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Verkehrsminister Hermann vor Metzinger Bahnhof ins Gebet genommen

Vieles ist geschafft, vieles fehlt aber auch noch beim Ausbau des Metzinger Bahnhofs zur barrierefreien Mobilitätsdrehscheibe. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (rechts) stößt im Bahnhof Metzingen auf etliche Diskussionsfreudige.
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (rechts) stößt im Bahnhof Metzingen auf etliche Diskussionsfreudige. Foto: Markus Pfisterer
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (rechts) stößt im Bahnhof Metzingen auf etliche Diskussionsfreudige.
Foto: Markus Pfisterer

METZINGEN. »Wann werden die Aufzüge endlich fertig?« - »Wann kommen Menschen im Rollstuhl höhengleich in die Züge«?- »Leute mit Kinderwagen kommen nicht mehr in die Unterführung, weil die Führungsschienen abgebaut wurden.« - »Die Bahnen sind oft brechend voll. Wann kommen die neuen Doppelstockzüge, und haben sie mehr Kapazität als die jetzigen einstöckigen?«: Als Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montagnachmittag am Bahnhof Metzingen Station macht, gehen am Bahnsteig an Gleis 1 sofort rege Diskussionen los. Etwa 50 an der Modernisierung der Zugstation Interessierte sind gekommen und nehmen den Minister ins Gebet, aber auch Professor Tobias Bernecker, Geschäftsführer des Zweckverbands Regionalstadtbahn Neckar-Alb, und Konrad Berger, den Leiter des Amts für Planen und Bauen der Stadt Metzingen. »Ist die Deutsche Bahn da?«, fragt der. Das ist nicht der Fall. Dabei ist die DB für einen maßgeblichen Teil der Bahnhofsmodernisierung verantwortlich.

In der Bahnunterführung riecht es noch etwas nach Autowaschanlage. Winfried Hermann, eingeladen vom Stadtverband der Grünen, hätte mit den Besuchern eigentlich durch sie durchgehen und den ganzen Bahnhof besichtigen sollen, geführt von Bernecker und Berger, die mit Gleisplänen der Zukunft und einem Luftbild ausgestattet sind. Doch die Grünen um Dr. Markus Schenk kürzen nach 45 intensiven Informations- und Diskussionsminuten an Gleis 1 ab und bitten zum Applaus für den Minister und Parteifreund.

Keine Fühungsschienen mehr, Aufzüge noch nicht Betrieb: Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen kommen derzeit von der Innens
Keine Fühungsschienen mehr, Aufzüge noch nicht Betrieb: Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen kommen derzeit von der Innenstadtseite nicht in die Bahnhofs-Unterführung, durch die es zu den Gleisen 2 bis 4 geht. Foto: Markus Pfisterer
Keine Fühungsschienen mehr, Aufzüge noch nicht Betrieb: Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen kommen derzeit von der Innenstadtseite nicht in die Bahnhofs-Unterführung, durch die es zu den Gleisen 2 bis 4 geht.
Foto: Markus Pfisterer

Drei Tage vor dem Besuch des grünen Landesverkehrsministers hat die Deutsche Bahn Leute mit Hochdruckreiniger durch den Tunnel durchgeschickt. Die haben die grüngelbe Röhre nicht nur vom Schmutz befreit, sondern sich nach Kräften auch an Graffitis versucht, die Unbekannte an Wände und Aufzugfenster gesprüht hatten.

Unten sieht es also recht proper aus, und auch oben hat sich einiges getan, seit der Bahnhof seit Ende 2021 barrierefrei ausgebaut wird. Von 7.000 Fahrgästen pro Tag wird die Zugstation frequentiert, die Züge haben leider oft Verspätung. »Ich fahre weder die Züge selber, noch baue ich die Plattformen selber«, verweist Hermann auf die Verantwortung der Industrie und der Deutschen Bahn. Auf »störrische Töchter der DB«, die für große Teile des Gleisnetzes und auch der Bahnhofs-Infrastruktur zuständig sind. Das Land indes bestellt und bezahlt den Regionalverkehr, auch den der landeseigenen SWEG Bahn Stuttgart, deren Garnituren nicht immer lang genug für den Fahrgastandrang in Deutschlandticket-Zeiten sind.

Stellwerk und Gleis 4 bis Ende 2025

Der Bahnsteig am Gleis 1 ist seit Herbst 76 Zentimeter hoch, vorher waren es 38. Die neue Höhe passt für die Einstiege der (teils doppelstöckigen) Züge der Zukunft vom Typ Coradia Stream High Capacity. Für die derzeit eingesetzten vom Typ Talent 2 ist die Kante dagegen 20 Zentimeter zu hoch - doch es gibt in den Zügen ausklappbare Rampen etwa für Menschen im Rollstuhl. »Die Knöpfe dafür funktionieren nicht«, mahnt Karola Meisborn, die selbst im Rollstuhl sitzt. Die neuen Züge mit mehr Platz für Fahrgäste sollten eigentlich ab der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 Ende 2025 fahren. »Der Termin wackelt«, sagt Hermann.

