REUTLINGEN/METZINGEN. Was für eine Bescherung. Und das an Weihnachten, am 25. Dezember 2023. Lange her, doch Richterin Celine Eich vom Amtsgericht Reutlingen musste sich am Mittwoch mit einem Fall beschäftigen, der so gar nichts Weihnachtliches an sich hatte: Am ersten Weihnachtsfeiertag kamen kurz vor Mitternacht drei Männer aus Reutlingen nach Metzingen, um einem dort lebenden 26-Jährigen eine Abreibung zu verpassen.
Sie hatten sich vorher schriftlich angekündigt. Als das Trio vor der Tür stand, erhob sich der Metzinger von der Weihnachtstafel und ging mit einem Baseballschläger bewaffnet vor die Haustür. Einer aus dem Trio hatte einen Teleskopschlagstock dabei. Gerade als der Metzinger zuschlagen wollte, war sein Kontrahent schneller. »Der Geschädigte hat ganz schön übel ausgesehen, sein ganzes Gesicht war voller Blut«, berichtete ein Polizeibeamter, der damals vor Ort war. Der gewalttätige Streit war jedoch schnell wieder beendet, als der Schwager des Verletzten auftauchte. Das Trio sei dann geflüchtet.
Verprügelter nennt Namen der Täter
»Der Geschädigte wollte aber erst mal nichts zu dem Geschehen sagen«, so der Polizeihauptkommissar. Sein Eindruck: »Hätte der Schwager nicht die Polizei gerufen, wären wir gar nicht vor Ort gewesen.« Dann entschloss sich der Geprügelte aber doch zu einer Aussage: »Er nannte uns zwei Namen.« Den Dritten habe der Geschädigte nicht erkannt.
Er sei da in was reingerutscht, sagte der mit 1,6 Promille alkoholisierte 26-Jährige vor knapp zwei Jahren. Das habe mit Omerta zu tun, mit Betäubungsmitteln und Schulden, so der Polizist. Am Mittwoch in der Verhandlung wollte der Geschädigte hingegen nichts mehr davon wissen. Er sei erpresst worden. 12.000 Euro habe er an den 23-Jährigen bezahlt, der ihm auch an Weihnachten das Nasenbein gebrochen hatte.
Mit dem Tode gedroht
Und warum?, fragte die Richterin. Der Hauptangeklagte und sein Onkel hätten behauptet, dass der Metzinger Schulden bei ihnen hätte, insgesamt 12.000 Euro. Das Eintreiben des Geldes sei durch massive Drohungen unterstrichen worden, auch gegenüber der Mutter des 26-Jährigen. Was für Drohungen? »Wir werden euch töten, ihr werdet schwarze Weihnachten erleben – so was«, berichtete die Mutter als Zeugin. Ihr Sohn habe zu ihr gesagt, dass er Schulden habe, und dass er deshalb nun bedroht werde.
Warum er die Schulden hatte? Die Mutter habe nicht weiter nachgefragt, der Sohn sagte: »Es gab keinen Grund, die wollten einfach Geld von mir haben.« Logisch klang das nicht. Doch die Mutter hatte bezahlt. Warum die erpresste Familie nicht zur Polizei gegangen ist? »Ja, das hätten wir tun sollen, aber ich hatte zu viel Angst. Wir alle hatten damals keinen klaren Kopf«, so die Mutter.
26-Jähriger war angeklagt
Immer wieder kamen von Richterin Eich und Staatsanwalt Maurizio Ruoff die Hinweise an Mutter und Sohn, dass sie auf all die Fragen nicht antworten müssten – wenn sie sich damit selbst belasten würden. Warum diese Mahnungen ständig kamen, blieb lange unklar. Bis gesagt wurde, dass der 26-jährige Metzinger in einem anderen Verfahren wegen eines getöteten Mädchens angeklagt war.
»Das war aber Bullshit, alles frei erfunden«, sagte der eigentlich Geschädigte. Und die Chatverläufe auf seinem Handy – ebenfalls alles erlogen. Wie das funktionieren könnte? Auf dem Smartphone des nun Angeklagten sei doch eine Software gefunden worden, mit der man Fake-Chatverläufe gestalten könne, sagte der Metzinger. Woher er das wisse? Naja, in dem anderen Verfahren habe ihm sein Anwalt die Akten gezeigt. Vieles ist in diesem Verfahren noch unklar, mehr Klarheit soll der Polizeibeamte bringen, der sowohl die gefährliche Körperverletzung als auch die Erpressung bearbeitet hatte. Doch der Polizist war am Mittwoch nicht geladen.
Verfahren wird fortgesetzt
Alle Beteiligten in dem Verfahren hoffen nun am Mittwoch, 26. November, ab 13 Uhr auf Erhellung. Hatte der Metzinger nun tatsächlich Schulden bei dem Hauptangeklagten und seinem Onkel? Oder war es so, wie der Geschädigte gesagt hatte: »Keine Ahnung, warum die mich erpresst haben, die wollen halt nichts arbeiten.« (GEA)
Verfahrensbeteiligte:
Richterin Celine Eich, Staatsanwalt Maurizio Ruoff, Rechtsanwälte Horst Epple und Benjamin Fischer. (nol)

