BAD URACH-HENGEN. Alles hat mal ganz harmlos angefangen: Im August 2024 hing an einem Ladewagen auf einer Hengener Wiese das Transparent mit der Aufschrift »AMAZON hier???«. Den Online-Giganten ins Spiel gebracht hatte Hermann Kiefer. Er ist der Chef des Hengener Unternehmens »Isatis montana«, das Stauden, Gräser und Moose für Dachbegrünungen an- und verpflanzt. Einen Namen gemacht hat er sich auch, weil er viele Geflüchtete angestellt hat. Außerdem sind seine Werke für den Uracher Swingchor legendär. Kiefer hatte spitzgekriegt, dass es schon länger Gespräche zwischen dem Online-Giganten und dem Uracher Gemeinderat gegeben hatte.

Das Transparent hängten Ortsvorsteher Gerhard Stooß und Bürgermeister Elmar Rebmann kurz vor dem Dorfhock ab, weil der Ladewagen auf einem städtischen Grundstück stand, das an örtliche Landwirte verpachtet war. Für Kiefer ein Beweis dafür, wie brisant das Thema war. Dass an dem Gerücht was dran war, und zwar sehr konkret, räumte der Uracher Verwaltungs-Chef dann im September ein. Man habe mit Amazon eine Reservierungserklärung abgeschlossen, mehr nicht.

Kritisiert hatten viele Hengener um Hermann Kiefer, dass der Gemeinderat lange hinter verschlossenen Türen mit Amazon verhandelt und schon eine Reservierungserklärung abgeschlossen hatte. Von »Geheimhaltungspolitik« war bei einem Bürgerforum die Rede. Heftiger noch: Der Gemeinderat sei »bestochen« worden. Dass Geld geflossen ist, verneinte Elmar Rebmann bei einer Informationsveranstaltung mit zwei Amazon-Vertretern gar nicht, betonte aber, das Geld werde auf den Kaufpreis angerechnet, wenn der Vertrag zustande komme. »Es gibt noch keinen notariellen Kaufvertrag«, sagt der Uracher Bürgermeister jetzt auf GEA-Anfrage.
»Ziel ist es, den Bebauungsplan vor der Sommerpause zu beschließen«
Im Oktober brachte der Gemeinderat dann das Bebauungsplanverfahren auf den Weg. Die Räte hatten sich damals noch über Details wie eine verpflichtende extensive Dachbegrünung gestritten, die Mehrheit stimmte dem B-Plan aber zu und machte damit den Weg frei für Amazon. Damals war der Uracher Bürgermeister davon ausgegangen, dass der Bebauungsplan im Frühjahr 2025 stehen könnte. Also jetzt. Wie sieht's aus?

»Es sind Stellungnahmen zu dem Bebauungsplan eingegangen«, sagt Rebmann. Zu einem Bebauungsplan kann grundsätzlich jede Person Stellung beziehen - also nicht nur direkte Anrainer des acht Hektar großen Gewerbegebiets »Rübteile II«, sondern auch ganze normale Bürger der Gemeinde. Dazu kommen die »Träger öffentlicher Belange« - also Behörden wie das Umwelt- und das Straßenbauamt und natürlich Umwelt- und Naturschutzverbände. »Die Stellungnahmen werden derzeit in die Abwägungstabelle eingearbeitet und bearbeitet«, sagt Bürgermeister Elmar Rebmann. Die Einwendungen im Einzelnen kann er gar nicht kennen, das machen die Fachleute im Rathaus. Nach einem groben Überblick sagt er: »Es zeichnen sich Lösungen ab, es gibt darin keine unüberwindbaren Dinge.« Rebmann: »Ziel ist es, den Bebauungsplan vor der Sommerpause zu beschließen.«
Zur Stimmung in Hengen: »Wenn ich mein Wahlergebnis anschaue, schätze ich mal fifty-fifty«, sagt Rebmann. Bei der Bürgermeisterwahl am 20. Oktober 2024 erhielt er in dem Teilort nur 44,1 Prozent Zustimmung - 50,9 Prozent wählten den CDU-Chef im Uracher Gemeinderat Michael Schweizer, der gar nicht auf dem Stimmzettel stand.
»Ende '25, Anfang '26 könnte dann der erste Bagger kommen - das wäre dann der Baubeginn«
Fifty-fifty - die eine Hälfte für die Amazon-Ansiedlung, die andere dagegen: Diese Einschätzung teilt auch Hermann Kiefer, der den Protest ins Rollen gebracht hat und sich beim Bürgerforum und der Bürgerinfo im August und im September 2024 als deutlichster Kritiker profiliert hatte. Das erste Transparent »Amazon hier???« hängt mittlerweile an seinem Haus. »Da hat jemand ganz klein 'Nein danke' druntergeschrieben«, sagt er. Inzwischen steht ganz groß »JA!« drunter. Ein Erster-Mai-Scherz, sagt Kiefer, die Kreide-Schrift ist genau dort aufgetaucht. Er war sportlich genug, das erst mal stehen zu lassen, weiß aber immer noch viele aus Hengen auf seiner Seite. Rund 20 Aktive machten nach wie vor gegen das Verteilungszentrum Front. »Die Leute, die hinter uns stehen, sind aber mehr«, sagt Kiefer.

Hermann Kiefer weiß natürlich von einigen Einsprüchen im Bebauungsplanverfahren. In naturschutzrechtlichen Fragen wie der nach der Versickerung seien noch einige Fragen offen. Auch wenn der Ton hörbar kämpferischer geworden ist: Es werde wohl niemand beim Verwaltungsgerichtshof eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan einlegen. Nicht wegen des Aufwandes. Eine Normenkontrollklage einreichen kann nur, wer sein eigenes Recht verletzt sieht. Konkret geht es um die Verletzung des Eigentumsrechts oder der Beeinträchtigung des Gebots der Rücksichtnahme. Das ist in Hengen nicht der Fall.
Wenn der Gemeinderat den Bebauungsplan wie geplant noch vor der Sommerpause verabschiedet, müssen die Erschließungsarbeiten ausgeschrieben werden, die sich dann über ein gutes halbes Jahr ziehen. Im Oktober hatte Bürgermeister Rebmann gesagt: »Ende '25, Anfang '26 könnte dann der erste Bagger kommen - das wäre dann der Baubeginn.« Das bleibt das Ziel sagt er. (GEA)