Zum Fahrplan im Dezember 2025 sollen auch das neue Elektronische Stellwerk und Gleis 4 im Metzinger Bahnhof in Betrieb gehen, blickt RBNA-Zweckverbands-Geschäftsführer Tobias Bernecker voraus. »Im Sommer 2024 und 2025 werden Weichen, Signale, Oberleitung und Stellwerkstechnik gebaut. Dazu wird es jeweils Sperrpausen von drei bis vier Wochen geben.« Heißt, dass die Reisenden zwischen Tübingen und Nürtingen wieder einmal auf Ersatzbusse umsteigen müssen.

Erste Tramtrains ab 2027

Erst Stellwerk und Gleis 4 - gebaut von der Erms-Neckar-Bahn AG - werden den Halbstundentakt auf der Ermstalbahn Metzingen - Bad Urach ermöglichen, der eigentlich schon Ende 2022 geplant war. Gleis 4 ohne das neue Stellwerk macht keinen Sinn, weil es über Weichen erreichbar sein wird, die nur von diesem aus bewegt werden (und auch regelmäßig bewegt werden müssen). Die Ermstalbahn und die künftige Regionalstadtbahn Neckar-Alb werden darüber rollen.

Für diese hat Tobias Bernecker ebenfalls schon ein konkretes Startdatum: »2027 werden die ersten Tramtrains bei uns fahren.« Züge mit zwei Stromsystemen also, die sowohl unter der Oberleitung der Eisenbahn als auch unter der von Straßenbahnen fahren können. Straßenbahnabschnitte sind in den Kreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb allerdings noch Zukunftsmusik, und aktuell werden auch die Vorgänger der Tramtrains mit neuen Sitzpolstern, WLAN und Lack in den gelb-schwarzen Landesfarben modernisiert

Solche bis zu 200 Stundenkilometer schnellen Züge vom Typ Coradia Stream High Capacity von Alstom sollen nach der Inbetriebnahme
Solche bis zu 200 Stundenkilometer schnellen Züge vom Typ Coradia Stream High Capacity von Alstom sollen nach der Inbetriebnahme des Stuttgarter Tiefbahnhofs (auch) auf der Neckar-Alb-Bahn Stuttgart–Tübingen fahren. Foto: Visualisierung: Alstom
Solche bis zu 200 Stundenkilometer schnellen Züge vom Typ Coradia Stream High Capacity von Alstom sollen nach der Inbetriebnahme des Stuttgarter Tiefbahnhofs (auch) auf der Neckar-Alb-Bahn Stuttgart–Tübingen fahren.
Foto: Visualisierung: Alstom

Auch das Auf und Ab der drei Aufzüge an den Bahnsteigen der Gleise 1, 2/3 und 4, die der Minister besichtigt hat, ist noch Zukunftsmusik. Genauso sind es die neue Bahnsteigüberdachung am Gleis 2/3 und neue, großflächigere Zugzielanzeiger, die auch über Verspätungen informieren und die bisherigen schmalen Laufschriftanzeigen ersetzen werden. »Große Displays mit der tatsächlichen Abfahrtszeiten und den nächsten Halten werden installiert«, berichtete Stadtbauamtsleiter Konrad Berger. Wann, ist noch offen.

Der Mittelbahnsteig, an dem bisher Reisende noch allzu oft im Regen stehen, wird eine 420 Meter lange Überdachung bekommen - allerdings erst dann, wenn feststeht, wo die neuen Signale stehen, die wiederum an den Bau des Stellwerks gekoppelt sind. Die Aufzüge, denen noch der Starkstrom fehlt, sollen Stand heute Ende des zweiten Quartals 2024 in Betrieb gehen, zumindest die an Gleis 1. »Aber ich bin nur der Bote der Deutschen Bahn«, wies Berger auf die Vorläufigkeit mancher Zeitpläne hin. »Können wir sie nicht an unser gut funktionierendes städtisches Stromnetz anschließen?«, fragte die städtische Inklusionsbeauftragte Natalie Henkel. Das geht wohl nicht so einfach.

Vorplatz bleibt Hängepartie

Der Stadtverband der Grünen feiert den Bahnhof trotz aller Diskussionen vor Ort schon mal als »moderne Verkehrsdrehscheibe«. Zu der auch der Busbahnhof am Vorplatz gehört, den die Stadt umbauen lassen will, was aber ebenfalls noch eine Hängepartie ist. »Derzeit läuft die Planungsphase für das Moblitätsentwicklungskonzept, wir wollen es zeitnah umsetzen, aber nicht vorgreifen«, sagt Metzingens Baubürgermeister Markus Haas, der wie die anderen Redenden das gemeinsame Engagement für die Bahnhofsmodernisierung lobt.

Minister Hermann war »gekommen, um zu sehen, was sich tut und was noch nicht so funktioniert«. Dieses Ziel hat er erreicht. So wie er es im Lauf seiner Dienstjahre erreicht hat, landesweit einen verdichteten Regionalverkehrstakt mit Neubauzügen einzurichten. Nach einer runden Stunde im halbschmucken Bahnhof, dessen Unterführung noch Anti-Graffiti-Paneele mit schönen Motiven aus der Welt der Bahn und der Stadt Metzingen bekommen wird, verabschiedet er sich in Richtung Stadthalle. Um dort im Foyer aus seinem neuen Buch zu lesen. »Und alles bleibt Anders« heißt es. Was auch für den Metzinger Bahnhof gelten kann. (GEA)