METZINGEN. Haben Sie sie schon gesehen? Die ersten Vorboten, die meistens plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen und dann ganz selbstverständlich Teil unseres Alltags werden? Die Rede ist von Lebkuchen, dicken Pullovern oder Wintermützen. Ja, liebe Leserinnen und Leser, in rund drei Monaten ist Weihnachten. Kalendermäßig unverrückbar, gefühlsmäßig eher surreal. Gibt es überhaupt jemanden, der an einem herrlichen Vormittag bei hochsommerlichen Temperaturen und strahlendem Sonnschein an Glühwein, Schnee oder Weihnachtsgeschenke denkt? Wir haben uns bei den Menschen in der Metzinger Innenstadt umgehört.
Georg Werwein ist auf dem Weg an die Universität nach Tübingen. Dort studiert der 23-Jährige Jura. Er trägt – den Temperaturen angepasst – kurze Hose und T-Shirt. »Nein, über Weihnachten habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, sagt der junge Mann aus Metzingen und lacht. Doch in einigen Geschäften habe er schon Spekulatius-Kekse gesehen – seine absoluten Favoriten unter den Weihnachtsplätzchen. In den kommenden Tagen wird er sich davon welche kaufen. Mit Weihnachtsgeschenken hingegen ist er nicht so schnell. »Leider bin ich in diesem Bereich etwas nachlässig. Hin und wieder mache ich mir zwar Gedanken darüber. Doch zum Kaufen gehe ich meist erst am 23. Dezember los«, gibt der Student zu.
Oussena, die in Metzingen wohnt, kauft keine Weihnachtsgeschenke. Denn die 16-Jährige ist Muslimin. Ein Weihnachtsfest im christlichen Sinn wird von den Muslimen nicht begangen, doch trotzdem liebt die Schülerin, die das ernährungswissenschaftliche Gymnasium in Tübingen besucht, die Zeit rund um Weihnachten. Die festlichen Dekorationen, der Lichterglanz, die schönen Sendungen im Fernsehen und überhaupt die winterliche Stimmung haben es der gebürtigen Bad Uracherin angetan. »Besonders gerne gehe ich dann auf den Weihnachtsmarkt. Das muss einfach sein,« sagt sie. »Und ich freue mich schon, wenn es bald wieder losgeht.«
Silvio Flemmig hatte die Planungen für Weihnachten bereits im Juli abgeschlossen. Wow, so früh! »Zumindest für den beruflichen Teil«, erklärt der Augenoptikermeister und Inhaber von Optik Wagner schmunzelnd. »Die Dekoartikel sowie die neuen Brillenmodelle der Herbst- und Winterkollektion müssen wir immer sehr frühzeitig bestellen, schon allein wegen der Lieferzeiten.« Und wie sieht es im privaten Bereich aus? »Hier habe ich mir tatsächlich schon ein paar Gedanken gemacht und mit meiner Frau besprochen. Und unser siebenjähriger Sohn hat auch schon seine Wünsche geäußert.« Doch der Optiker muss zugeben, dass letztendlich seine Frau Melanie Flemmig die ganzen Geschenke besorgt. »Was nicht zu unterschätzen ist, denn wir haben eine große Familie. Allerdings erhalten nur die Kinder Geschenke, bei den Erwachsenen haben wir das eingestellt«, berichtet der 42-Jährige. Bis spätestens Ende Oktober sind die privaten Weihnachtseinkäufe bei Familie Flemmig erledigt. Denn je näher die Festtage rücken, desto stärker sind sie in ihrem Ladengeschäft gefordert.
Ursula Wick kommt gerade vom Bäcker. Die Seniorin hat sich dort ein paar Brötchen fürs Frühstück besorgt. Dies macht sie sehr gerne – auch in der Hoffnung, unterwegs ein paar Bekannte zu treffen, mit denen sie sich unterhalten kann. Die 79-Jährige erzählt, dass sie den Tag so nimmt, wie er kommt. »Ich bin schon vorausblickend. Aber an Weihnachten habe ich noch nicht gedacht.« Die Festtage wird sie wie in jedem Jahr mit ihrer Familie verbringen. Der Kauf von Präsenten steht bei ihr nicht mehr auf dem Programm. Da ihre drei Enkel bereits erwachsen sind, erhalten diese von ihr ein Geldgeschenk. Jeder gleich viel, da macht sie keinen Unterschied. »Die Höhe des Betrages passe ich immer meiner aktuellen finanziellen Situation an. Ich kann nicht mehr geben, als ich habe«, erklärt die Metzingerin.
Clara Zeberer aus Wendlingen macht eine Ausbildung zur Konditorin bei Dorte’s Torten & Marzipan Atelier. Sie ist im dritten Lehrjahr und könnte sich keinen schöneren Beruf vorstellen. »Bei dieser Hitze kann man wirklich nicht glauben, dass bald Weihnachten sein soll«, meint die 20-Jährige. Trotzdem gab es in den vergangenen Tagen schon Kundenanfragen, wann mit den ersten Elisen-Lebkuchen zu rechnen sei. Mitte September wurde in dem Fachgeschäft mit der Herstellung dieser Spezialität begonnen. Geschenke für den privaten Bereich hat sie noch nicht besorgt. »Wenn ich während des Jahres mal was finde, nehme ich es mit. Ansonsten kaufe ich die Präsente immer auf den letzten Drücker. Vielleicht auch deshalb, weil in der Vorweihnachtszeit hier sehr viel zu tun ist«, sagt die junge Frau.
Ann-Sophie und Laura haben sich heute zum Kaffeetrinken verabredet. Die beiden Schülerinnen aus Metzingen möchten noch einmal in Ruhe quatschen und sich auf den neuesten Stand bringen, bevor die Schule wieder beginnt. Die jungen Frauen besuchen das örtliche Gymnasium und sind sehr gute Freundinnen. Für die 17-jährige Ann-Sophie ist Weihnachten noch ziemlich weit weg. Jetzt sei es einfach noch zu früh. »Ungefähr in der Zeit nach Halloween ändert sich die Stimmung, finde ich. Dann kaufe ich auch mal Weihnachtsplätzchen, vorher eher nicht.« Über Geschenke denkt sie immer wieder mal nach und wenn sie eine Idee hat, notiert sie sich diese. Aber die Einkäufe selbst erledigt sie immer relativ kurzfristig. Bei Laura sieht es ähnlich aus. »Ich brauche einfach die Weihnachtsstimmung für solche Einkäufe. Und dies ist frühestens Anfang Dezember. Manchmal komme ich dann ein bisschen in Stress, aber bislang hat es immer gut funktioniert«, berichtet die 18-Jährige. Bei Ann-Sophie ging bislang auch immer alles gut. Nur einmal musste ein Gutschein als Geschenk herhalten. »Aber das war auch in Ordnung und kam gut an.«
Noch denkt derzeit kaum einer an Weihnachten. Doch spätestens wenn die ersten Weihnachtsmärkte öffnen, der Wunsch nach einem Glas Glühwein aufkommt, die Lichterketten aus dem Schrank geholt werden oder wenn einem der Schoko-Nikolaus beim Einkaufen freundlich zulächelt – ja, dann steht Weihnachten wirklich vor der Tür. (GEA)