer machen. »Wer statt sieben oder acht Euro zwölf Euro für das Mittagessen bezahlt, überlegt sich, wie oft er noch essen geht«, sagt Flemmig.
Der Augenoptiker befürchtet, dass die Verpackungssteuer auch bei »normalen Einzelhändlern« ungute Wirkung hinterlassen könnte: »Wir verlieren Mittagskaufkraft.« Dann, wenn Gastro-Gäste wegen der höheren Preise wegbleiben und damit auch nicht mehr in anderen Geschäfte vorbeischauen.
Wie seine Frau Melanie betont er, dass einige Betriebe bereits Konzepte zur Müllvermeidung haben: Metzger Schmid bietet auch Mehrweg-Geschirr zum Mitnehmen an, Café Bäcker Mayer gibt Becher aus, die zurückgebracht, gespült und wiederbefüllt werden. »Wenn die Kunden die Wahl haben und bewusst damit umgehen, ist auch schon etwas gewonnen«, appelliert Melanie Flemmig an die Eigeninitiative jedes und jeder Einzelnen. Nicht immer muss ein finanzieller Druck im Spiel sein, damit Verbraucher ihr Verhalten verändern. (GEA)