METZINGEN/MÜNSINGEN/BAD URACH. »Mehr für uns ist besser für alle«, skandierten die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, die sich am Montag vor den Rathäusern in Metzingen, Münsingen und Bad Urach zur Kundgebung versammelt hatten. Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Warnstreik aufgerufen, nachdem die Verhandlungen mit den Arbeitgebern in der ersten Tarifrunde am 24. Januar aus ihrer Sicht nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hatten. Die Gewerkschaft fordert eine Erhöhung der Entgelte um acht Prozent, mindestens aber 350 Euro monatlich. Zum Streik aufgerufen waren neben Mitarbeitenden der Kommunen und der Straßenmeisterei des Landkreises auch Beschäftigte der Bruderhaus-Dia-konie, und der Albklinik in Münsingen. Deren Entgelte orientieren sich an den Tarifanschlüssen des Öffentlichen Diensts.
Nicht nur in Großstädten wie Reutlingen und Tübingen präsent zu sein, sondern auch in den kleineren Städten im Kreis: »Das ist uns wichtig«, sagte Doreen Bormann, die als Verdi-Hauptamtliche die Kundgebung in Münsingen leitete. Der Streik-Aufruf war dort auf offene Ohren gestoßen. Bormann und ihre Kollegen Branka Ivanisevic und Dennis Thomas zählten rund 100 Teilnehmende auf dem Matthias-Erzberger-Platz – das reichte für ein ordentliches Trillerpfeifenkonzert, das man im benachbarten Rathaus nicht überhören konnte.
»Wenn in der zweiten Runde nichts passiert, werden wir’s hocheskalieren«
Trotzdem: Aus der Verwaltung selbst war kaum eine Handvoll Menschen draußen auf dem Platz, den vor allem Mitarbeitende der Kindertagesstätten und des Bauhofs füllten. Tino Döbler, zuständig, für den Friedhof, hat sich für den Streik entschieden, obwohl für Montag eine Beerdigung anstand – auch, um damit ein deutliches Zeichen zu setzen: »Erst zur Kundgebung und danach zur Arbeit? Das wäre der falsche Weg. Nur so merken die Leute, dass was fehlt, wenn wir nicht da sind.« Die Urnenbeisetzung fand trotzdem statt, berichtete Amtsleiterin Rebecca Hummel auf Nachfrage. Sie wurde früh genug informiert, um rechtzeitig einen Plan B auf die Beine zu stellen: Das Bestattungsunternehmen hat die Aufgaben, die sonst den städtischen Friedhofsmitarbeitern zufallen, übernommen – gegen Rechnung selbstverständlich. In solchen Fällen findet sich immer eine Lösung, das sei aus Gründen der Pietät im Interesse der Gewerkschaft, betonte Doreen Bormann.
Deutlich spürbar waren die Auswirkungen im Kinderbetreuungsbereich, berichtete Rebecca Hummel: »Mehrere Kitas wurden komplett bestreikt und blieben deshalb geschlossen, wir konnten keine Notbetreuung anbieten.« Hummel zeigte für die Streikenden durchaus Verständnis, sie ist – wie auch Bürgermeister Mike Münzing – selbst Mitglied der Gewerkschaft. Gleichwohl: »Ich hätte mir eine frühere Ankündigung gewünscht«, sagte sie, der Streikaufruf ging erst am Donnerstagnachmittag ein.
Zahlreiche neue Mitgliedsanträge
In Münsingen war es nach 2023 der zweite Streik, in den zurückliegenden fünf, sechs Jahren hat Verdi in der Stadt deutlich an Mitgliedern hinzugewonnen, und auch am Montag wurden etliche Mitgliedsanträge ausgefüllt, wie Doreen Bormann berichtete. Eher enttäuscht waren sie und ihre Mitstreiter von der Albklinik: »Ich habe mit 50 Mitarbeitenden dort gesprochen«, erzählte Branka Ivanisevic, die bereits vor der Kundgebung in den frühen Morgenstunden in der Klinik um Unterstützung warb. Auf den Erzberger-Platz gekommen war letztendlich aber nur eine einzige Beschäftigte der Klinik, die anderen wollten oder konnten ihre Patienten und Kollegen nicht im Stich lassen.

Rund 40 Streikende hatten sich am Montagmorgen vor dem Rathaus in Metzingen versammelt. Deutlich weniger als vor zwei Jahren – da waren es noch rund hundert –, sagt Paul Waßmer, Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich A (Finanzdienstleistungen, Kommunikation, Medien und Entsorgung) von Verdi Fils-Neckar-Alb ein. »Der wirtschaftliche Druck war damals bei vielen höher.«
»Manche lassen sich davon einschüchtern, dass die Verwaltung sagt, dass die Kassen leer sind«
Was dazu kommt: »Manche lassen sich davon einschüchtern, dass die Verwaltung sagt, dass die Kassen leer sind«, so Waßmer. »Wir als Gewerkschaft sehen es nicht ein, dass es die Bürgermeister nach unten durchreichen.« Mehr als hunderttausend unbesetzte Stellen in der Kinderbetreuung, eine halbe Million im gesamten Öffentlichen Dienst – und damit mehr Stress für die, die arbeiten (»Mehr als 60 Prozent können sich nicht vorstellen, so gesund bis zur Rente zu arbeiten«): Für den Gewerkschaftssekretär Grund genug, zu streiken. Es gehe nicht nur darum, besser bezahlt zu werden, sondern auch – mit besseren Arbeitsbedingungen »Leute zurückzugewinnen für einen Job, der einen nicht kaputt macht«.
»Arbeitskampf ohne Streik ist wie Betteln«, betonte Jannik Sum, der bei Verdi für den Fachbereich B (Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr) zuständig ist. »Es ist Sinn und Zweck des Streiks, ökonomischen Schaden anrichten zu können«, betonte der Gewerkschaftssekretär, »sonst merkt es ja niemand.« Er sieht den Ball jetzt bei den Arbeitgebern – und zeigt sich kämpferisch: »Wenn in der zweiten Runde nichts passiert, werden wir’s hocheskalieren.« Erst in kleineren Kommunen wie jetzt – in Metzingen waren auch ein paar Streikende aus Grafenberg dabei –, dann groß in Reutlingen.
Gestern waren die Auswirkungen des Streiks noch sehr überschaubar: Im Metzinger Kinderhaus Ohmstraße wurde die Ganztagsbetreuung um eine Stunde verkürzt, in Bad Urach war nichts vom Arbeitskampf zu spüren. (GEA)