METZINGEN. Unverhofft kommt oft. Michael Kleinfelder weiß davon gleich doppelt ein Lied zu singen. In Reih' und Glied standen die drei Häuser aus dem 18. Jahrhundert in der Ulmer Straße. Das mittlere mit der Hausnummer 52 wurde im Sommer abgebrochen. Das rechte, Adresse Ulmer Straße 50, gehört Kleinfelder. Ist es zur Straßenseite hin blau verputzt, hat der 69-Jährige auf der Giebelseite eine Überraschung erlebt: Nach dem Abbruch kam eine Fassade mit uraltem Fachwerk zum Vorschein.
Dabei sind Holz, Lehm und Stein in alter Machart verbunden. Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier klärt über die Einzelheiten auf. Er weiß, dass das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1779 stammt. »Die Gefache wurden mit Flechtwerk aus Weiden versehen und dann mit Lehm bestrichen, wie an der Giebelspitze noch zu erkennen ist.« Weiter unten fehlt der Lehm-Überzug dagegen, da das Gebäude Ulmer Straße 52 direkt angebaut wurde.
Wunsch nach einem Meter Luft
Geht es nach Michael Kleinfelder aus dem 50er-Haus, ginge es künftig nicht mehr so anschmiegsam zu. »Ein Meter Platz auf jeder Seite wäre geschickter – falls mal wieder etwas ist.« Wie er mit der im ungeahnten Look freiliegenden Fassade umgeht, die seit etlichen Wochen viele Blicke vom Passanten, Rad- und Autofahrern auf und entlang der stark befahrenen Ulmer Straße auf sich zieht, ist noch nicht bis ins Detail klar. »Ich hab gedacht, ich bräuchte nur einen Gipser, als das Nachbarhaus abgerissen wurde«, blickt Kleinfelder zurück.
Jetzt werden auch Zimmermann und Maurer benötigt, denn »zwei Balken müssen weg«. Problem: »Es gibt Handwerkermangel. Alle haben keine Zeit.« Zu tun hätten sie einiges am uralten Haus von Michael Kleinfelder, denn beim Abbruch des Nachbarhauses hat der Bagger das Dach von Kleinfelders Haus beschädigt. »In den Garten sind Dachplatten geflogen«, hat der Hausherr beobachtet. »An der Schadstelle ist das Dach nicht mehr stabil. Wenn es regnet, könnte das Wasser hineinziehen.« Auf 40.000 Euro überschlägt der Rentner die Handwerkerkosten, die allerdings nicht er selbst, sondern die Firma, die die Schäden verursacht hat, oder ihre Versicherung zu tragen haben.
Hauseigentümer gipst selbst auch
Mittlerweile steht das Gerüst und die Reparaturen können losgehen. Sind sie geschafft, kann der Eigentümer des Nachbargrundstücks sein neues Haus hochziehen. Michael Kleinfelder wird seinen Wunsch nach dem Meter Luft zwischen den Gebäuden wohl nicht erfüllt bekommen. »Die Stadt will ein Haus ohne Abstand.« Nachdem es früher aber keinen gab, muss der Bauherr auch künftigen keinen einhalten.
Im Lauf des Jahres 2025 könnte das neue Gebäude Gestalt annehmen. Michael Kleinfelder wird an seinem Gebäude und drumherum so weit wie möglich selbst anpacken. »Ich bin handwerklich fit und habe im Haus schon viel erneuert.« Gegipst etwa. Und zuletzt abgebröckelte Steine weggeräumt. Jetzt kann er wieder Hand anlegen. Und sein Haus selbst mit wieder fit machen. (GEA)