KREIS REUTLINGEN. Jäger sollen weiße Rehe nicht schießen, heißt es in einer alten Legende. Machen sie es trotzdem, droht ihnen der Tod eines Familienmitgliedes. Umgekehrt bringt es dem Jäger demnach Glück, wenn er ein solches Tier nicht erlegt. Mit der Realität hat dieser Aberglaube nichts zu tun, denn Albino-Rehe selbst sind im konkreten Fall viel eher bedroht, aber nicht durch die örtliche Jägerschaft: »Wenn bekannt wird, dass hier bei uns ein weißes Rehkitz in den Wäldern lebt, dann versuchen alle möglichen Leute es zu finden, zu filmen und zu fotografieren«, weiß der zuständige Jagdpächter. Das berge die große Gefahr, dass das außergewöhnliche Wild gestört, aufgescheucht und es so im schlimmsten Fall über die nächste Straße flieht und dort überfahren wird.
Um das Tier genau davor zu schützen, nennt der GEA weder den Ort der jüngsten Sichtung, noch den Namen des Jagdpächters. Er und seine Kollegen wollen die Wildtiere vor Schaulustigen und Menschen schützen, die die Wälder durchstöbern, auf der Suche nach einem Sensations-Schnappschuss vom weißen Rehkitz. Der erfahrene Fachmann bestätigt die Sichtung eines Albino-Rehkitzes in seinem Hegebereich. Ein aufmerksamer GEA-Leser liefert gleichzeitig ein kleines Video, das er mit seinem Smartphone vom auffälligen Jungtier aufgenommen hatte.
Dieses belegt die Angaben des Jagdpächters: »Gerade jetzt im Herbst ist das helle Tier im Wald besonders gut zu entdecken, weil die Bäume ihre Blätter verlieren und es sich von seiner Umgebung deutlich absetzt«, erklärt er. Es sei außerdem nicht das einzige Albino-Reh in diesen Waldgebieten. Auch zwei erwachsene Tiere seien schon entdeckt und dokumentiert worden. Diese Tiere gelte es ebenfalls vor neugierigen menschlichen Nachstellungen zu schützen.

Wie außergewöhnlich und selten die Sichtung eines weißen Rehs in freier Wildbahn hierzulande ist, macht nicht nur ein Blick in die Statistik deutlich, sondern auch die Reaktion des GEA-Lesers. Laut Schätzungen kommt nämlich nur eins von etwa 100.000 Rehen als Albino-Reh auf die Welt. Bei einer Rehwild-Population von etwa 2,5 Millionen Tieren in Deutschland, dürfte es also nur etwa 25 weiße Rehe bundesweit geben. Drei von ihnen befinden sich also gesichert im Kreis Reutlingen.
Das weiß wohl auch der GEA-Leser und meint: »Ich wollte meinen Augen kaum trauen, als ich das Tier so nah vor mir sah. Es machte überhaupt keine Anstalten, wegzulaufen und war absolut ruhig.« Er habe das Tier weder gestört noch aufgescheucht. Als er den Wald verlassen habe, sei es immer noch dort gestanden, versichert er dem GEA.

Weiße Rehe haben eine genetisch bedingte Pigmentstörung, die auch als Albinismus bei Menschen bekannt ist. Das Fell der Tiere hat keinen Farbstoff. Eine Mutation der Natur, die nicht unbedingt weitervererbt werden muss. Auch deshalb ist die Zahl der Tiere so gering, und ihre Sichtung gilt als Sensation.
Für die Jäger, in deren Hegebereich sich die drei weißen Rehe befinden, ist derweil klar: Diese Tiere werden nicht geschossen, sondern müssen unbedingt geschützt werden. Mit Blick auf die alten Legenden dürfte das nicht nur den Jägern Glück bringen. (GEA)