METZINGEN. Für 49 Euro in ganz Deutschland Busse und Bahnen nutzen, das ist ab dem 1. Mai möglich. Denn ab dem Tag gilt das neue Deutschlandticket, das wegen des Preises auch 49-Euro-Ticket genannt wird. Wie schon beim Vorläufer, dem 9-Euro-Ticket, deckt es den gesamten Nahverkehr im Land ab. Der Vorteil: Fahrgäste brauchen sich keine Gedanken mehr darüberzumachen, wie viele Waben oder Zonen oder Ringe sie für ihre Fahrt von A nach B lösen müssen. Letztlich brauchen sie nur das Ticket und können einsteigen.
Davon profitieren auch Zugreisende, die von Metzingen, Reutlingen oder Tübingen im Gebiet des Verkehrsverbunds Neckar-Alb-Donau (Naldo) in Richtung Stuttgart fahren. Denn die Landeshauptstadt und die umliegenden Landkreise gehört zum Verkehrs- und Tarifverbund (VVS). Von Metzingen aus ist die Station Bempflingen die Grenze. Bisher brauchten Fahrgäste entweder eine Extrafahrkarte für jedes Gebiet oder sie mussten über die Deutsche Bahn Tickets verbundübergreifend buchen. Dieses Stückeln hat nun für die Nutzer des 49-Euro-Tickets ein Ende.
Bis zum Stichtag, 15. April, haben innerhalb des Verbunds Naldo knapp 11.000 Fahrgäste das Deutschlandticket gekauft. Naldo-Geschäftsführer Christoph Heneka kommentiert diese Zahl, dass damit »die von uns erwartet große Nachfrage eingetreten« ist. »Wir freuen uns, dass nach dem Jugendticket BW auch das Deutschlandticket bei unseren Fahrgästen sehr gut ankommt, ermöglicht es doch ein einfaches und preisgünstiges Bus- und Bahnfahren in ganz Deutschland«, sagt Heneka.
»Perspektivisch rechnen wir mit 17 Millionen Nutzern«
Zunächst gibt es dieses im Naldo-Gebiet nur als Papierticket, auf das ein QR-Code für die Ticketkontrolle aufgedruckt ist. Zum 1. Juli soll es als Jobticket und als E-Ticket für Smartphones erhältlich sein, berichtet Heneka. Im Gegensatz zum 9-Euro-Ticket als Vorläufer lässt sich das 49-Euro-Ticket allerdings nicht spontan, etwa beim Busfahrer, oder auf dem Bahnsteig über eine App oder einen Automaten kaufen. Das hätten Fahrgäste gegenüber dem Naldo immer wieder kritisiert, sagt Heneka. Doch dafür gebe es politische Gründe: »Die Vorgabe des Bundes sei eindeutig, dass das Deutschlandticket als Abonnement anzubieten ist.«
Die Mitarbeiter der Naldo-Abocenter, vor allem die der Stadtwerke Reutlingen und Tübingen hätten sehr viel zu tun gehabt mit der Beratung und den Bestellungen. Wer ein Deutschlandticket im Mai nutzen will, musste das bereits bis zum 15. April bestellen. »Erste Auswertungen haben ergeben, dass unter den Bestellungen rund 25 Prozent Neukunden sind«, sagt Heneka. Bis Ende April verschickt der Naldo nun die Deutschlandtickets.
Auch über die Deutsche Bahn (DB) ist das Deutschlandticket erhältlich. Wie eine Pressesprecherin der DB in Stuttgart auf GEA-Anfrage mitteilt, hat diese in den ersten drei Tagen nach dem Start bundesweit 250.000 Tickets verkauft. »Es werden täglich mehr. Perspektivisch rechnen wir mit rund 17 Millionen Nutzerinnen und Nutzern.« Die Zahlen seien aus Sicht der Sprecherin aber nicht so aussagekräftig, weil eben die Verkehrsverbünde in ganz Deutschland auch das 49-Euro-Ticket anbieten.
FAKTEN ZUM NEUEN TICKET
Das Deutschlandticket wird auch 49-Euro-Ticket genannt, weil es pro Monat 49 Euro kostet. Der Betrag wird zum Monatsbeginn per Lastschrift abgebucht. Das Ticket gilt bundesweit im Nahverkehr, ist gewöhnlich an eine Person gebunden und nur mit Naldo-Plus-Option übertragbar. Kinder unter sechs Jahren fahren kostenlos mit. Das Deutschlandticket ist ein Aboangebot. Es muss bis zum 15. des Vormonats beantragt werden. Das war für den Mai der 15. April. Wer es nicht mehr braucht oder nutzen möchte, kann es monatlich kündigen. Möglich ist auch eine Unterbrechung, die das Abocenter bis zum 10. des Vormonats wissen muss. (mak)
Der Verkehrspolitiker und Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel von den Grünen aus dem Wahlkreis Nürtingen begrüßt das neue Fahrkartenangebot: »Das 49-Euro-Ticket zielt im Gegensatz zum im Sommer angebotenen 9-Euro-Ticket eher auf Pendelnde. Für sie ist das Ticket eine wesentliche Vereinfachung, und sie können so auch im Freizeitverkehr unkompliziert den Öffentlichen Nahverkehr nutzen.« Ein wesentlicher Vorteil sei, dass komplizierte Regelungen wie Tarifzonen entfallen. »Von diesen Vereinfachungen erwarten wir eine stärkere Verlagerung auf die Schiene«, sagt Gastel. Er fordert aber, dass die Regionalisierungsmittel des Bundes und die Finanzierung der Länder gestärkt werde. Schließlich müsse das Nahverkehrsangebot weiterhin ausgebaut werden. Gastel: »Einfaches Ticketing und ein besseres Angebot müssen gemeinsam erfolgen.«
»Das neue Ticket beendet den Flickenteppich von Waben und Tarifzonen«
Peter Stary und Susanne Eckstein, die beiden Sprecher der VCD-Kreisgruppe Reutlingen, sehen Licht und Schatten beim neuen Angebot. »Zuallererst sehen wir den riesigen Vorteil des neuen Tickets für vorerst 49 Euro: Es beendet den Flickenteppich von Waben, Tarifzonen und Verbundgrenzen«, teilen die beiden Sprecher mit. Gerade für Berufspendler lohne sich das Deutschlandticket. Für drei bis fünf Waben hätten sie schon mal 140 bis 220 Euro gezahlt.
Doch das Angebot komme nicht für alle Pendler infrage. »So werden zum Beispiel Bewohner von Ödenwaldstetten oder Undingen keine 49 Euro monatlich ausgeben für einen Nahverkehr, der kaum stattfindet, und deshalb mit dem Auto zum Arbeitsplatz oder zum Einkaufen in die Zentren fahren.« Für eine richtige Verkehrswende, die den CO₂-Ausstoß deutlich senke, brauche es mehr als ein günstiges Ticket. Zwar seien im Sommer 2022 viele 9-Euro-Tickets verkauft worden, aber vor allem für zusätzliche Fahrten genutzt worden. Nur wenige seien dauerhaft vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen. Und selbst die hätten spätestens bei Bahnpannen wieder das Auto genutzt.
"Angesichts dieser Umstände wird nach unserer Einschätzung das Deutschlandticket nur einen marginalen Effekt auf den CO2-Ausstoß haben. Hingegen könnten ein ÖPNV-Ausbau in der Fläche und pünktlicher, zuverlässiger Bahnverkehr zusammen mit dem 49-Euro-Ticket tatsächlich viele Menschen zum nachhaltigen Wandel bewegen", teilen Peter Stary und Susanne Eckstein mit. (GEA)