PLIEZHAUSEN. Auf dem Weg zur Kirche legten die Pliezhäuser den kleinen Täuflingen den Brautschleier der Mutter übers Gesicht – gegen böse Blicke und fiese Geister. Zwar war man christlich, aber schließlich weiß man nie… Mehr über solche Bräuche können Interessierte ab sofort im Dorfmuseum Pliezhausen erfahren, das am Freitag nach der Winterpause wieder öffnete. Das diesjährige Thema der Sonderausstellung lautet »Feste, die durchs Leben tragen – Taufe, Konfirmation, Hochzeit«. Viele Gäste hatten sich bei herrlichem Wetter im stimmungsvollen Hof eingefunden. Für die musikalische Umrahmung sorgten schwungvoll »The Smugglers« mit Irish Folk.
In seiner Begrüßung betonte der stellvertretende Bürgermeister Alexander Zimmermann, man sei sehr stolz auf das Museum in einem Hof von 1570. »Dieser kulturelle Hotspot kann aber nur funktionieren, weil sich ehrenamtliche Kräfte engagiert einsetzen.« In der neuen Ausstellung würden anschauliche Einblicke in das Leben früherer Zeiten vermittelt.
Je nach Geldbeutel auch ein Braten
In mehreren Räumen hat der Arbeitskreis die Feste aufbereitet: durch Originalobjekte aus dem eigenen Bestand, Texte und Fotografien. Im Themenbereich »Taufe« ist ein Tisch als Festtafel hergerichtet. »Es gab die `Täufete Supp´, die je nach Geldbeutel auch ein Braten sein konnte«, erläutert AK-Mitglied Heiderose Tiefenbach. Ausgestellt sind Babyhäubchen, Milchflaschen und Taufkleidchen wie jenes von 1913, in dem bis heute die Namen der Täuflinge eingestickt wurden.
Besonders bei der Geburt lagen Leben und Tod nah beieinander. Man traf sicherheitshalber auch abergläubische Vorkehrungen. »Die Hebammen, die früher Wehmütter oder Geschworene Weiber hießen, mussten versprechen, dass sie keinerlei Zauber anwandten.« Die Wöchnerinnen galten als »unrein«, so dass ihnen eine Reihe von Verboten auferlegt wurde. Unter anderem durften sie keinen Most holen gehen, damit er nicht sauer wurde. Doch bekamen sie eine »Kebetter-Schüssel« mit stärkenden Mahlzeiten. Spannend zu lesen sind auch die Zeitzeugenberichte von Hebammen aus Pliezhausen.
Konfirmationsfotos um 1910 zeigen die Knaben mit Hut und die Mädchen mit angesteckten Nelken. Als Geschenk gab es versilberte Kaffeelöffel oder Sammeltassen sowie das erste »Likörle«. Eine Kostbarkeit in der Ausstellung sind die aufwendig gestalteten Konfirmationssprüche, vor allem die berühmten Bildkästen der Walburga Enderle (1855-1937) aus Feldstetten. »Sie baute ihre Nähmaschine zu einer Säge um und gestaltete damit unglaubliche, filigrane Kunstwerke«, so Heiderose Tiefenbach.
An den Sonntagen geöffnet
Das Dorfmuseum in Pliezhausen ist von Mai bis Oktober sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Auch außerhalb dieser Zeit können Gruppenführungen gebucht werden, unter der Telefonnummer (07127) 9770. Besondere Aktionstage werden jeweils in der Presse angekündigt. (gbo)
Bei Hochzeiten gab es für die Gäste aus dem »Hefekranzschurz« der Brautmutter für jeden zur Begrüßung ein Stück Hefezopf. Als Hauptmahlzeit gab es Hirnsuppe, das traditionelle Hochzeitsessen. Genauestens wurde verzeichnet, welchen Besitz der Bräutigam und welchen die Braut mit in die Ehe brachte. Unter den Geschenken waren auch frivole Artikel, die die beiden Hochzeiter als Püppchen zusammen im Ehebett zeigten. Thematisiert werden auch rechtsgültige Ferntrauungen, bei denen die junge Frau zuhause vor dem Standesbeamten und der Ehemann als Soldat vor dem Kommandanten ihr Jawort gaben.
»Solche Feste waren freudige Höhepunkte, auch in politisch oder wirtschaftlich schweren Zeiten und schweißten die Dorfgemeinschaft zusammen. Vor allem die großen Hochzeiten vermittelten ein Gefühl von Heimat«, erläuterte die Fachfrau.